Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > IG-Metall Chefin

Jetzt übernehmen Frauen die IG Metall

Christiane Benner soll ab Oktober die mächtige IG Metall führen. Damit rückt erstmals eine Frau an die Spitze der größten Einzelgewerkschaft. Benner ist dort schon Vize-Chefin und gilt deshalb bereits heute als mächtigste Gewerkschafterin Deutschlands.

Christiane Benner ist bereits seit Oktober 2015 Zweite Vorsitzende der IG Metall. Bildquelle: IG Metall

„Ich bin eine Frau und mache meinen Job. So einfach ist das.“ Christiane Benner legt großen Wert darauf, dass Ihre Leistung und nicht Ihr Geschlecht im Vordergrund steht. Ganz verhindern wird es die 55-Jährige in den kommenden Monaten allerdings nicht. Denn im Oktober soll sie den Vorsitz der IG Metall übernehmen, der größten Einzelgewerkschaft der Welt und sicher auch eine der Mächtigsten. Sie wäre dann die erste Frau an der Spitze in der 132-Jährigen Geschichte der Gewerkschaft. Nominiert hat sie IG-Metall-Boss Jörg Hofmann, der aus Altersgründen das Amt abgeben wird. Damit gilt die Wahl als gesichert.

Der Aufstieg zum Chefsessel in Frankfurt war lange nicht sicher. Die Frauen sind zwar bei der IG Metall gut vernetzt, doch drei Viertel der Funktionärsposten sind von Männern besetzt. So war schon länger bekannt, dass auch andere ihre Ambitionen ins Spiel gebracht hatten. Dazu gehörten Jürgen Kerner, der mächtige Kassenwart der IG Metall und Roman Zitzelsberger aus Stuttgart. Der 57-jährige Chef des Bezirks Baden-Württemberg hatte im Herbst den kniffligen Tarifabschluss eingetütet und sich so für höhere Aufgaben empfohlen. Aus Baden-Württemberg kamen neben Hofmann auch schon dessen Vorgänger Bertold Huber, Walter Riester, Klaus Zwickel, Gerhard Zambelli und Franz Steinkühler. 

Kein Weg an Benner vorbei

Klar war den Mitkonkurrenten allerdings schon früh: gegen Christiane Benner anzutreten, wird schwer. Sie sitzt bereits seit 2011 im Vorstand der IG Metall und wurde 2015 die Nummer Zwei hinter Hofmann – als erste Frau in der IG Metall auf dieser Position. Seitdem gilt Benner als die mächtigste Gewerkschafterin Deutschlands. Um einen schädlichen Machtkampf zu vermeiden, wurde lange innerhalb der IG Metall die Lösung einer Doppelspitze mit Benner und Zitzelsberger kolportiert. Zudem sollte Kassenwart Kerner noch mehr Einfluss bekommen. Die Doppelspitze hätte allerdings eine Änderung der Statuten der IG Metall bedeutet. Ob das der Gewerkschaftstag im Oktober aber mit Zweidrittelmehrheit abnicken würde, galt intern als sehr unwahrscheinlich.

Über Abstimmungspanne in den Vorstand

„Ich stehe immer noch zu der Idee und werde unabhängig von der Satzungsfrage teamorientiert arbeiten, aber wir hatten die Stimmung unserer Mitglieder falsch eingeschätzt«, hat Benner die umstrittene Konstruktion kommentiert. Dabei weiß sie genau, wie unberechenbar die Funktionäre abstimmen können. Als der Vorstand 2011 eine Satzungsänderung mit dem Ziel eines kleineren Spitzengremiums mit fünf Mitgliedern zur Wahl stellte, fiel er durch. Die Funktionäre sahen den regionalen Proporz in Gefahr. Schnell mussten noch zwei weitere Vorstände gefunden werden. Eine war die damalige Abteilungsleiterin beim Vorstand Christiane Benner 
Überraschend verkündete Zitzelsberger dann im April seinen Rückzug „aus gesundheitlichen Gründen“. Die Tarifrunde habe ihm doch mehr zugesetzt als gedacht. Tatsächlich wirkte der 57-jährige auch Monate nach dem Tarifkonflikt sichtlich mitgenommen. Somit dürfte die angeschlagene Gesundheit keine vorgeschobene Begründung für einen taktischen Rückzug sein. Den mächtigen Posten in Baden-Württemberg will Zitzelsberger offenbar aber behalten. 

Frauen geben künftig den Ton an

Der Schritt des badischen Konkurrenten hat Benner den Weg geebnet. Kerner, der unter anderem in den Aufsichtsräten von Siemens, MAN und Thyssenkrupp sitzt, übernimmt die Position des Stellvertreters. Über die prall gefüllte Kasse der IG Metall soll künftig die 45-Jährige Nadine Bugoslawski wachen. Sie ist derzeit die Erste Bevollmächtigte der Gewerkschaft im wichtigen Bezirk Stuttgart. Damit übernehmen zwei Frauen die wichtigsten Schaltstellen in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale, wo künftig mit Ralf Reinstädter und Hans-Jürgen Urban insgesamt fünf Vorstände die IG Metall führen werden. So der Gewerkschaftstag diesmal dem Schrumpfprozess zustimmt.
 

Wegloben lässt sie sich nicht

Christiane Benner weiß, was sie will – und was nicht. So hat sie vor gut eineinhalb Jahren eine Nominierung zur Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) abgelehnt. Man konnte davon ausgehen, dass Hofmann sie mit dem Manöver aus Frankfurt wegloben wollte, um so einen Machtkampf im eigenen Laden aus dem Weg zu gehen. Den Posten übernahm dann eine andere Frau: Yasmin Fahimi. Benner hingegen hatte damit klar gemacht: Sie will die IG Metall mit ihren mehr als zwei Millionen Mitgliedern anführen.

Die Hartnäckige ist in Aachen geboren und mit der alleinerziehenden Mutter und einer jüngeren Schwester in Hessen aufgewachsen. Keine einfachen Zeiten. „Ich wollte und musste Geld verdienen“, begründet sie beispielsweise, warum sie nach dem Abitur nicht gleich studiert hat. Benner machte eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin beim Maschinenbauer Carl Schenck in Darmstadt. Es folgte ein Studium der Industriesoziologie in Marburg, Chicago und Frankfurt. In den USA beschäftigte sie sich mit Gender Studies – eine Fachrichtung, die in Deutschland noch gar nicht angeboten wurde. 

Erfahrung aus Chicagos Ghettos

In Chicago hat sie ein paar Monate bei dem schwarzen Bürgerrechtler Arvis Averette, zusammengearbeitet. „Ich habe gelernt, wie strukturell dort die Benachteiligung der Schwarzen ist und wie großzügig ein schlechtes Gewissen reiche Amerikaner macht, erzählte sie dem „Spiegel“.  Damit Benner überhaupt in dem Ghetto arbeiten konnte, hatte Averette vorher mit den Bandenchefs vereinbart, dass sie seine Mitarbeiterin nicht erschießen würden, und neutrale Korridore für sie ausgehandelt. Fast wäre sie ganz in den USA geblieben: „Es war eine tolle Erfahrung, aber ich habe gemerkt, dass mir meine kulturellen Bezüge und Wurzeln fehlten.“ Geblieben ist ihr Engagement für soziale Themen.
Seit 1997 ist Benner bei der IG Metall tätig. Hier hat sie sich eine große Expertise in der digitalen Arbeitswelt erworben. Sie brachte beispielsweise ein großes Projekt zur Verbesserung von Arbeits- und Vertragsbedingungen von „Crowdworkern“ voran. Diese sogenannten Plattformarbeiter sind nicht als Teil von Großbelegschaften tätig, sondern lassen sich ihre Projekte als Selbständige über Digitalplattformen vermitteln. Benner ist ab 2006 auch tief in die Details der Tarifpolitik eingedrungen und hat beispielsweise an der Entwicklung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) mitgearbeitet. Dieser Abschluss hat die Vergütungssysteme in der Metall- und Elektroindustrie revolutioniert. Zudem ist sie im Vorstand für die Arbeit von Betriebsräten und deren Mitbestimmungsaufgaben zuständig. Ihr wird auch angerechnet, dass die IG Metall im vergangenen Jahr bei den Angestellten 32.000 neue Mitglieder gewinnen konnte. Ein Pfund angesichts der sonst sinkenden Zahl von Beitragszahlern.

Anerkennung für die „Maschine“

Die künftige IG Metallchefin kennt als Aufsichtsrätin von BMW und Continental auch das Innenleben der Konzerne sehr genau. Diese Nähe hat ihr schon mal den Vorwurf eingebracht, eine „Frau der Wirtschaft“ zu sein. Sie hat sich nicht beirren lassen und weiter verbissen „ihren Job“ gemacht. So bescheinigen die internen Kritiker der Funktionärin im 15. Stock der Frankfurter IG-Metall-Zentrale, eine harte Arbeiterin zu sein. Den Beinamen „Maschine“ muss man sich unter Metallern erst einmal verdienen. 

Ähnliche Artikel