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Zukunftsmärkte > Protektionismus

Handelshemmnisse im Export nehmen weltweit zu

Immer mehr Staaten setzen auf Protektionismus und erschweren die Einfuhr von Gütern. Dabei bereiten den exportierenden Unternehmen nicht nur steigende Zölle Probleme. Häufig sind es nichttarifäre Handelshemmnisse, die Exporteure vor Herausforderungen stellen.

Mit einem Exportvolumen von 5,1 Millionen Euro ist Saudi-Arabien der wichtigste Absatzmarkt von Cosnova. Der Mittelständler aus dem hessischen Sulzbach vertreibt dekorative Kosmetik in mehr als 80 Länder weltweit. 650 Mitarbeiter erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 444 Millionen Euro. Mit dem Export von Make-up und Mascara in das Königreich sind allerdings auch einige Hürden verbunden: „Für jedes Produkt, das wir exportieren, benötigen wir Produktanalysezertifikate, für jede Warensendung eine Verschiffungsbescheinigung“, sagt Katrin Born, Senior Global Trade Managerin bei Cosnova. „Darin müssen wir zum Beispiel bestätigen, dass unsere Kosmetika keine Inhaltsstoffe enthalten, die in Saudi-Arabien verboten sind, Alkohol zum Beispiel oder tierische Inhaltsstoffe vom Schwein.“ Um das sicherzustellen, muss Cosnova die Waren vor dem Versand in speziellen Labors testen und zertifizieren lassen.

Aus heiterem Himmel

Die Zertifizierung von Importen ist ein typisches Beispiel für nichttarifäre Handelshemmnisse – und diese kosten viele exportierende Mittelständler Zeit, Geld und Nerven. „Etliche Staaten verschärfen ihre Importregeln sehr schnell und ohne dies vorher anzukündigen. Das führt dazu, dass nichttarifäre Handelshemmnisse oft spontan auftauchen – gerade in den vergangenen Monaten beobachten wir das häufig“, sagt Born.

Zu den nichttarifären Handelshemmnissen zählen alle Beschränkungen im Außenhandel mit Ausnahme von Zöllen, Abschöpfungen und Exportsubventionen. Drei verschiedene politische Maßnahmen von Staaten können zu nichttarifären Handelshemmnissen führen: erstens die Regulierung von Importen, etwa durch Quoten, Beschränkungen und Lizenzen; zweitens das Erschweren von Exporten, zum Beispiel durch Steuern, Quoten und Verbote; drittens aktive Eingriffe in das inländische Wirtschaftsgeschehen. Diese erfolgen etwa, wenn Staaten technische Standards und Vorschriften einführen, Joint-Venture-Zwänge umsetzen oder inländische Unternehmen subventionieren.

Anders als Zölle haben nichttarifäre Handelshemmnisse keinen festen Prozentsatz. Staaten können auf sehr vielfältige Weise in den Im- und Export eingreifen. Dabei sind sie durchaus kreativ: Wer alkoholische Getränke nach Malaysia einführen möchte, benötigt dafür jedes Jahr eine neue Lizenz, die jedoch in bestimmten Zeiträumen nicht gültig ist. Die russischen Kfz-Zulassungsstellen fordern höhere Gebühren von Autohaltern, die ein Fahrzeug aus ausländischer Produktion anmelden möchten. Und erst Anfang August hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, dass seine Regierung „essentielle Medikamente“ nur noch von einheimischen Firmen kaufen werde und zudem die Medikamentenpreise in den USA aufgrund von Preisvergleichen festsetzen wolle. „Viele Staaten haben mit der Welthandelsorganisation vereinbart, Zölle abzubauen. Um ihre heimische Wirtschaft aber auch weiterhin vor der Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen, führen sie im Gegenzug neue nichttarifäre Handelshemmnisse ein“, erklärt Michael Brüggemann, Experte für Außenwirtschaftsrecht in der Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing.

Auch mittelständische Unternehmen müssen sich daher zunehmend mit diesem Thema befassen. „Nichttarifäre Handelshemmnisse bedeuten für die betroffenen Unternehmen immer auch ökonomische Einbußen“, sagt Brüggemann. Sie schränken Absatzmöglichkeiten ein, kosten Geld und sind in vielen Fällen nur mit sehr hohem Aufwand zu managen. „Sie unterscheiden sich von Land zu Land, von Sektor zu Sektor und von Produktkategorie zu Produktkategorie“, sagt Robin Hoenig, der als Bereichsleiter für Handelspolitik an der Deutsch-Singapurischen Industrie- und Handelskammer arbeitet und sich mit Handelshemmnissen in der ASEAN-Region beschäftigt.

Informationen einholen

Gerade weil sie so vielfältig und individuell sind, sollten sich Unternehmer möglichst intensiv über mögliche Einschränkungen in ihren Exportmärkten informieren. So können sie mögliche Anforderungen erkennen, diese in ihrem Unternehmen umsetzen – oder aber entscheiden, ob ein Markteintritt bei den vorhandenen Hindernissen überhaupt sinnvoll erscheint. „Bevor unser Key-Account-Management damit beginnt, einen neuen Markt zu erschließen, recherchieren wir, welche Exporteinschränkungen es dort möglicherweise gibt“, sagt Katrin Born von Cosnova.

„Eine gute Informationsquelle ist etwa das Markterschließungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Es ermöglicht Unternehmern unter anderem, an Informationsveranstaltungen und Markterkundungsreisen teilzunehmen“, weiß Achim Kampf, Bereichsleiter Zoll bei der bundeseigenen Außenwirtschaftsberatungsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI). Auch die Industrie- und Handelskammern (IHK) liefern Informationen. Vor allem die Spezialisten an den Länder-Desks und in den jeweiligen Auslandshandelskammern (AHK) können die jeweilige Situation vor Ort sehr gut einschätzen. Darüber hinaus gibt es Datenbanken im Internet, aus denen Unternehmen Informationen zu Handelshemmnissen abrufen können. Die „Market Access Database“ der Europäischen Union etwa liefert zum Beispiel Informationen über die Importbedingungen in Drittstaaten. Auch die Vereinten Nationen informieren auf ihrer Onlineplattform „NTM Hub“ über die Non-Tariff-Measures (NTM) in zahlreichen Ländern rund um den Globus.

Beim Kosmetikproduzenten Cosnova reicht eine gute Vorabinformation jedoch nicht immer aus, um sich gegen die Folgen der Handelshemmnisse zu wappnen. Vor vier Jahren stand das Unternehmen aufgrund neuer Importregularien in Kontakt mit den ägyptischen Behörden. „Um unsere Kosmetika weiterhin nach Ägypten exportieren zu dürfen, mussten wir uns bei der ägyptischen General Organization for Export and Import Control registrieren. Dort sollten wir viele Informationen über uns und unsere Produkte preisgeben“, sagt Katrin Born. Was genau die Behörde habe wissen wollen, sei damals sehr intransparent gewesen, zumal weitergehende Informationen zunächst nur in arabischer Sprache vorlagen. „Unsere Lieferkette nach Ägypten geriet damals deutlich ins Stocken.“ Lösen konnte Cosnova das Problem erst mit Hilfe des lokalen Distributors. „Er hat uns beim Registrierungsprozess sehr geholfen.“

Mehraufwand

Auch Andreas Fobbe setzt beim Thema nichttarifäre Handelshemmnisse auf die Unterstützung seiner Kollegen in den jeweiligen Ländern. Er arbeitet als Hauptabteilungsleiter im Ländergruppenmanagement des Sensorspezialisten Ifm Electronic. Das Unternehmen erzielt mit 7.300 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro und liefert seine Produkte in insgesamt 95 Länder. „Wir haben gelegentlich die Situation, dass wir den lokalen Behörden Zertifizierungen für bestimmte Netzteile vorlegen müssen, zum Beispiel in Argentinien.“

In solchen Fällen gehe die Geschäftsleitung der entsprechenden Landesniederlassung auf die Zulassungsstellen zu, um zu verstehen, was konkret gefordert ist und welche Anforderungen an das Produkt daraus erwachsen. „Die Kollegen kennen den Markt, sprechen die Landessprache und können die Situation vor Ort sehr gut einschätzen. Sie können daher genau beurteilen, was wir konkret machen müssen, um die jeweilige Anforderung zu erfüllen.“ Das Ländermanagement bereite dann die Ergebnisse der Gespräche im jeweiligen Land auf und leite sie an das Produktmanagement weiter. Dieses prüfe, welche Anforderungen das Unternehmen bereits erfüllt und wo noch Nacharbeiten notwendig sind. „Wir schauen auch immer, ob wir in anderen Märkten, in denen wir schon tätig sind, ähnliche Fälle hatten und auf die entsprechenden Erkenntnisse zurückgreifen können.“

Pragmatisches Vorgehen

Nichttarifäre Handelshemmnisse sind auch in der politischen Diskussion ein Thema. Die Welthandelsorganisation hat bereits vor einigen Jahren erkannt, dass sie den weltweiten Handel genauso einschränken wie Zölle. Seit etwa 2007 sind sie daher zunehmend auch Bestandteil von Freihandelsabkommen. Gerade für mittelständische Unternehmen ist es jedoch äußerst schwierig, davon zu profitieren. „Jedes Freihandelsabkommen ist anders. Und jedes Einzelne legt im Detail fest, wie ein Produkt verarbeitet sein muss und wie es deklariert sein muss, um unter das Abkommen zu fallen“, sagt Außenhandelsexperte Achim Kampf von GTAI.

„Schon kleinste Abweichungen können dazu führen, dass das entsprechende Handelsabkommen nicht mehr greift“, ergänzt Melanie Hoffmann, Referentin für Zoll bei der GTAI. Die Folge: Um die Vorgaben der Abkommen zu erfüllen, ist großes Detailwissen nötig, das sich die Mitarbeiter der Exportabteilungen entweder mit hohem Zeitaufwand aneignen oder teuer bei externen Beratungsunternehmen einkaufen müssen. „Das rentiert sich meist nur bei sehr hohen Stückzahlen, die mittelständische Unternehmen aber kaum erreichen“, sagt die GTAI-Expertin Melanie Hoffmann.

Deshalb gehen viele Unternehmen pragmatisch an das Thema heran. „Die zusätzlichen Kosten, die uns durch nichttarifäre Handelshemmnisse entstehen, müssen wir im Normalfall in unsere Preiskalkulation integrieren“, sagt Trade Managerin Born. Bei Lizenz- oder Zulassungsprozessen bleibt dem Unternehmen oft keine andere Wahl, als diese zu durchlaufen. Das kostet zwar Zeit und Geld, rechnet sich aber in vielen Fällen am Ende doch. Denn ist das Hindernis einmal aus dem Weg geräumt, können Unternehmen in den entsprechenden Markt exportieren – und haben dadurch sogar einen Wettbewerbsvorteil vor all den Unternehmen, die sich von Handelshemmnissen abschrecken lassen.

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