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Zukunftsmärkte > Übergangsphase ab Februar

Brexit: Die Unsicherheit für deutsche Unternehmen bleibt

Wie es für deutsche Unternehmen nach dem Brexit am Samstag weitergeht, ist unklar. Bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsfrist. Ob dann Zölle kommen, ist offen. Wie der Mittelstand mit dieser Situation umgeht.

Es kann dem deutschen Mittelstand nicht egal sein, was mit Großbritannien passiert. Zu eng verbandelt ist er durch die Internationalisierung mit Geschäftspartnern auf der Insel. Doch die politischen Verhandlungsführer machen der Wirtschaft das Planen schwer: Auch zum Vollzug des Brexits am 1. Februar fehlen die Details zur künftigen Zusammenarbeit zwischen EU und UK. Bis Jahresende gilt eine Übergangsfrist – das immerhin ist sicher. In dieser Zeit wird es keine Zollkontrollen an europäischen oder britischen (Flug-)Häfen geben; Staatsbürger der jeweils anderen Region behalten ihre Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis vor Ort. Darauf, dass diese Regeln auch weiterhin gelten werden, möchten und können sich deutsche Unternehmer nicht verlassen. Daher haben sie schon seit Monaten ihre Strategien in der Schublade. Was ihre Umsetzung fürs Gesamtgeschäft bedeutet, berichten drei Mittelständler. Zusammenfassen lassen sie sich mit einem prominenten britischen Motto: Hope for the best, prepare for the worst

Björn Kemper, Geschäftsführer des Absaug- und Filteranlagenherstellers Kemper

 

Wie wichtig ist das Großbritannien-Geschäft gegenwärtig für Ihr Unternehmen?

Großbritannien gehört für uns zu den wichtigsten Märkten. Kemper UK verbuchte 2019 einen Rekordumsatz, der insbesondere mit der Verschärfung des englischen Arbeitsschutzgesetzes im Februar 2019 zusammenhängt. Seit Einführung strengerer Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften hat die Nachfrage nach effektiver Schweißrauchabsaugung und Luftreinhaltetechnik deutlich zugenommen. 2019 haben wir den Service erweitert und bauen dieses Jahr den Vertrieb vor Ort aus.

 

Seit wann bereiten Sie sich auf den nahenden Brexit vor?

Bereits seit Bekanntgabe des britischen EU-Austritts beschäftigen wir uns mit dieser Thematik. Wir entwerfen unterschiedliche Szenarien und bereiten uns auf die veränderten Bedingungen infolge des Austritts vor. Dabei fassen wir sämtliche Aspekte ins Auge – von strategischen Fragen bis hin zur Produktlagerung im Falle eines ungeregelten Brexits.

 

Welche konkreten Maßnahmen planen Sie umzusetzen?

Die aktuelle Lage ist weiterhin geprägt von zahlreichen Unklarheiten, die in den kommenden Monaten ausgeräumt werden müssen. Deshalb ist es schwierig, konkrete Maßnahmen daraus abzuleiten. Wir müssen zunächst das Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU abwarten und uns daran orientieren. Wir stehen hier vor den gleichen Herausforderungen wie alle Unternehmen. Daher sehen wir das nicht kritischer als unbedingt angebracht. Aufwendigere Export- und Zollformalitäten könnten für alle zum Alltag werden. Das wäre nicht wünschenswert, aber eine zu bewältigende Aufgabe.

 

Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen in Zukunft die größten Herausforderungen bei Geschäften in und mit Großbritannien?

Kemper UK ist seit mehr als 20 Jahren aufgrund einer konstanten Marktbearbeitung sehr gut aufgestellt. Wir sehen im ­Brexit gewisse Chancen für die lokale britische Produktionswirtschaft und somit auch für unsere Produkte. Wenn in Großbritannien künftig mehr produziert und geschweißt wird, steigt in metallverarbeitenden Betrieben der Bedarf nach Arbeitsschutz und Luftreinhaltung.

Patrick Muff, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing beim Hersteller von Präzisionsdüsen Lechler

Das Werk in Sheffield war die erste Produktionsstätte von Lechler im Ausland. Es wurde 1972 eröffnet, aber mit etwa 30 Mitarbeitern ist es ein kleiner Standort. Heute fertigen wir dort Produkte für die Stahl- und Aluminiumindustrie. Diese Produkte gehen zu 90 Prozent in den Export, vor allem nach China, Europa und die USA. Diese Produktlinie könnten wir im schlimmsten Fall aber auch in Indien fertigen, denn wir haben eine flexible Fertigungsstrategie. Die Maschinenparks unserer insgesamt sechs Produktionsstandorte weltweit sind so ausgelegt, dass wir dort nicht nur eine Produktfamilie herstellen können, sondern mehrere. Durch Produktionsverlagerungen können wir so eigentlich immer flexibel auf Probleme in einer bestimmten Region reagieren. Auf den Brexit bereiten wir uns nicht erst seit der Wahl von Boris Johnson zum Premierminister vor. Bereits vor neun Monaten haben wir unsere Vertriebsorganisation weltweit aufgefordert sicherzustellen, dass genug Ersatzteile auf Lager sind. Außerdem prüfen wir, ob die bisherigen Lizenzmodelle auch nach dem Brexit noch gültig sind.

Gerhard Krauss, Geschäftsführender Gesellschafter des Waschadditiva- und Reinigungsmittelherstellers Delta Pronatura

Wie wichtig ist das Großbritannien-Geschäft gegenwärtig für Ihr Unternehmen?

Großbritannien ist für uns mit Abstand der wichtigste Markt außerhalb Deutschlands. Das betrifft nicht nur den Umsatz: Ein Teil unserer Produktpalette wird dort auch für den Weltmarkt hergestellt.

 

Seit wann bereiten Sie sich auf den Brexit vor?

Im Prinzip seitdem das Thema aufkam, also seit knapp drei Jahren. Allerdings hat sich ja das, worauf man sich vorbereiten musste, stetig verändert und damit auch unsere Strategie.

 

Welche konkreten Maßnahmen planen Sie umzusetzen?

In erster Linie hatten wir sowohl in UK als auch hierzulande die Lagerbestände der Produkte hochgefahren, die wir auf der jeweils anderen Seite produzieren. Damit hätten wir einige Wochen überbrücken können, falls es bei einem harten Brexit zu Chaos an den Grenzen gekommen wäre. So werden wir Ende dieses Jahres sicherlich auch wieder verfahren, sofern dann nicht klar ist, wie es ab 2021 konkret weitergeht.

 

Wie wahrscheinlich ist für Sie nach dem Ende der Übergangsphase ein harter Brexit?

Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Der Zeitraum für den Abschluss eines umfassenden Handelsabkommens bis Ende des Jahres ist extrem ambitioniert. Da die Briten sich ja per Gesetz selber untersagt haben die Frist zu verlängern, fürchte ich, dass die Unsicherheit spätestens im Oktober wieder losgeht.

 

Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen in Zukunft die größten Herausforderungen bei Geschäften in und mit Großbritannien?

Wir hoffen auf ein umfassendes und rechtzeitig fertiggestelltes Handelsabkommen mit einfachen Grenzformalitäten und keinen Zöllen. Dann wären die Umstände im Wesentlichen die gleichen wie früher und wie in allen anderen Märkten auch. Die größte Herausforderung ist aber eben diese Abhängigkeit von der Politik und deren Aufgabe, für klare und sichere Planungsgrundlagen zu sorgen. Die daraus resultierende Unsicherheit betrifft nicht nur das Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien, sondern auch die künftigen Abkommen zwischen UK und allen anderen wichtigen Märkten, in denen wir tätig sind.

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