Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > Deutsche Firmen in den VAE

Vereinigte Arabische Emirate: Wann Firmen lokale Partner brauchen

Beim Schritt in die Vereinigten Arabischen Emirate gibt es für deutsche Unternehmen zwei Möglichkeiten: Entweder sie gründen eine Niederlassung in einer der Freihandelszonen – oder sie beziehen einen lokalen Partner ein. Beides hat genauso Vor- wie Nachteile.

Für enorme Mengen Niederschlag sind die Vereinigten Arabischen Emirate nicht gerade berühmt. Wenn es jedoch regnet, dann so intensiv, dass es immer wieder zu Überflutungen kommt. Mit diesem Wissen reiste Johann Groult im Jahr 2012 nach Dubai, um dort eine Niederlassung für Birco aufzubauen, einen Anbieter von Rinnensystemen, Regenwasserbehandlungsanlagen und Systemen zur Rückhaltung und Versickerung aus Baden-Baden. „Entwässerungssysteme in der Wüste zu verkaufen – das war schon eine Herausforderung“, erinnert er sich. Und er hat sie gemeistert: Als General Manager von Birco Middle East FZE leitet Johann Groult bis heute die Geschäfte des Entwässerungsspezialisten in Dubai. An mehreren großen Projekten wie etwa dem Louvre-Museum in Abu Dhabi, der Erweiterung des Flughafens in Abu Dhabi und der Dubai Tram war sein Unternehmen seitdem beteiligt.

So wie Birco zieht es viele deutsche Mittelständler in die Golfregion. Derzeit sind nach Angaben der Nürnberger Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner mehr als 800 deutsche Firmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) aktiv – angelockt von politischer Stabilität, einer liberalen Wirtschaftspolitik, geringen Steuerbelastungen sowie einer hervorragend ausgebauten Infrastruktur.

Standortwahl entscheidend

Beim Schritt in die Emirate gibt es jedoch auch Einschränkungen: Ausländer können ihre Niederlassung nur in einer der Freihandelszonen vor Ort gründen – oder als sogenannte Mainland-Gesellschaft im Staatsgebiet gemeinsam mit einem lokalen Partner, der die Mehrheit am Unternehmen halten muss. „Hier die richtige Option für die eigenen Aktivitäten vor Ort zu wählen ist ein zentraler Faktor für den Erfolg in den VAE“, sagt Derya Bandak, Niederlassungsleiterin von Rödl & Partner in Dubai. „Mit einer umfangreichen Vorbereitung lässt sich vermeiden, dass später das gesamte Projekt aufgrund einer fehlerhaften Standortwahl scheitert.“

„Gründungen von Niederlassungen und Gesellschaften im Staatsgebiet der VAE sind weiterhin ohne die Beteiligung von Staatsangehörigen der VAE nicht möglich“, sagt Christoph Keimer. Seit fast 25 Jahren begleitet er als Rechtsanwalt für die Dortmunder Kanzlei Schlüter Graf deutsche Unternehmen in die Golfregion. „In den VAE ist vieles möglich. Ich kenne jedoch kaum etwas, das in den vergangenen Jahren so streng umgesetzt wurde wie das Prinzip der lokalen Beteiligung.“ Daran hätten weder der Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1995 noch die lange erwartete Änderung des Gesellschaftsrechts im Jahr 2015 etwas geändert.

Es könnte bald Ausnahmen geben

Viele Experten hatten damals erwartet, dass eine allgemeine Öffnungsklausel aufgenommen wird, die es Ausländern erlaubt, auch ohne lokale Beteiligung ein Unternehmen im Staatsgebiet zu gründen. Eine Lockerung ist zwar seit September 2017 nunmehr gesetzlich möglich, bedarf zur Umsetzung aber noch eines Kabinettsbeschlusses. Aufgrund verschiedener öffentlicher Verlautbarungen Ende Mai 2018 gehen Experten nun davon aus, dass mittlerweile ein Beschluss gefasst wurde, wonach bestimmte Wirtschaftssektoren in Zukunft von diesem lokalen Mehrheitserfordernis ausgenommen werden sollen. Welche Bereiche das sein werden und wie genau die Umsetzung aussehen wird, ist jedoch selbst für Experten schwierig einzuschätzen und bleibt deshalb abzuwarten. Erst im vierten Quartal dieses Jahres soll es diesbezüglich Klarheit geben.

Betreute Partnersuche

Diese Stellen helfen bei der Auswahl geeigneter Geschäftspartner in den VAE:

  • Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V.
    Telefon: (030) 27 89 07-0
    ghorfa@ghorfa.de
  • Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer (AHK)
    Büro Abu Dhabi, Telefon: +971 2 645 52 00
    dalia.samra@ahkuae.com

    Büro Dubai, Telefon: +971 4 447 01 00
    info@ahkuae.com

Für deutsche Mittelständler, die eine Niederlassung oder Gesellschaft im Staatsgebiet der Emirate – dem sogenannten Mainland – gründen möchten, bedeutet das, dass sie weiterhin maximal 49 Prozent der Anteile halten dürfen. Nebenabsprachen, die dieses Modell aushebeln, sind zwar üblich, aber wohl rechtswidrig. Gleichwohl wurden sie in den vergangenen Jahren vielfach praktiziert. Oft lag das wirtschaftliche Eigentum tatsächlich beim ausländischen Investor, der lokale Partner trat nur vor dem Gesetz als Mehrheitseigner auf. Rechtsanwalt Keimer rät von solchen Absprachen ab: Denn die Justiz in den Emiraten habe klargestellt, dass entsprechende Vereinbarungen im Streitfall unwirksam seien und vor Gericht keinen Bestand hätten. Und solche Verfahren sind nicht selten: „Denn es kommt immer wieder vor, dass der lokale Partner den Eindruck bekommt, die Geschäfte laufen besser als ursprünglich erwartet – und dann ein größeres Stück vom Kuchen abhaben möchte“, berichtet Keimer.

Freihandelszone bevorzugt

Entwässerungstechniker Birco hat sich für den anderen Weg entschieden und die eigene Niederlassung in einer Freihandelszone gegründet. „Für unseren geschäftsführenden Gesellschafter Frank Wagner kam eine Minderheitsbeteiligung für sein Familienunternehmen nicht in Frage“, sagt Niederlassungschef Groult. Eine ähnliche Sichtweise vertreten viele Unternehmer, die den Schritt in die VAE wagen: „Die meisten mittelständischen Unternehmen sind zögerlich in der Gründung von Mainland-Gesellschaften, da sie ungern einen lokalen Partner involvieren möchten. Daher bevorzugen sie Gründungen in den Freihandelszonen“, sagt Bandak von Rödl & Partner.

Rein rechtlich gesehen handelt es sich bei den Free Zones um geographisch abgegrenzte Sonderwirtschaftszonen. Zollrechtlich werden sie wie das Ausland behandelt. Und auch die arbeits-, gesellschafts- und gewerberechtlichen Rahmenbedingungen gelten nur für die jeweilige Freihandelszone. „Streng genommen dürfen Unternehmen, die ihren Sitz in einer Freihandelszone haben, Waren und Dienstleistungen nur zu den Bedingungen in das Staatsgebiet der Emirate einführen, die auch bei einem Import aus Deutschland gelten würden“, sagt Rechtsanwalt Keimer. Ergebnis sei eine wohl „gewollte Grauzone“: „Mitarbeiter von Unternehmen in der Freihandelszone besuchen natürlich auch ihre Kunden im Staatsgebiet. Ob sie dort dann nur allgemeine Kundengespräche führen oder zum Beispiel bestimmte Dienstleistungen ausführen, etwa beim Aufbau oder der Einrichtung von Maschinen helfen, ist von den VAE-Behörden in der Praxis kaum nachzuprüfen.“ Und auch bei deren Abrechnung drückten offizielle Stellen häufig ein Auge zu. Schwieriger sei es zum Beispiel für Baufirmen, sagt Keimer. Denn hätten diese ihre Niederlassung in einer Freihandelszone gegründet, könnten sie nicht ohne weiteres an Bauprojekten im Staatsgebiet mitarbeiten.

Bauboom treibt Geschäft

Nach wie vor bieten die Vereinigten Arabischen Emirate vielfältige Chancen für mittelständische Unternehmen aus dem Ausland – auch wenn sich die Ausrichtung in den vergangenen Jahren verändert hat. „Die VAE haben sich zu einem reifen Markt entwickelt“, sagt Olaf Hoffmann, Geschäftsführer der Offenbacher Dorsch Holding. Das Planungs- und Beratungsunternehmen ist bereits seit mehr als 20 Jahren in der Golfregion tätig, beschäftigt dort knapp 1.000 Mitarbeiter und erzielt die Hälfte seines Umsatzes in dieser Region. „Die Risiken sind geringer geworden, aber auch die Renditen“, berichtet Hoffmann aus seiner Erfahrung. Der Bauboom immerhin halte weiterhin an. „Dadurch ergeben sich in den kommenden Jahren interessante Chancen für Unternehmen, die sich mit dem Betrieb von Gebäuden beschäftigen – beispielsweise im Bereich des Facility- oder Assetmanagement.“

Im Hinblick auf die „Expo 2020“, die in Dubai stattfinden wird, sieht auch Derya Bandak von Rödl & Partner gute Chancen im Dienstleistungssektor. Olaf Hoffmann prognostiziert darüber hinaus Unternehmen aus der petrochemischen Chemie gute Wachstumsmöglichkeiten in den Emiraten. Rechtsanwalt Christoph Keimer sieht die besten Chancen in den Industrie- und Dienstleistungssektoren, die in der Golfregion traditionell weniger verbreitet sind und in denen ein Wissenstransfer stattfinden kann. „Aus unserer Erfahrung sind die Vereinigten Arabischen Emirate sehr stark daran interessiert, Investoren aus den Bereichen Medizin, Umwelt, Energie, Erziehung, Bau und Informationstechnologie anzulocken.“

Netz des Geschäftspartners

Um diese Chancen zu nutzen, sollten Unternehmer auch abseits des rechtlichen Zwangs auf eine lokale Beteiligung setzen, rät Olaf Hoffmann: „Ein Erfolg in den VAE ist nur mit einem guten lokalen Partner möglich“, sagt Hoffmann. Dieser kenne sich im Land aus, wisse um die kulturellen Gepflogenheiten und könne die Türen zu öffentlichen Aufträgen öffnen. „Alle politischen und behördlichen Entscheidungsträger vor Ort sind und bleiben Emiratis. Ein guter lokaler Partner hilft, aktuelle Änderungen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Außerdem kann er im Streitfall als Moderator dienen.“ Daher sollten Unternehmer sich viel Zeit für die Suche nach dem passenden Partner nehmen. „Alle anderen Entscheidungen, etwa ein unpassender Bürostandort, lassen sich im Nachhinein noch ändern. Mit dem Partner geht man aber eine langfristige Beziehung ein.“

Um den passenden Partner zu finden, können Unternehmer einige Anlaufstellen nutzen: Institutionen wie die Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry oder die Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer verfügen über große Netzwerke in der Region und kennen oft geeignete Kandidaten. „Unternehmer können sich auch bei anderen Firmen aus derselben oder einer ähnlichen Branche umhören“, rät Hoffmann, der Vizepräsident der Ghorfa ist.

Auch Johann Groult von Birco weiß um die Bedeutung von Kontakten: „Um ein Geschäft in den Emiraten aufzubauen, sollte man vor allem Beziehungen aufbauen. Eine gute Möglichkeit dafür sind die zahlreichen Businessclubs, die es für die verschiedensten Branchen, Berufsgruppen und Länder gibt.“ Auch dort lassen sich oft passende Partner für das eigene Geschäft finden – und so die Grundlagen für den Erfolg in den Emiraten schaffen.


Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 07-08/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

Ähnliche Artikel