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Zukunftsmärkte > Investitionsgarantien des Bundes

Investitionen im Ausland: So können sich Unternehmen vor Risiken schützen

Bei Investitionen im Ausland sind deutsche Unternehmen mitunter politischen Risiken wie Enteignungen ausgesetzt. Davor schützen die Investitionsgarantien des Bundes. Von diesem relativ unbekannten Instrument kann besonders der Mittelstand profitieren.

Mit den Eigentumsrechten in Russland ist das manchmal so eine Sache. 2017 drohte das russische Landwirtschaftsministerium ineffizienten Bauern mit Enteignung. Wer nicht produktiv genug arbeite, müsse seine Nutzflächen in „effektivere Hände“ abgeben. Mit dieser drakonischen Maßnahme wollte die Behörde die Lebensmittelproduktion ankurbeln. Auch wenn es letztlich nicht dazu kam: Bei den Landwirten bleibt die Unsicherheit, ob ihnen ihr Staat nicht doch eines Tages ihr Eigentum wegnimmt – kein angenehmes Gefühl.

Mit diesem Risiko muss auch Friedrich-Hans Grandin leben. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Huesker, einem Hersteller von Geokunststoffen und technischen Textilien. Diese kommen unter anderem beim Bau von Straßen oder Staudämmen zum Einsatz. Ein wichtiger Absatzmarkt des Mittelständlers aus Gescher im Münsterland ist Russland. Daher hat das Unternehmen 2017 einen eigenen Produktionsstandort in Klin, 90 Kilometer nordwestlich von Moskau, eröffnet. Bis dahin gab es nur ein Verkaufsbüro. „Das Gebäude der Produktionshalle ist gemietet, aber die Maschinen gehören uns“, sagt Grandin. Insgesamt hat Huesker einen einstelligen Millionenbetrag investiert.

Eine Beschlagnahmung dieser Anlagen durch den russischen Staat würde das Unternehmen, das insgesamt einen Jahresumsatz von etwa 140 Millionen Euro erwirtschaftet, empfindlich treffen. „Auch wenn wir mit den Behörden bislang keine negativen Erfahrungen gemacht haben, schwingt immer eine gewisse Unsicherheit mit, ob wir in Russland die gleiche Rechtssicherheit erleben wie hier“, sagt Grandin. Um das Risiko zu minimieren, sichert sich das Unternehmen mit einer Investitionsgarantie der Bundesrepublik Deutschland ab.

Geld vom Staat

Mit diesen Garantien unterstützt der deutsche Staat hiesige Unternehmen bei Direktinvestitionen im Ausland. Er sichert die Firmen gegen politische Risiken wie behördliche Willkür, den Bruch staatlicher Zusagen oder Enteignungen ab. Grundlage für die Garantien sind meistens bilaterale Investitionsschutzverträge zwischen Deutschland und dem anderen Staat. Im Schadensfall springt Deutschland ein und erstattet dem Unternehmen einen Großteil der abgesicherten Schadenssumme. In der Regel beträgt der Selbstbehalt für die Firmen fünf Prozent.

Der Schutz ist zudem nicht kostenlos. Üblicherweise müssen die Firmen pro Jahr 0,5 Prozent der abgesicherten Investitionssumme als Gebühr bezahlen. Bei Huesker kommt so jährlich ein fünfstelliger Betrag zusammen. Für Grandin ist das gut angelegtes Geld: „Die Kosten stehen in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen“, findet er. „Es ist ein beruhigendes Gefühl, diesen Schutz zu haben.“ Eine Bearbeitungsgebühr musste der Mittelständler nicht zahlen. Diese fällt erst bei Investitionssummen über fünf Millionen Euro an. Dann werden 0,05 Prozent des Maximalbetrags der Garantie fällig, höchstens jedoch 10.000 Euro.

Ob sich für einen Mittelständler eine Investitionsgarantie lohnt, hängt davon ab, wie politisch instabil er das Land einschätzt, in dem er investiert, und welche Auswirkungen eine mögliche Enteignung auf das Unternehmen hätte. Dietrich Stiller von der Kanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz hat sich auf den Investitionsschutz spezialisiert. Er rät: „Wenn Unternehmen viel Kapital in einem politisch instabilen Land investieren, sollten sie über eine Investitionsgarantie nachdenken.“ Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Investitionsgarantien keine wirtschaftlichen Risiken abdecken, etwa wenn die Nachfrage nach den Produkten durch eine politische Entscheidung sinkt.

Diplomatische Hilfe

Die Entschädigungen sind aber nur ein Aspekt der Investitionsgarantien. Wichtig ist auch der sogenannte Geleitschutz durch die deutschen Behörden. Das heißt: Zeichnet sich ein möglicher Schadensfall ab, schalten sich die Botschaften und Ministerien frühzeitig ein und versuchen mit diplomatischen Mitteln, Schlimmeres wie Enteignungen zu verhindern. Plötzlich sieht sich dann der ausländische Staat nicht mehr nur einem Unternehmen gegenüber, sondern hat es mit der Amtskraft deutscher Behörden wie dem Auswärtigen Amt oder dem Wirtschaftsministerium zu tun. „Ich habe einige Fälle erlebt, wo der Geleitschutz dazu beigetragen hat, einen Schadensfall abzuwenden oder eine faire Entschädigung sicherzustellen“, berichtet Rechtsanwalt Stiller. Das beobachtet auch Michael Huber-Saffer, Partner bei PWC. „Allein im vergangenen Jahr hat der Bund bei Projekten in mehr als zehn Ländern diplomatisch interveniert, um die Probleme auszuräumen und einen Schaden für den Investor zu verhindern.“

Daher sind Schäden auch selten. Deutschland nimmt mehr Geld über die Gebühren ein, als es Entschädigungen an die Unternehmen wieder auszahlen muss. Kommt es dennoch zu einem Vorfall wie im Jahr 2003 in Argentinien, ist das Land so lange für neue Investitionsgarantien gesperrt, bis sich Deutschland bilateral mit dem Land auf eine Lösung geeinigt hat. Das kann manchmal dauern: im Fall Argentiniens stolze 15 Jahre.

Die Garantien erleichtern den Unternehmen außerdem die Suche nach Investoren. Dieser Aspekt spielte für Africa Greentec eine wichtige Rolle. Der Betrieb aus Hainburg bei Frankfurt am Main exportiert Container mit Solarpanels nach Mali und stellt die Anlagen in Dörfern und Kleinstädten auf, die bislang keinen Elektrizitätsanschluss haben. Den produzierten Strom verkauft Africa Greentec an die örtliche Bevölkerung. „Wir haben immer wieder von institutionellen Investoren gehört, dass sie vor dem Investment in unsere Anleihe zurückschrecken, da sie das politische Risiko in Mali fürchten“, sagt Torsten Schreiber, Gründer und Vorstand des Unternehmens. In dem westafrikanischen Land gibt es nicht nur viel Korruption, auch die Sicherheitslage ist heikel. So verüben islamistische Terrorgruppen wie Al Quaida und der sogenannte Islamische Staat regelmäßig Anschläge. Die Investitionsgarantie, die Africa Greentec 2018 erhalten hat, schützt das Unternehmen auch vor möglichen Schäden durch Terrorismus. Sprengen die Islamisten eine Anlage des Mittelständlers in die Luft, erhält er den Schaden vom deutschen Staat ersetzt, der sich dann wiederum an Mali wenden würde, um das Geld zurückzuerhalten. „Durch die Garantie fällt es uns leichter, die Investoren von unserer Anleihe zu überzeugen“, sagt Schreiber von Africa Greentec.

Nahezu unbekannt

Obwohl die Investitionsschutzgarantien also einige Vorteile bieten, sind sie bei Unternehmen kaum verbreitet. „Während die Exportkreditgarantie allen international tätigen deutschen Unternehmen ein Begriff ist, sind es die Investitionsgarantien nicht“, stellt Huber-Saffer von PWC fest. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bearbeitet die Anträge für die Investitionsgarantien im Auftrag des Bundes. 28 Prozent der im vergangenen Jahr genehmigten Vorhaben stammten von mittelständischen Unternehmen. PWC möchte das Instrument daher vor allem im deutschen Mittelstand bekannter machen. „Gerade für den Mittelstand sind die Garantien besonders sinnvoll“, sagt Huber-Saffer. „Bei ihm hat eine Enteignung der ausländischen Niederlassung potentiell größere wirtschaftliche Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen als bei einem Konzern.“

Der Investitionsschutzvertrag

Seit 1959 hat Deutschland mit über 130 Staaten bilaterale Investitionsschutzverträge abgeschlossen. Darin verpflichten sich beide Seiten, keine Enteignungen ohne Entschädigungen vorzunehmen, inländische Unternehmen nicht zu bevorzugen und staatliche Zusagen auch einzuhalten. Dadurch kann Deutschland auch Garantien für Investitionen in Staaten übernehmen, deren Rechtssystem nicht den deutschen Standards entspricht. Grundsätzlich sind Investitionsgarantien nur für Staaten möglich, mit denen es ein solches Abkommen gibt. Doch es gibt auch Ausnahmen: So übernimmt Deutschland auch Garantien für Investitionen in Indien, obwohl seit 2017 kein Vertrag mehr besteht. Der Grund: Indien ist ein wichtiger und vielversprechender Auslandsmarkt für deutsche Unternehmen.

Unternehmen, die eine Investitionsgarantie in Anspruch nehmen wollen, stellen bei PWC einen Antrag, in dem sie das geplante Vorhaben beschreiben. Denn die Garantien sind an Bedingungen geknüpft. „Der Bund unterstützt nur Investitionen, die wirtschaftlich tragfähig und mit positiven Effekten auf Deutschland und das Gastland verbunden sind“, sagt Huber-Saffer. PWC erstellt dazu ein Gutachten. Auf dieser Basis entscheidet dann ein gemeinsamer Ausschuss mit Vertretern von Wirtschafts-, Finanz-, Entwicklungsministerium und Auswärtigem Amt über die Garantieübernahme.

Der positive Beitrag der Investitionen kann beispielsweise darin bestehen, dass Arbeitsplätze in beiden Ländern entstehen. Oder dass die Umwelt geschützt wird, wie es bei der Investition von Africa Greentec der Fall war. „Wir hatten es leicht nachzuweisen, dass unser Projekt ökologisch sinnvoll ist“, sagt Torsten Schreiber. Bereits für die Anleiheemission hatte das Unternehmen von der Beratungsgesellschaft IMUG untersuchen lassen, wie viel CO2 durch die Solar-Container eingespart wird, weil die Kunden keine Dieselgeneratoren mehr für die Stromproduktion verwenden. Dieses Gutachten konnte der Mittelständler auch für den Antrag auf Investitionsgarantien verwenden.

Genügend Zeit mitbringen

Dennoch vergingen zwei Jahre, bis der Antrag genehmigt wurde. Das lag unter anderem daran, dass 35 Jahre lang kein deutsches Unternehmen mehr Investitionsgarantien für Vorhaben in Mali in Anspruch genommen hatte. Daher dauerte es eine Weile, bis die Behörden sich um sämtliche Unterlagen gekümmert hatten. Bei Staaten, in denen deutsche Unternehmen häufiger investieren, geht der Prozess in der Regel schneller. Huesker musste auf die Zusage etwa ein halbes Jahr lang warten. Zusammengerechnet etwa 40 Arbeitsstunden steckte das Unternehmen in den Antrag, schätzt Grandin. Investieren konnte der Mittelständler in dieser Zeit aber noch nicht, denn der Bund übernimmt keine Garantien für bereits getätigte Investitionen.

Die Beantragung kann also eine gewisse Zeit dauern. Dafür laufen aber auch die Garantien selbst für eine lange Zeit: in der Regel 15 Jahre, wobei eine Verlängerung möglich ist. Doch auch kürzere Laufzeiten können bei Vertragsbeginn vereinbart werden. Die Unternehmen haben zudem jährlich die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, etwa wenn sie das politische Risiko mit der Zeit niedriger einstufen und die Gebühren sparen wollen. Der deutsche Staat kann hingegen nicht vorzeitig aussteigen – egal, wie dramatisch sich die politische Situation in einem Land entwickelt. Dadurch haben die Unternehmen die notwendige Planungssicherheit während der gesamten Laufzeit.

Bei Huesker läuft die Garantie noch fast zwölf Jahre lang. Ohne diese Absicherung hätte der Mittelständler nach eigener Aussage wohl keine Produktion in Russland eröffnet. „Wir sind froh, dass wir den Schritt gewagt haben“, sagt Vorsitzender Friedrich-Hans Grandin. „In Russland sehen wir viel Potential für unsere Produkte.“

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