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Zukunftsmärkte > Vorsicht, Fettnäpfchen!

Internationaler Erfolg erfordert interkulturelle Kompetenz

Gestern Beijing, heute Brüssel, morgen Beirut – internationale Geschäftstermine sind im Mittelstand längst Alltag. In der Fremde lauern allerdings interkulturelle Fettnäpfchen. Mit interkultureller Kompetenz lassen sich diese umgehen.

Flughafen Beijing: Der chinesische Geschäftspartner wartet schon. Er fragt Sie auf Englisch nach Ihrer Familie, Ihrer Reise. Zwanglos tauschen Sie Visitenkarten aus. Denn: Sie haben vor dem Abflug Ihre Hausaufgaben gemacht: Das Überreichen der Visitenkarte mit zwei Händen war einmal, heute ist das Ritual unter Hipstern längst verpönt. Plötzlich werden Sie nervös. Der Geschäftspartner nickt nicht, lächelt nicht. Sie versuchen es mit Small Talk und beginnen ein Gespräch über Korruption in China. Vergessen Sie es. Treten Sie die Flucht nach hinten an. Ab in den nächsten Flieger gen Heimat.

„Korruption, Ai Weiwei, das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, die Okkupation Tibets – wenn Sie in China noch Geschäfte machen wollen, erwähnen Sie diese Themen besser nicht“, erklärt Olivia Merz, interkultureller Coach aus Hamburg. Chinesen reagierten äußerst feinfühlig auf direkte Kritik. Das Ansprechen von Fehlern sei gesellschaftlich erst akzeptiert, wenn eine Geschäftsbeziehung gut funktioniere und ein Vertrauensverhältnis bestehe, führt Merz aus.

Aber nicht nur den Chinesen stößt deutsche Direktheit übel auf. Im internationalen Vergleich gebe es kaum eine Kultur, in der so offen und bisweilen gnadenlos direkt kommuniziert werde wie in der deutschen, sagt Steffen Henkel, Geschäftsführer Interkulturelles Management bei der Cross-culture Academy. Um zu verstehen, wie sich beispielsweise asiatische Geschäftspartner dabei fühlten, helfe eventuell eine Reise nach Israel oder in die Niederlande: „In diesen Ländern durchlebt der deutsche Geschäftsmann, was alle anderen Kulturen erleben, wenn sie auf die deutsche Mentalität treffen“ sagt Henkel: Die direkte Art der Israelis und Niederländer wirke bisweilen unfreundlich, kühl, ja sogar hart.

Deutschland ist keine Insel

Viele Geschäftsleute sind sich dieser „deutschen“ Eigenheit nicht bewusst, beobachtet Merz bei ihren Kunden. „Während die Regeln der Physik universell gültig und anwendbar sind, funktionieren angelernte Verhaltensmuster, die sich im Geschäftsleben innerhalb der eigenen Kultur bewährt haben, in anderen Kulturen nur bedingt“, erklärt sie. Hier ist interkulturelle Kompetenz gefragt. Vereinfachend lasse sich diese als soziale und kommunikative Kompetenz beschreiben, gepaart mit dem Wissen um die Kultur des anderen, erläutert Henkel.

Eine Fähigkeit, die in Zeiten der Globalisierung immer wichtiger wird, denn: Auf der Suche nach neuen Absatzmärkten strecken immer mehr Mittelständler ihre Fühler ins Ausland aus. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung in Bonn summierte sich das Exportvolumen kleiner und mittlerer Unternehmen 2015 auf 206,4 Milliarden Euro. 9,3 Prozent ihrer Umsätze erwirtschafteten die Firmen fernab des sicheren Heimathafens. Auch bei der Beschaffung geht es zunehmend internationaler zu. Wie eine Studie von IW Consult im Auftrag der KfW Bankengruppe feststellt, importierten im Jahr 2012 knapp zwei Drittel der kleinen und mittelständischen Industrieunternehmen Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland. „Die Verflechtungen der Wirtschaft werden immer größer, die Arbeitswelt wird internationaler. Das betrifft nicht nur deutsche Unternehmen, die Standorte im Ausland haben, sondern auch Teams in Deutschland“, sagt Birgit Stodtko, Geschäftsführerin International bei der IHK Halle-Dessau.

Vorbereitung ist alles

Unternehmen haben die Bedeutung interkultureller Kompetenzen für ihre Auslandsaktivitäten offenbar erkannt: Vier von fünf Firmen gaben in einer Studie von IW Consult an, dass interkulturelle Kompetenz ein wichtiger oder sehr wichtiger Faktor für den Erfolg im Ausland sei. Auch Stodtko bestätigt, dass das Bewusstsein für „andere Länder, andere Sitten“ bei deutschen Mittelständlern wachse. Sie rät jedem Mittelständler, sich vor einer Geschäftsreise oder einem Treffen mit ausländischen Geschäftspartnern intensiv auf die fremde Kultur vorzubereiten.

Hilfreich sei es zudem, deutsche Maßstäbe oder Tugenden nicht beim ausländischen Gegenüber vorauszusetzen.Bei den ersten Vorbereitungen für Reisen in fremde Welten helfen die Industrie- und Handelskammern sowie die deutschen Auslandshandelskammern weiter. Auch die Internetseiten von Germany Trade and Invest bieten länderspezifische Informationen über kulturelle Besonderheiten. Steht ein größeres Projekt im Ausland auf der Unternehmensagenda, sollte ein gezieltes soziokulturelles Training der Mitarbeiter ins Auge gefasst werden.

Lost in Turkmenistan

Ein Geschäftsmann, der glaubt, seine Englischkenntnisse bewahrten ihn vor kulturellen Fettnäpfchen mit französischen Geschäftskunden, irrt. „Sie begeben sich auf den Holzweg, wenn Sie annehmen, die kulturellen Probleme seien vom Tisch, weil Sie sich in einer gemeinsamen Fremdsprache unterhalten“, mahnt Henkel. Bei der Kommunikation in einer fremden Sprache lasse sich schlecht abschätzen, ob beide Seiten einem Wort denselben Bedeutungsinhalt zuschreiben, erklärt er.

Eine Erfahrung, die auch der Reinigungsmittelhersteller Delta Pronatura („Dr. Beckmanns Fleckensalz“) aus Egelsbach auf die harte Tour gemacht hat. Dass man auch im Zeitalter der Globalisierung mit einer Lingua Franca schnell an Grenzen stößt, daran erinnert sich Sergius Klunk, Group Area Manager bei Delta Pronatura: „Mit Englisch kamen wir in Turkmenistan oder Russland nicht weiter. Dort hat die Kommunikation nur in russischer Sprache funktioniert.“ Ähnlich erging es den Egelsbachern in Asien. Obwohl Englisch dort auf bestimmten Unternehmensebenen gesprochen werde, sei die Kommunikation oft weniger informativ. Um besser für die Kommunikation mit ausländischen Kunden gerüstet zu sein, beschäftigt Delta Pronatura Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Nationen, die oft mehrere Sprachen beherrschen. Darüber hinaus organisiert die Firma intern Sprachkurse für ihre Mitarbeiter. Zusätzlich besuchen die Angestellten Schulungen für den interkulturellen Austausch bei den Industrie- und Handelskammern.

Sieben Mal Glück

Interkulturelles Fingerspitzengefühl ist auch in der nonverbalen Kommunikation gefragt. Seine chinesischen Kunden kennen den deutschen Werkzeug- und Formenbauer Siebenwurst nur unter dem Namen Shi Fu. Übersetzt heißt das: sieben Mal Glück. Zur Namensänderung hatte damals eine chinesische Dolmetscherin geraten.

Denn: Der chinesische Kunde wünscht sich etwas Positives, erklärt Christian Walter, Geschäftsführer Servicegesellschaften und Leitung Internationaler Vertrieb. Walter unterstreicht, dass er den Namensaspekt aber nicht überbewerten würde. Letztendlich entscheide über den Erfolg oder Misserfolg im Auslandsgeschäft immer noch, „ob Sie dem Kunden ein gutes Produkt und Qualität anbieten können“. Firmen, die ein Geschäft im Ausland aufbauen wollen, rät Walter, sich mindestens ein Jahr oder länger auf die Kultur des Zielmarktes, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und andere Kundeneinstellungen vorzubereiten. Chinesen geben zum Beispiel kaum Geld für Know-how und Consulting aus. In Europa ist dies aber gern willkommen.

Zeit ist nicht immer Geld

Manchmal nützt aber auch die beste Vorbereitung daheim nichts. Mit der Wartung und Reparatur von Werkzeugen – dem Konzept der „Tool Doctors“ – wollte Siebenwurst in Shanghai den chinesischen Markt erobern. Der Formenbauer scheiterte – zunächst: „Wir mussten lernen, dass der Chinese nicht für die Instandhaltung oder Wartung zahlt. Funktioniert ein Werkzeug nicht, kauft er einfach ein neues“, erinnert sich Walter. Was in China anfangs nicht klappen wollte, wurde in Mexiko und den Vereinigten Staaten auf Anhieb ein Erfolg.

Aber auch hier mussten sich die Bayern an die unterschiedlichen Mentalitäten anpassen: „Unsere Kunden in den Vereinigten Staaten waren es nicht gewöhnt, eine partnerschaftliche Kunden-Lieferanten-Beziehung aufzubauen.“ Der Amerikaner handele lieber nach dem Motto „Take it or leave it“. Anders hingegen sieht es in Asien aus. Dort sind Beziehungen essentiell für Geschäfte. Bevor ein Chinese zum geschäftlichen Teil übergeht, braucht er eine persönliche Beziehung. Während der Deutsche den Small Talk getreu dem Motto „Zeit ist Geld“ als pure Zeitverschwendung abtut, sollte er sich in Ländern, in denen mehr Wert auf die Beziehungsebene gelegt wird, davor hüten, gleich über Geschäftszahlen zu sprechen.

Bitte recht deutsch

Doch wie sehr sollten sich Geschäftsleute an die jeweilige Kultur anpassen? Das Siegel „Made in Germany“ steht zwar rund um den Globus für Qualität. Einem deutschen Manager, der etwa nach China reist, eilt das Klischee jedoch voraus. „Dem Deutschen haftet das Image eines Weltverbesserers an, oft werden wir als Gutmenschen bezeichnet“, erklärt Merz. Allerdings sei diese Bezeichnung im Reich der Mitte alles andere als positiv. Der Deutsche glaube, seine Werte seien das einzig Wahre. Diese Werte versuche er, so die Ansicht des Chinesen, auch im Ausland durchzusetzen.

Christian Walter von Siebenwurst sieht das ähnlich: „Es ist ein großer Fehler, durch die Welt zu reisen und zu versuchen, jeden von unseren vermeintlich deutschen Tugenden zu überzeugen“. Das erwecke beim Gegenüber den Eindruck von: „Wir machen alles besser.“ Anders sieht es bei den sogenannten Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit und Genauigkeit aus. Je nach Land wird die deutsche Zuverlässigkeit besonders geschätzt. Prinzipiell gilt: Ein Patentrezept für den Umgang mit anderen Kulturen gibt es nicht – außer vielleicht die Einsicht, dass am anderen Ende des Verhandlungstisches nie „der“ Russe oder „der“ Chinese sitzt, sondern zuallererst ein Mensch.

Fit fürs Ausland

Eine erste Orientierung bei der Vorbereitung auf Geschäftsreisen in andere Länder bieten die Industrie- und Handelskammern sowie die Auslandshandelskammern an. Das Angebot reicht von kostenlosen Broschüren bis hin zu Länderseminaren. Einen guten Überblick können sich Firmen auch auf den Internetseiten von Germany Trade and Invest, kurz GTAI, verschaffen. Planen Unternehmen eine Expansion ins Ausland oder eine Mitarbeiterentsendung, empfiehlt sich der Gang zu einem interkulturellen Berater.


Der Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 10/2017. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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