Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > Wenige automatisierte Prozesse

Exportlogistik ist im Mittelstand Handarbeit

Im Anlagen-, Maschinen- und Komponentenbau gleicht kaum eine Lieferung der anderen. Die Logistik ihrer Exporte wickeln viele Mittelständler daher manuell ab. Denn Automatisierung gibt es nur bei Massenware.

Losgröße 1 ist ein beliebtes Buzzword im Vokabular von Wirtschaftsberatern. Für den produzierenden Mittelstand ist sie längst Alltag. Vor allem im Maschinen-, Komponenten- und Anlagen­bau sind die Produkte, die ins Ausland verkauft wer­den, selten Massenware. Entsprechend komplex ist ihre Logistikabwicklung.

„Automatische Exportlogistikprozesse gibt es bei uns kaum“, berichtet Michael Fischer, Geschäfts­führer des Maschinenbauers Fischer Kunststoff-Schweißtechnik. Seine 23 Mitarbeiter entwickeln und fertigen im Jahr etwa zehn Maschinen, die weltweit an die Niederlassungen deutscher Automobil­zulieferer verschickt werden.

Auch der Chemie- und Spezialpumpenherstel­ler Paul Bungartz mit Sitz in Düsseldorf ist Ein­zelfertiger und hat deswegen keine automatisierte Exportlogistikabwicklung. „Jede Sendung wird bei uns einzeln vorbereitet, verpackt und abgeholt“, sagt der Geschäftsführer des Unternehmens, Frank Bun­gartz. Dafür kommt ein Spediteur zum Werk ins rheinische Euskirchen und wickelt den gesamten Transport bis zum Kunden ab.

„Wenn Sie als klei­ner Mittelständler beim Reeder in Rotterdam anru­fen oder versuchen, den Lkw-Transport zwischen dem Hafen im Zielland und dem Werk des Kunden zu koordinieren, werden Sie verrückt“, ist sich auch Björn Kemper sicher, Geschäftsführer des Herstel­lers von Absaug- und Filteranlagen Kemper. Auch bei ihm holt daher der Spediteur die Exportpro­dukte am Werk in Vreden im Münsterland ab und managt alles weitere.

Schiffstransport üblicher als per Flugzeug

Alle drei Unternehmer arbeiten mit unterschied­lichen Dienstleistern zusammen, je nachdem ob eine Bestellung ins europäische Ausland geht oder in Drittstaaten in Übersee. Denn nicht jeder Spe­diteur hat in jeder Zielregion eine Transportflotte. Die braucht es aber, um die Sicherheit der Lieferung über die gesamte Strecke zu gewährleisten.

An Bestimmungsorte außerhalb Europas reisen deutsche Produkte meist mit dem Schiff. „Nur dringendes Ersatzteilgeschäft läuft bei uns über den Luftweg“, berichtet Bungartz. Mit einem Gewicht von ein bis zwei Tonnen sind seine Pumpen zu schwer, um günstig per Flugzeug zu reisen.

Die Lieferzeit per Schiff kalkuliert er mit vier bis sechs Wochen und kommuniziert das auch an seine Kunden. Investitionen in der Größenord­nung seiner Pumpen planen Unternehmen frühzei­tig, weiß er: „Daher ist die etwas längere Lieferdauer für sie kein Problem.“

Gefahrübergang regeln Incoterms

Ob den Preis für die Lieferung der Kunde oder der Hersteller zahlt, ist Verhandlungssache. „Meist bestellen wir den Spediteur und rechnen die Trans­portkosten in den Gesamtpreis unserer Anlagen ein“, sagt Kemper. Hin und wieder kommt es auch vor, dass ein Kunde seinen eigenen Spediteur schickt und Ware am Werk des Herstellers abholen lässt (siehe auch Infokasten).

„Wir liefern meist bis zum Zolllager im Zielhafen. Dort kommt der Kunde die Pumpe dann abholen“, berichtet Bungartz. Das sei auch daher unkompliziert, weil Bungartz-Pumpen keinen eigenen Monteur benötigen, der die Pumpe vor Ort in Betrieb nimmt. „Das machen die lokalen Techniker selbst.“

Incoterms standardisieren Exportlogistik

Wer die Transportbedingungen mit seinem Kunden eindeutig regeln will, bezieht Incoterms in seine Exportverträge ein. Hierbei handelt es sich um weltweit einheitliche Lieferklauseln, die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in den 1930er Jahren formuliert wurden. Ihre Verwen­dung ist freiwillig, vermeidet aber Unklarheiten und einen teuren Streit im Schadensfall. Derzeit gelten die Incoterms im Stand von 2010. Häufig verwen­dete Klauseln sind etwa:

  • EXW: Der Kunde übernimmt die Kosten und das Risiko für den Transport der Ware ab dem Werk des Herstellers.
  • FOB: Der Kunde übernimmt Kosten und Risiko, sobald die Ware auf dem Transportschiff ist.
  • CIP: Risiko und Gebühren für den Transport bis zum Zielort übernimmt komplett der Hersteller. Nur um die Verzollung und die Steuern muss sich der Kunde selbst kümmern.
  • DAP: Der Hersteller trägt Risiko und Kosten für die Lieferung bis zum Werk am Zielort. Die Entladegebühren am Zielort sowie Verzollung, Steuern und Versicherung übernimmt hingegen der Kunde. 


Kern der Incoterms ist die Definition des Gefahrübergangs, also die Festlegung, bis wohin der Hersteller (also Versender) für die Ware haftet und den Transport zahlt und ab wann der Kunde (Empfänger) für eventuelle Beschädigungen ver­antwortlich ist und die Kosten trägt.

Verpackung wird extern eingekauft

Die Sicherheit der Sendung auf dem Transportweg hängt auch von der Wahl der richtigen Verpackung ab. Diese ist eine Wissenschaft für sich und richtet sich nach den Bedingungen auf dem Weg und am Zielort sowie nach den genutzten Transportmitteln. So muss das Holz der Kiste, in der große Maschi­nen, Anlagen und Pumpen per Seefracht transpor­tiert werden, Salzluft, Wind und Wetter aushalten und darf während des Transportes nicht zu fau­len anfangen.

Im Zielland stehen Transportkisten teils monatelang im Zollhafen oder auf der Bau­stelle des Kunden, bevor die Maschine in Betrieb genommen wird. Auch das muss das Holz aushalten: „Eine Außen­lagerfähigkeit von zwei Jahren ist Vorschrift“, berichtet Bungartz. Hinzu kommen Regelungen bezüglich der Holzsorte in einigen Zielländern, deren Behörden Angst vor dem Import von Para­siten haben.

Viele Mittelständler kaufen ihre See- und Luftfrachtkisten extern ein, um sicherzugehen, dass alles stimmt. „Unser Dienstleister fertigt exakt nach den Maßen der zu verschiffenden Ware und beschriftet die Kisten direkt gemäß Inhalt und Mar­kierungsvorgaben“, berichtet Fischer. 

Liefersicherheit in Eigenregie

Da kaum eine Lieferung der anderen ähnele, gebe es auch jedes Mal eine individuell angefertigte Kiste. „Aufgrund der passgenauen Anfertigung können wir sie kein zweites Mal benutzen“, sagt er. Meistens blieben die Kisten daher beim Kunden und würden verschrottet – ein Rücktransport sei nicht wirtschaftlich.

Für die Verpackung der Ware innerhalb der Kiste sorgt der Hersteller selbst. So stattet Fischer seine Maschi­nen mit Kantenschutz aus, schlägt sie in Folie ein und verschraubt sie entweder auf Europaletten oder am Boden der Seekiste, damit sie nicht verrutschen können. „Wir haben uns schon häufig geärgert, weil der Spediteur keine Antirutschmatten oder Befesti­gungsgurte dabeihatte“, bemerkt Fischer.

Daher vergibt er die Logistikaufträge nicht an denjenigen Anbieter mit dem niedrigsten Preisan­gebot, sondern an Dienstleister, mit denen er gute Erfahrung gemacht hat. „Natürlich sind die Maschi­nen versichert“, sagt er, „trotzdem ist es einigerma­ßen dramatisch, wenn sie beschädigt ankommen. Denn der Kunde rechnet ja mit ihnen und braucht sie.“

Bei einer Produktionszeit von drei bis fünf Monaten könne sein Unternehmen eine beschä­digte Maschine auch nicht schnell mal ersetzen. Daher werde bei ihm Transportsicherheit großge­schrieben.

Exportkontrolle ist Chefsache

Auch falsche oder unvollständige Exportpapiere können die termingenaue Lieferung gefährden. „Mit der Zusammenstellung der notwendigen Dokumente haben wir die meiste Arbeit“, berichtet Bungartz. Zusätzlich zum Lieferschein mit Bestim­mungsadresse und zu vollständigen Informationen zu Versender und Empfänger müssen Industrieher­steller der Sendung Ursprungszeugnisse beilegen.

Denn je nachdem, woher Rohstoffe oder Vorpro­dukte stammen, gelten andere Zollvorschriften im Zielland. Ebenfalls beizulegen sind die vollständi­gen Akkreditivdokumente, falls Kunde und Herstel­ler diese Zahlungsart vereinbart haben.

Möglicherweise unterliegt die Sendung auch einer Exportkontrolle, etwa weil sie für militärische Zwecke eingesetzt werden könnte. Hierfür müssen zusätzliche Dokumente in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkont­rolle (Bafa) vorbereitet werden. Zudem muss jeder Industriehersteller dem Zoll ermöglichen, eine Sen­dung zu begutachten, bevor sie verpackt wird und in den Export geht.

Standardisierung wegen Bürokratie nicht möglich

Die Komplexität dieser bürokratischen Vorschriften spricht ebenso gegen eine standardisierte Exportlogistikabwick­lung von individuell gefertigten Industrieprodukten wie deren Verpackung und die Wahl des richtigen Spediteurs. Stattdessen ist die Zusammenstellung der Exportdokumente in vielen Unternehmen sogar Chefsache. „Fehlerhafte oder unvollständige Papiere können große Probleme hervorrufen. Daher habe ich das lieber selbst in der Hand“, betont Fischer.

Verwendung für eine der großen IT-Lösungen in der Exportlogistik, wie sie etwa SAP anbietet, hat er ebenso wenig wie Kemper oder Bungartz. „Eine teure Spezialsoftware anzuschaffen würde sich für die Anzahl an Lieferungen, die wir im Jahr abwi­ckeln, nicht rechnen“, meint dieser. Er benutzt seine normalen ERP-Systeme, um die Exportdokumente vorzubereiten. Der Rest wird manuell erledigt.

Manufaktur lässt Platz für Einsparungen

Bei Kemper laufen kleine Exportlieferungen bereits vollautomatisch. In kleinen Sendungen ver­packen Kempers Mitarbeiter beispielsweise Ersatz­filter für ihre Absauganlagen. „Wenn das Produkt fertig ist, druckt das System automatisch den Paketaufkleber aus und informiert den Dienstleister“, berichtet er.

Technisch gesehen könnten auch die Projektauf­träge über dieses System laufen. Doch Kemper sieht in der manuellen Logistikvorbereitung viel Einspar­potential. „Für Einzelsendungen fragen wir immer nur diejenigen Lademeter beim Spediteur an, die unsere Anlage braucht“, erklärt er.

Standardmäßig immer dieselbe Ladeflächengröße zu buchen wäre zu teuer. Hinzu kommt, dass der Versand eines Pro­jektauftrags Verhandlungsmasse mit dem Kunden ist. „Je nach Vereinbarung beauftragen wir andere Spediteure und spezialisierte Dienstleister“, so Kem­per. Die Exportlogistik im Mittelstand bleibt Hand­arbeit.

Ähnliche Artikel