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Zukunftsmärkte > Büromöbelhersteller Interstuhl

„Ohne Mut zu Innovationen können wir nicht langfristig erfolgreich sein“

Die Arbeit mit Metallen hat Tradition in der Familie Link. Was mit einer kleinen Schmiedewerkstatt begann, hat sich über die Jahrzehnte zu einem international erfolgreichen Marktführer für Büromöbel gemausert.

Die Idylle der sanft geschwungenen und sattgrün bewaldeten Hügel ringsum sorgt offenbar für ein harmonisches Klima: Schon seit mehr als 20 Jahren arbeitet Helmut Link Seite an Seite mit seinem Bruder Joachim als Geschäftsführer bei dem Büromöbelhersteller Interstuhl in Meßstetten auf der Schwäbischen Alb. Jeden Montagmorgen treffen sich die Geschwister zur Geschäftsführersitzung und besprechen, was aktuell ansteht. „Wir managen unsere Brüderlichkeit aktiv“, erläutert Link.

Nicht immer sind die Brüder einer Meinung, wenn es um unternehmerische Entscheidungen geht. Kein Wunder: Ihre Charaktere sind ebenso verschieden wie ihr Werdegang. Das lässt sie aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Firma blicken. Während Joachim, Jahrgang 1967 und damit zwei Jahre älter sein Bruder, schon als Schüler begeistert in der Schmiede seines Opas werkelte und später Wirtschaftsingenieurwesen studierte, hat Helmut als Betriebswirt vor allem die Zahlen des Unternehmens im Blick. „Wenn mein Bruder links sagt und ich rechts, dann bleiben wir stehen“, sagt Helmut Link. „Wichtige Entscheidungen treffen wir immer einstimmig.“ Das gelingt auch meistens – und wenn nicht, wird die Sache mit dem Beirat von Interstuhl diskutiert. In dem Gremium sitzen drei gestandene Unternehmerpersönlichkeiten – allesamt langjährige Vertraute der Familie.

Die Gründung des Beirats im Jahr 2006 geht noch auf den Vater der beiden heutigen Geschäftsführer zurück: Werner Link war über Jahrzehnte hinweg der unangefochtene Patriarch – des Unternehmens ebenso wie der Familie. Ab den sechziger Jahren hatte er die Schmiede seines Vaters mit vier Mitarbeitern binnen weniger Jahre zu einem Marktführer für Arbeits- und Bürostühle verwandelt. Sein Erfolgsrezept: Fleiß, Hands-on-Mentalität und eine Mischung aus Erfahrungs- und Zweckoptimismus – typisch schwäbische Tugenden. Mit einem nach ergonomischen Gesichtspunkten konstruierten Stuhl für Näherinnen fing alles an. Die Schwäbische Alb, wo Interstuhl seinen Firmensitz hat, war zu der Zeit ein Mekka der Textilindustrie. Werner Link erkannte seine Chance, entwickelte, produzierte und vertrieb einen Arbeitsstuhl für die Werkstätten der Region.

Vorbereitung auf die Krise

Rosig waren die Zeiten für Interstuhl freilich nicht immer. In den neunziger Jahren geriet das Unternehmen, wie die gesamte Branche, in die Krise. Interstuhl reagierte, konsolidierte seine Standorte und investierte vermehrt in Produktentwicklungen. Außerdem mussten die Kosten runter. Das bedeutete auch: Mitarbeiter zu entlassen. „Damals sind Beziehungen zerbrochen“, erinnert sich Helmut Link. Das sei sehr schmerzlich gewesen – zumal seine Familie, genau wie viele Mitarbeiter, tief in der Region verwurzelt sei. „Doch diese Mentalität muss man als Unternehmer mitbringen. Schließlich steht die Existenz der gesamten Firma auf dem Spiel“, betont Link.

Die effektivste Absicherung gegen die wirtschaftliche Krise sei es, die besten Produkte auf dem Markt zu haben – davon ist Helmut Link überzeugt. Daher steckt Interstuhl jedes Jahr 10 Millionen Euro in seine Abteilung „Forschung und Entwicklung“. Rund 40 Mitarbeiter arbeiten hier an Innovationen rund ums Sitzen. Von der ersten Idee bis zur Marktreife des Möbels vergehen im Regelfall zwei Jahre. Nicht jede Neuheit wird dabei von den Kunden angenommen. So stieß ein Stuhl mit einer netzartig strukturierten Rücklehne, die sich je nach Belastung verformte, auf wenig Nachfrage. Für Helmut Link sind solche Reinfälle kein Problem. „Wenn wir keine Flops mehr produzieren, dann machen wir etwas falsch“, sagt er. „Ohne Mut zu Innovationen können wir nicht langfristig erfolgreich sein.“

Mehr Bewegung im Büro

Im Portfolio hat Interstuhl mittlerweile fast alles, vom Laborstuhl für Zahnärzte bis zur besonders stabilen Sitzgelegenheit für stark übergewichtige Mitarbeiter. In diesem Jahr baut der Mittelständler zudem sein Geschäftsmodell aus. Beschränkte sich das Unternehmen bisher im Wesentlichen darauf, Sitzgelegenheiten zu entwerfen und zu verkaufen, möchte Interstuhl künftig ganze Raumkonzepte für die Büros seiner Kunden anbieten. Hinzu kommt: Auch vor Bürostühlen macht die Digitalisierung nicht halt. Zusammen mit Garmin, einem Hersteller von Navigationsgeräten, hat Interstuhl einen Minisensor entwickelt, der unter der Sitzfläche eines Bürostuhls angebracht wird. Das Gerät misst, wie oft der „Besitzer“ seine Sitzposition ändert, und schickt die Daten an eine App, die dem Nutzer Tipps für gesünderes Sitzen gibt. „Der heutige Büromensch sitzt zu viel und bewegt sich zu wenig“, sagt Helmut Link, „wir arbeiten daher an der Dynamisierung des Sitzens.“

Zahlen & Daten

 

Interstuhl Büromöbel GmbH & Co.KG

 

  • Gründung: 1961
  • Umsatz: 153 Millionen Euro (2016)
  • Exportanteil: 42 Prozent
  • Mitarbeiterzahl: 850
  • Firmensitz: Meßstetten, Baden-Würrtemberg

Bewegung ist ein Thema, das ihm sehr am Herzen liegt. In seiner Jugend strebte er eine Karriere als Skifahrer an. Doch irgendwann musste er erkennen, dass sein Talent für eine Profikarriere nicht ausreichte. Sportlich ist er dennoch geblieben. Morgens joggt er gern, und nach Feierabend entspannt er sich beim Fahrradfahren durch die Schwäbische Alb. „Diese Auszeiten brauche ich. Da tanke ich Kraft für die Arbeit“, schwärmt Link.

Den Bewegungsdrang ihres Chefs bekommen jetzt auch die Mitarbeiter zu spüren. Nächstes Jahr feiert Helmut Link seinen fünfzigsten Geburtstag. Auf eine typische Betriebsfeier mit opulentem Büffet und schwülstigen Reden will er jedoch verzichten. Stattdessen möchte er lieber 50 Kilometer laufen, über die 12,5 Kilometer lange Hausstrecke direkt hinter der Firma – vier Mal bergauf und bergab. Link freut sich auf jeden Mitarbeiter, der ihn dabei – zumindest ein Stück des Weges – begleitet. Eine Party soll es anschließend auch geben – aber erst nach getaner „Lauf-Arbeit“. Typisch schwäbisch eben.

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