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Zukunftsmärkte > Commerzbank

„Das Erfolgsgeheimnis des Mittelstands ist sein Exportfokus“

Die Commerzbank befindet sich im Umbruch. Doch auch in Zukunft will sie das Finanzinstitut für den Mittelstand sein, sagt Michael Kotzbauer, Bereichsvorstand Mittelstandsbank für die Region Mitte und Ost, im „Markt und Mittelstand“-Interview.

Martin Zielke, der neue Mann an der Spitze der Commerzbank, baut das Finanzinstitut tüch­tig um. Etliche Führungskräfte haben das Haus in den vergangenen Monaten verlassen, unter anderem der als Kronprinz für den Vorstandsvorsitz gehan­delte Chef der Mittelstandsbank, Markus Beumer. Das Hauptaugenmerk der Banker vom Main liege dennoch auf dem Geschäft mit mittelständischen Unternehmen, betont Michael Kotzbauer, Bereichs­vorstand Mittelstandsbank Mitte und Ost.

Die Commerzbank erfindet sich gerade neu: Wie stellen Sie sicher, dass das Know-how zu bestehen­den Kunden nicht verlorengeht?
Vor allem durch eine hohe Kontinuität bei der Betreuung unserer Kunden. Und wir achten auf Effi­zienz – auch bei unseren Kunden. Daher reduzie­ren wir die Komplexität der Produkte, die wir anbie­ten. Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 80 Prozent unserer relevanten Prozesse im Konzern zu digitali­sieren. Der Kunde kann dann beispielsweise online einen Kredit anfragen und bekommt 24 Stunden später eine Kreditentscheidung. Gerade im kleine­ren Mittelstand beobachten wir, dass es immer mehr aufs Tempo ankommt.

Nutzen Ihre Kunden dieses Angebot tatsächlich, oder wollen Unternehmenskunden weiterhin die persönliche Beratung?
Sowohl als auch. In den vergangenen Jahren hat sich im Bankgeschäft viel geändert. Was sich aber nicht verändert hat, ist die Idee vom „Peoples Busi­ness“, also: Menschen reden mit Menschen. Daran glauben wir auch weiterhin. Es wird immer kom­plexe Themen geben, über die ein Unternehmer mit seinem Betreuer sprechen will und zu denen er Informationen nicht nur online sucht.

Zum Beispiel?
Nehmen Sie komplexe Finanzierungen – bei M&A-Vorhaben oder einer Absicherung der Unternehmensnachfolge. Hier ist eine persönliche Bera­tung unverzichtbar.

Was sind die im Mittelstand vorherrschenden Finanzierungsthemen?
Ganz klar: der Trend zur Internationalisierung. Das Erfolgsgeheimnis des deutschen Mittelstands ist sein Exportfokus. Um in ausländischen Märkten profitabel Geschäfte zu betreiben, brauchen Unter­nehmen einen gut funktionierenden, grenzüber­schreitenden Finanzierungsmarkt. Den müssen und wollen wir auch weiterhin bereitstellen. Dass wir derzeit vielerorts steigenden Protektionismus und Abschottung beobachten, macht das Thema nicht einfacher.

Welche Fragen stellen sich da?
Wie stabil sind die Emerging Markets? Was tut sich in China, was in der Türkei, wie entwickelt sich Europa angesichts von Brexit & Co.? Unsere Kun­den macht dieser volatile Hintergrund unsicher. Für uns als Bank bedeutet das einen höheren und inten­siveren Diskussionsbedarf. In unseren Auslands­niederlassungen sprechen wir daher drei Sprachen: deutsch, Landessprache – und mittelständisch. Will sagen: Wir verstehen sowohl das deutsche Mit­telstandsgeschäft im Ausland als auch die lokalen Märkte.

Womit verdienen Sie dabei Geld?
Unser Geschäftsmodell ist nach wie vor das einer klassischen Bank – bloß eben nicht mehr nur in Deutschland, sondern international. Wir bieten unseren mehr als 60.000 Kunden weltweit Finanzierungsleistungen wie Zahlungsverkehr, Kredit sowie Zins-, Währungs- und Rohstoffabsicherung an. Gerade Letzteres wird zunehmend nachgefragt.

Wie viele Filialen unterhält die Commerzbank der­zeit im Ausland?
Wir sind in mehr als 50 Ländern präsent, allein in China mit vier Filialen. Wir wollen überall dort vertreten sein, wo unsere Kunden uns brauchen – und wir begleiten sie in nahezu jedes Land der Welt. So ist auch die Entscheidung für unsere neue Filiale in São Paulo gefallen: Brasilien ist der größte Bin­nenmarkt Lateinamerikas und daher für deutsche Mittelständler sehr wichtig. In Thailand, Indien und Vietnam – also Ländern, die wir für Zukunftsmärkte halten – haben wir keine eigenen Filialen, arbeiten aber mit Partnerbanken zusammen.

Planen Sie die Eröffnung weiterer Niederlassungen?
Aktuell nicht. Wir fühlen uns mit der Zahl unse­rer Repräsentanzen gut aufgestellt. Auch in Europa sind wir in allen relevanten Märkten vertreten.

Wie viele Ansprechpartner hat ein international aufgestellter Mittelständler bei der Commerzbank?
Die meisten Unternehmen planen und struktu­rieren ihre Finanzierung in der Firmenzentrale in Deutschland und rollen ihre Entscheidungen dann auf ihr Auslandsgeschäft aus. Diese Vorgehensweise bilden wir in unserer Betreuungsstruktur ab, indem wir Unternehmen für ihr gesamtes Geschäft einen zentralen Ansprechpartner zur Seite stellen, der alle Geschäftsanforderungen unserer Kunden an die Kolle­gen im Ausland weiterleitet. Die Kunden schätzen das.

Die Umstrukturierungen der Commerzbank haben unter den Kunden für Verunsicherung gesorgt. Wie oft wurden Sie von Mittelständlern gefragt: Wollt ihr uns eigentlich noch?
Ich persönlich noch nie. Und ich habe es auch noch nie von Kolleginnen und Kollegen gehört. Eigentlich hat sich unsere Stellung im Firmenkun­dengeschäft in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. Im Mittelstandsbereich sind wir Markt­führer in Deutschland und wollen das auch bleiben.

Welche Unternehmen zählen für Sie zum Mittelstand?

Für uns im Firmenkundengeschäft beginnen mittelständische Unternehmen bei einem Jahresum­satz von rund 15 Millionen Euro. Nach oben gibt es keine Grenze. Kleinere mittelständische Unterneh­men und Geschäftskunden betreuen wir künftig im neuen Geschäftsfeld Unternehmerkunden im Pri­vat- und Unternehmerkundensegment.

Haben Sie viele Kunden aus dem Mittelstandsseg­ment verloren?
Nein. Wir gewinnen Kunden hinzu. Bis zum Jahr 2020 wollen wir 10.000 neue Firmenkunden über alle Kundengruppen hinweg gewinnen. Der Wachs­tumsfokus liegt auf dem Bereich zwischen 15 Millio­nen und 100 Millionen Euro Jahresumsatz.

Liegen Sie dabei im Plan?

Auf der Basis von mehr als 60.000 Bestandskun­den ist das sicher eine Herausforderung. Aber wir sind sehr zuversichtlich, denn wir sind gut unter­wegs. So konnten wir bereits im vergangenen Jahr gut 1.300 Neukunden gewinnen. Aktuelle Zahlen werden wir zu einem späteren Zeitpunkt kommu­nizieren.

Wie überzeugen Sie die neuen Kunden?
Mit der Stärke unseres internationalen Netz­werkes. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal in der Bankenlandschaft. Wir verfügen über ein welt­weites Korrespondenzbankennetz und sind Markt­führer in der Handelsfinanzierung in Deutschland. Hinzu kommt unsere tiefe Branchenexpertise, etwa im Maschinenbau, dem Automotive-Sektor oder der Chemie- und Pharmabranche. Beide Aspekte sehen wir als Wettbewerbsvorteile, die wir aktiv nutzen.

Letzte Frage: Müssen Unternehmen bei Ihnen Straf­zinsen für Guthaben zahlen?

Unser Ziel war nie, eine Guthabengebühr zu erheben. Gemeinsam mit unseren Kunden suchen wir individuell immer nach Anlageformen, um das zu vermeiden. Wir haben aber auch klar kommu­niziert: Wenn Kunden größere Guthabenbeträge bei uns parken und wir keine Alternativen finden, müs­sen wir Gebühren erheben. Dieses Szenario gefällt niemandem. Aber es ist eben eine Realität – und mit ihr muss man umgehen.

Michael Kotzbauer ist seit Anfang dieses Jahres Bereichsvorstand Mittelstandsbank für die Region Mitte und Ost. Zuvor verantwor­tete der 48-Jährige den Bereich Cor­porate Banking. Der studierte Betriebswirt­schaftler arbeitet seit 1990 bei der Commerzbank. Zwischen 2010 und 2013 war er Regionalvorstand Asien und Regio­nal Board Member Asia Corporates International mit Sitz in Schanghai. 

Der Text stammt aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 4/2017. Hier können Sie das Heft, das am Freitag (6. April 2017) erscheint, bestellen und Markt und Mittelstand abonnieren.