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Zukunftsmärkte > Anlage-Kolumne

Immer noch keine Ruhe am Aktienmarkt: Droht nun eine Rezession?

Die Rezessionsgefahr steigt, aber auch die Aktienkurse; das Inflationsproblem ist nicht gelöst, aber die langfristigen Zinsen sinken. In diesem unklaren Umfeld versuchen wir in diesem Monat die Aussichten für alle wesentlichen Anlageklassen anhand der Erfahrungen aus früheren Krisen und Rezessionen zu analysieren.

Bild: Shutterstock

In unserer letzten Kolumne haben wir den Verlauf der Kurse von Staatsanleihen, Aktienkursen und der Konjunktur während der wichtigsten Rezessionen der letzten Jahre angesehen. Daraus ergab sich, dass Aktienkurse ihr niedrigstes Niveau immer einige Monate vor dem Tiefpunkt des realen Volkseinkommens erreicht haben und in den folgenden Quartalen bis zum Ende der Rezession überdurchschnittlich hohe Kursgewinne erzielt wurden.

Nun untersuchen wir zunächst, welche Regionen und Sektoren am weltweiten Aktienmarkt in den Krisen- und Rezessionsphasen der letzten 30 Jahre besonders anfällig oder auch stabil waren.

Dabei war die erste Krise eine Besonderheit, denn sie bestand hauptsächlich aus dem Zusammenbruch von zwei überteuerten Sektoren, den Technologie- und den Telekomaktien.

Eine Rezession gab es in diesem Zusammenhang in den großen Regionen nicht, aber sehr starke Aktienkursverluste, die in Deutschland mit dem Zusammenbruch des „Neuen Marktes“ (-97%), einem Index für Internet- und sonstige damals modische Aktiengesellschaften, besonders hoch ausfielen. Auch der gesamte übrige deutsche Aktienmarkt wies in dieser Phase auffallend hohe Kursverluste auf. Die Finanzkrise von 2008 wurde durch den US-Wohnimmobilienmarkt verursacht. Dort hatte eine jahrelang zu laxe Kreditvergabe an finanzschwache Käufer zu hohen Verlusten des weltweiten Bankensystems geführt, weil die Amerikaner immerhin schlau genug waren, einen Großteil dieser Kredite an ausländische Banken weiterzureichen. Zunächst sah man diese Krise als amerikanisches Problem an, weshalb der US-Aktienmarkt überdurchschnittliche Verluste verzeichnete. Umgekehrt war die Euro-Krise ab 2011, ausgelöst von der Angst vor einer Staatspleite Italiens und Spaniens, ein europäisches Problem und resultierte in einer schwächeren Performance europäischer und – wie so häufig – deutscher Aktien. Das gleiche Resultat brachte die Corona-Krise im 1. Quartal 2020, allerdings aus anderen Gründen. Von der mit dem Lockdown verbundenen Verlagerung vieler Arbeitsplätze ins Homeoffice profitierten internetbasierte Technologiefirmen wie z.B. Amazon oder Netflix besonders stark. Diese sind überwiegend in den USA beheimatet. In der aktuellen Krise fallen erneut deutsche Aktien negativ auf, weil sie stark von der kriegsbedingt wachsenden Lieferkettenproblematik und der hohen Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen belastet werden könnten.

 

Was sich in den letzten Krisen allerdings immer wieder als sehr zuverlässig erwiesen hat sind Gesundheits- und Basis-Konsumgüteraktien. Auch IT-Aktien erwiesen sich als überdurchschnittlich krisenfest, wenn sie nicht aus einer überkauften Spekulationswelle wie nach dem Jahr 2000 oder auch 2021 in die Krise rutschen. Da alle diese Branchen im US-Aktienindex hoch gewichtet sind, haben sich US-Aktien als besonders resistent gegenüber Krisen und Rezessionen erwiesen, während die genannten Branchen am deutschen Aktienmarkt eher schwach vertreten sind.

Daher ist die Krisenanfälligkeit deutscher Aktien relativ hoch. Aktuell haben diese nach ihrer starken Underperformance allerdings eine historisch seltene Unterbewertung erreicht und sollten im Depot bleiben.

Private-Equity-Fonds haben einen ähnlichen Performance-Verlauf wie Aktien. Dazu kommt aber die angenehme Eigenschaft, in Krisenzeiten deutlich weniger Verlust zu verzeichnen als Aktien. Ein weiterer besonderer Vorteil von Private-Equity-Fonds besteht darin, dass Unternehmen, die in und nach Rezessionen von den Fonds gekauft werden, besonders hohe jährliche Renditen bringen. Man sollte also jetzt Private-Equity- Fonds zeichnen, denn diese Fonds können dann in der möglicherweise kommenden Rezession günstig einkaufen. In den letzten 30 Jahren hat diese Taktik bestens funktioniert.

Bei Immobilien zeigt sich ein differenzierteres Bild. Börsengehandelte Immobiliengesellschaften, neudeutsch REITs (Real Estate Investment Trusts), weisen in den drei Rezessionen, die auch in den USA herrschten, (Finanzkrise 2008, Corona-Krise 2020, aktuelle Krise 2022) ein ähnliches Kursverhalten auf wie weltweite Aktien. Allerdings erlebten REITs im Jahr 1998 anders als Aktien einen Kursverlust von 50%, nachdem eine heftige Wirtschaftskrise in Asien den Ölpreis drückte. Dadurch geriet Russland nach einigen asiatischen Ländern an den Rand einer Staatspleite und der damals größte Hedgefonds LTCM, geleitet von 2 Wirtschafts-Nobelpreisträgern, musste mit Vermögenswerten von über 100 Mrd. $ bei nur 4 Mrd. $ Eigenkapital von den internationalen Großbanken abgewickelt werden. Das weltweite Finanzsystem stand vor einem Kollaps und kreditfinanzierte Immobilien und Immobiliengesellschaften gerieten stark unter Druck. Der Eingriff der US-Zentralbank rettete im Herbst 1998 die Lage. Deutsche REITs haben sich in der aktuellen Krise ebenfalls nicht als stabil erwiesen und hohe Verluste gebracht.

Der Goldpreis ist in den 8 Rezessionen der USA seit 1970 viermal gestiegen und viermal gefallen und in Deutschland in 10 Rezessionen siebenmal gestiegen und dreimal gefallen. Damit konnte Gold zumindest für deutsche Anleger durchaus einen gewissen Schutz in einer Rezessionsphase bieten.

Staatsanleihen boten in den letzten Jahrzehnten Stabilität in Rezessionsphasen. Künftig kann diese Stabilität aufgrund der weltweit hohen Verschuldung von Staaten und Unternehmen in Krisenzeiten nur dann aufrechterhalten werden, wenn die Zentralbanken immer wieder Geld drucken und damit die Zinsen auf niedrigem Niveau halten. Die dadurch strukturell erhöhten Inflationsraten werden die Kaufkraft von Staatsanleiheportfolios langfristig deutlich schrumpfen lassen.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass Aktien, Beteiligungsfonds und REITs zwar vor einer Krise deutliche Kursverluste gemacht haben und auch künftig machen werden, aber bereits vor dem Tiefpunkt einer Rezession wieder nachhaltig zu steigen beginnen. Positiv hervorzuheben sind hier Beteiligungsfonds und Aktien der Sektoren Gesundheit, Basis-Konsumgüter und zunehmend auch IT-Firmen, deren Verluste in Rezessionen üblicherweise deutlich geringer ausfallen und deren langfristige Erträge erheblich höher sind als beim Durchschnitt des weltweiten Aktienmarktes.

Schuldenfreie deutsche Wohnimmobilien boten in den letzten Jahrzehnten eine hohe Stabilität in Krisenzeiten, wobei heutzutage angesichts von Energiewende und Handwerkermangel sanierte Wohnungen vorzuziehen sind.

Gold bietet deutschen Anlegern einen gewissen Krisenschutz, aber Staatsanleihen haben diese Eigenschaft verloren.

Reinhard Panse ist Chief Investment Officer und Mitgründer der FINVIA Family Office GmbH. Bis Februar 2020 war er Mitglied der Geschäftsführung und Chief Investment Officer für die im Eigentum der Familie Harald Quandt stehende HQ Trust GmbH. Von 2004 bis zum Eintritt in die HQ Trust GmbH im Jahre 2011 war Panse Chief Investment Officer des in der UBS Deutschland AG geschaffenen Geschäftsbereichs UBS Sauerborn. Ab 2001 war er Mitglied des Vorstands der Sauerborn Trust AG bzw. der Rechtsvorgänger. Begonnen hat Reinhard Panse mit der Übernahme von Kapitalmarkt- und Kundenbetreuungstätigkeiten bei der Feri GmbH im Jahre 1989, nachdem er eine eigene Vermögensverwaltung als Geschäftsführer gegründet und geführt hatte

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