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Zukunftsmärkte > Diversifizierung

„In der Corona-Krise hilft uns unsere Internationalisierung“

Beim Industriezulieferer Weicon haben sich viele Abläufe durch die Corona-Krise verändert. Geschäftsführer Ralph Weidling berichtet, wie sein Unternehmen mit den Änderungen zurechtkommt und weshalb es die Krise bislang gut überstanden hat.

„Das Corona-Virus geht leider auch an uns nicht spurlos vorbei, und natürlich waren die vergangenen Wochen alles andere als normal. Wir haben die Mitarbeiter in der Produktion unserer Spezialprodukte für die Industrie, wie etwa Kleb- und Dichtstoffe, in zwei Schichten eingeteilt. Nur dadurch, dass sich weniger Leute zur selben Zeit in der Fertigung aufhalten, können wir den nötigen Sicherheitsabstand gewährleisten. Unsere Produktion läuft neuerdings durchgehend von fünf Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Mit einer Ausnahme allerdings: Zwischen dem Schichtwechsel befindet sich für eine halbe Stunde nur eine externe Reinigungsfirma in den Hallen. Diese desinfiziert sämtliche Handläufe, Türklinken und Toiletten. Wir wollen unbedingt verhindern, dass sich unsere Mitarbeiter mit dem Virus infizieren – und zwar nicht nur aus Fürsorgepflicht und Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitarbeitern, sondern auch weil eine zwischenzeitliche Schließung unserer Produktion uns wirtschaftlich schwer treffen würde.

Auch bei uns ist zwar der eine oder andere Auftrag weggebrochen. Dass wir aber, insgesamt gesehen, bislang glimpflich durch die Krise gekommen sind, haben wir aus meiner Sicht zwei Dingen zu verdanken: Erstens sind viele unserer Produkte – etwa Fette oder technische Sprays – für die Wartung von Maschinen nötig. Auch während einer Krise müssen die Betriebe ihre Anlagen in Schuss halten. Der zweite Pluspunkt von Weicon ist, dass wir weltweit aktiv sind. Wir haben neun Niederlassungen auf vier Kontinenten und exportieren in über 120 Länder. Als sich in China die Epidemie auf ihrem Höhepunkt befand, gab es in Europa und Nordamerika noch keinerlei Probleme. Jetzt, wo sich das geändert hat, erholt sich die Wirtschaft in Südostasien wieder. Unsere Strategie, die wir in den vergangenen Jahren gefahren sind, sehe ich daher bestätigt: Wir haben unseren Exportanteil Schritt für Schritt auf 50 Prozent erhöht, um so unsere Abhängigkeit von einzelnen Märkten zu reduzieren.

 

Doch auch in den besonders vom Virus betroffenen Gebieten ist unser Absatz nicht stark eingebrochen. Wir haben zum Beispiel eine Niederlassung in Genua, die auch in den vergangenen Wochen mit einer Notbesetzung Aufträge bearbeitet hat. Dort haben wir unter anderem Spezialklebstoffe für den Neubau der vor zwei Jahren eingestürzten Autobahnbrücke geliefert. Nur in Südafrika wurde unsere Niederlassung auf behördliche Anordnung geschlossen. Überall auf der Welt ändert sich derzeit so viel, und überall gelten andere Vorschriften, da ist es nicht einfach, immer auf dem aktuellsten Stand zu sein. Meine regionalen Niederlassungsleiter haben aber die jeweilige Lage genau im Blick, so dass ich mir keine Sorgen machen muss.

 

Die größte Veränderung durch das Virus erleben unsere Außendienstmitarbeiter. Sie können derzeit keine Kunden besuchen, sondern müssen über Telefon und Internet Kontakt mit unseren Kunden halten. Natürlich geht das, den persönlichen Austausch aber kann es keinesfalls ersetzen. Auch für mich als Geschäftsführer hat sich mein Arbeitsalltag komplett geändert. Ich bin in den vergangenen Jahren viel in der Welt unterwegs gewesen und bis zu 100-mal pro Jahr geflogen. Diese Kontakte mit Geschäftspartnern, Kunden und Mitarbeitern fehlen mir jetzt sehr. Ich bin einfach kein Mensch, der tagelang ruhig am Schreibtisch sitzen kann.

WEICON GmbH & Co. KG

 

Weicon stellt Spezialprodukte für die Industrie her. Zum Sortiment des Mittelständlers aus Münster zählen Spezialkleb- und Dichtstoffe, technische Sprays sowie Hochleistungsmontagepasten und Fette für alle Bereiche der Industrie – von der Produktion über Reparatur und Wartung bis hin zur Instandhaltung. Außerdem entwickelt und vertreibt das Unternehmen mit seinen rund 280 Mitarbeitern Werkzeuge zum Abisolieren und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 40 Millionen Euro.

Fehlender Branchentreff

Ich freue mich daher darauf, wenn ich endlich wieder reisen kann, unter anderem auch zu Messen. Die fallen derzeit natürlich alle aus, was wirklich schade ist. Wir sind normalerweise jedes Jahr weltweit auf circa 40 Messen vertreten. So stellen wir unsere Produkte vor, gewinnen Neukunden und treffen uns nicht zuletzt mit Bestandskunden. Die Kölner Eisenwarenmesse ist für uns ein wichtiges Branchentreffen, bei dem ich viele Leute in kurzer Zeit sehen kann, für deren Besuch ich sonst weitere Reisen einplanen müsste. Damit zumindest unsere Produktpräsentationen dieses Jahr nicht ins Wasser fallen, haben wir einen digitalen Messestand für unsere Webseite entwickelt. Dort können die Besucher über Videos unsere neuesten Produkte unter die Lupe nehmen oder sich technische Daten im Detail anzeigen lassen.

Die Krise hat für uns aber auch ihre positiven Effekte. Wir haben festgestellt, dass interne Besprechungen, die über das Telefon oder per Videokonferenz laufen, viel effektiver sind als die physischen Treffen im Konferenzraum. Wofür wir früher zwei Stunden benötigt haben, brauchen wir jetzt nur noch eine. Daher werden wir wohl auch nach der Corona-Krise einige interne Besprechungen digital abhalten. Für Meetings mit Externen wird das aber nicht gelten, da die digitale Kommunikation aus meiner Sicht wie gesagt den direkten Kundenkontakt nicht ersetzen kann.

Auch für unsere Mitarbeiter in der Verwaltung hat sich der Alltag stark verändert. Überall dort, wo es möglich ist, arbeiten die Kollegen jetzt von zu Hause aus. Für uns sind das völlig neue Erfahrungen. Bis dahin hatte niemand je von uns im Homeoffice gearbeitet. Daher war ich auch sehr skeptisch, ob und wie das klappt. Aber es funktioniert wirklich gut, und auch von größeren technischen Problemen sind wir bislang verschont geblieben. Dennoch ist es mir lieber, wenn meine Mitarbeiter vor Ort sind und ich sie auf den Fluren oder im Büro sehen kann. Ein oder zwei Tage pro Monat im Homeoffice werden wir aber sicherlich auch nach der Krise unseren Mitarbeitern anbieten.“

 

Protokoll: Martin Pirkl

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