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Zukunftsmärkte > OWF 2025 in Bad Saarow

Hoffnung für den Osten

Vom Scharmützelsee in Richtung Aufbruch: Warum Ostdeutschland der ideale Ort ist, um über Resilienz, Innovation und die strategische Neuausrichtung des Mittelstands zu sprechen.

„Wir müssen das machen, was wir auch in den letzten 35 Jahren gemacht haben: nach vorne schauen“, erklärte Manuela Schwesig auf dem OWF 2025 in Bad Saarow.

Ein frischer Wind wehte beim 10. Ostdeutschen Wirtschaftsforum (OWF) in Bad Saarow – nicht nur vom nahen Scharmützelsee, sondern auch aus dem politischen Berlin. Mit einer neuen Bundesregierung, dem diesjährigen Tagungsmotto „Next Level“ und nach Jahren politischer und wirtschaftlicher Depression herrschte Aufbruchsstimmung unter den hochkarätigen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die sich zum zehnjährigen Jubiläum des OWF in dem malerischen brandenburgischen Kurort versammelten. 

Im Fokus dabei, wie Deutschlands Wirtschaft – allen voran der Mittelstand – robuster, innovativer und geopolitisch widerstandsfähiger gestaltet werden kann. Die ostdeutsche Wirtschaft kann dabei eine wichtige Vorreiterrolle spielen.

Dass das OWF in Bad Saarow ist das Stimmungsbarometer der ostdeutschen Wirtschaft. , zeigte schon Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in ihrer Eröffnungsrede: „Wir müssen das machen, was wir auch in den letzten 35 Jahren gemacht haben: nach vorne schauen."

Vor Ort war auch die neue Bundesministerin für Wirtschaft und Energie Katherina Reiche (CDU): „Ostdeutschland zeichnet sich durch eine besondere Fähigkeit aus, Wandel und Herausforderungen mit Zusammenhalt, Kreativität und pragmatischer Flexibilität zu meistern. 

Und der Osten ist stark! In acht der letzten zehn Jahre wuchs die Wirtschaft in Ostdeutschland stärker als in Westdeutschland, zahlreiche wirtschaftlich dynamische Städte und Regionen haben sich entwickelt. Ostdeutschland ist vor allem auch eine Region des starken Mittelstands.“

Nach magerem Wachstum braucht es ein neues Mindset

Die Herausforderungen, vor denen die deutsche Wirtschaft und der Mittelstand stehen, sind enorm: gestörte Lieferketten, geopolitische Spannungen, ein immer selbstbewusster auftretendes China, drohende Handelskonflikte mit den USA – und nicht zuletzt eine wachsende Kriegsgefahr in Europa. Der Mittelstand, Rückgrat der deutschen Wirtschaft, ist dabei besonders verwundbar. Seine Exportabhängigkeit, die engen globalen Verflechtungen und die teils knappe Kapitalausstattung machen ihn anfällig.

Professorin Ulrike Malmendier, Top-Ökonomin und Mitglied des auch als „fünf Wirtschaftswaisen“ bekannten Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung skizzierte schonungslos die Problemlage: Während die US-Wirtschaft seit 2019 um 12 Prozent gewachsen sei, liege Deutschland bei mageren 0,1 Prozent. Grund seien nicht nur die hohen Energiepreise, sondern vor allem „Labor Hoarding“ – also das Festhalten an Arbeitskräften trotz sinkender Produktivität. Die Folge: steigende Lohnstückkosten bei gleichzeitig stagnierender Wettbewerbsfähigkeit.

Ihr Rezept für mehr Wachstum: „Wir müssen das Arbeitsvolumen erhöhen, gezielt Einwanderung fördern und Kapitalmarktfinanzierung stärken.“ Und weiter: „Es geht auch um ein neues Mindset: Lust auf Aktien statt Sparbuch.“ Gerade hier sieht sie auch eine Chance in der geopolitischen Verschiebung: Warum nicht gezielt Top-Talente aus den USA oder Asien nach Deutschland holen?

Der Osten als Vorreiter? Transformation als Stärke

35 Jahre nach der Wiedervereinigung stellte sich in Bad Saarow auch die Frage: Ist der Osten Deutschlands heute vielleicht widerstandsfähiger als der Westen?

Stefan Traeger, CEO des thüringischen Technologiekonzerns Jenoptik, meint: Ja – zumindest in Teilen. „Wir sind Krise gewohnt. Wir haben im Osten mehr Krisen- und Transformationserfahrung, aber leiden auch unter einer gewissen Transformationsmüdigkeit.“ Diese muss nun überwunden werden. Wichtige Grundlagen sind hierfür vorhanden.

Ministerpräsidentin Schwesig ergänzte: „Im Osten reagiert man sensibler auf Veränderungen – wegen der Erfahrungen in den 90er-Jahren. Das kann heute ein Vorteil sein.“  Sie forderte eine spürbare Senkung der Energiekosten, mehr Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Krankenhäuser – und vor allem Planungssicherheit: „Wir brauchen Verlässlichkeit, damit Unternehmen mutig vorangehen können.“

Auch Professor Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft sieht im Osten ungenutztes Potenzial: Die Infrastruktur sei gut, es gebe bedeutende Hochschulen, eine höhere Patentdichte und noch viele freie Flächen. Doch er warnte auch: „Die demografische Entwicklung muss ernst genommen werden“. Jetzt brauche es vor allem Tempo und Investitionen in Bildung, Fachkräfte und Innovation, so Hüther.

Risiko China, Chance Europa

Doch neben einem entsprechenden wirtschaftlichen Klima und gut ausgebildeten Fachkräften braucht es auch eine sichere und verlässliche Rohstoffversorgung. Wie gefährlich strategische Abhängigkeiten sein können, zeigte Katja Drinhausen vom China-Institut MERICS auf: „China ist in vielem globaler aufgestellt als wir. Es hat De-Risking schon lange betrieben – etwa durch Investitionen in neue Märkte entlang der Seidenstraße.“

Europa brauche dringend eine gemeinsame Antwort – und müsse endlich ernsthaft als wirtschaftliche Gemeinschaft funktionieren: ein echter Binnenmarkt, eine echte Kapitalmarktunion. Dafür warb Ökonomin Malmendier, während Ministerpräsidentin Schwesig den „demokratischen Ostseeraum“ als den neuen Chancenpartner für die ostdeutsche Wirtschaft präsentierte.

Auch René Reichardt, CEO des Dresdner Umwelttechnologieunternehmens DAS Environmental Expert und Vorstand des Verbandes Silicon Saxony sieht Handlungsbedarf: „Wir müssen unsere strategischen Abhängigkeiten identifizieren und in sichere Lieferketten investieren“. Positiv sei, dass Sachsen mit neuen Lithiumvorkommen in die heimische Rohstoffförderung einsteige – eine Chance, unabhängiger zu werden und gleichzeitig die regionale Wirtschaft zu stärken.

Innovation, Kreativität, Sicherheit – die neue Dreifaltigkeit der Resilienz

Dr. Stefan Traeger brachte es in seinen fünf Thesen zur Zukunftsfähigkeit auf den Punkt: „Wir brauchen eine strategische Agenda für Schlüsselindustrien, Mut zur Innovation und ein neues Bildungsverständnis. Ohne Kreativität gibt es keine Innovation – und ohne Innovation keinen Wohlstand.“

Dabei gehe es nicht nur um Technik, sondern auch um Haltung: Offenheit für neue Ideen, neue Partnerschaften – auch über kulturelle Grenzen hinweg. „Wir müssen nicht immer das gleiche Verständnis von Staat und politischen Systemen haben. China bleibt auch in Zukunft für uns ein wichtiger Handelspartner.“ Diese pragmatische Haltung wird zum Erfolgsfaktor in einer Welt, die sich neu sortiert.

Und schließlich: Ohne Sicherheit kein Wohlstand. Generalleutnant André Bodemann, Befehlshaber Territoriales Führungskommando der Bundeswehr machte deutlich, dass Resilienz nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch gedacht werden muss: „Verteidigung ist eine gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie erfordert unter anderem eine widerstandsfähige Wirtschaft und Industrie mit sicheren und resilienten kritischen Infrastrukturen. In den zurückliegenden Jahrzehnten lag hier nicht der Fokus. Das müsse nun neu erfahren und erarbeitet werden, betonte Bodemann.

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