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Karl Lauterbach - Der zu männliche Gesundheitsexperte der SPD

Karl Lauterbach, der im Fernsehen dauerpräsent ist und mit seiner Corona-Lage-Einschätzung oft richtig lag, hat nicht die besten Chancen, neuer Gesundheitsminister zu werden. Das Problem: Lauterbach ist einfach keine Frau, die aus Diversitätsgründen aber dringend im neuen Kabinett gebraucht wird.

Im Fernsehen lief er allen den Rang ab. Wer sich durch die Sender zappte, fand vor allem ihn. Bei "Markus Lanz" zählt der SPD-Politiker zum Inventar, mutierte schon fast zur Kulisse, keiner war öfter eingeladen. Für die einen war er der Miesepeter der Nation, für die anderen eine verlässliche Stimme im unübersichtlichen Gewirr der noch unübersichtlicheren Corona-Lage. Ob Inzidenz, Kinderimpfung, Quarantäne, Lockdown oder pandemische Lage – Lauterbach hatte immer eine Antwort parat, galt als wissenschaftliches Orakel der Nation. Die epidemischen Lage zu beenden, hielt er für absurd. Und immer, so lautet sein Mantra, sei die Situation viel schlimmer, als man denkt. Allein die Dunkelziffer neuer Corona-Fälle pro Tag schätzt er auf 100.000.

Der Mann, der stets ein wenig unfrisiert wirkt - professoral verwegen eben - hatte allen den Rang abgelaufen, doch jetzt läuft er selbst Gefahr in der neuen Ampel-Regierung leer auszugehen. Lauterbach, ein vom Charisma eigenwilliger Typ mit leicht quäkender rheinischer Singsang-Stimme, wäre eigentlich der richtige Mann für die Nachfolge von Jens Spahn. Doch besonders beliebt ist der Gesundheitsexperte bei Olaf Scholz nicht.

Dabei hatte es die vergangenen Monate danach ausgesehen, dass der 58jährige mit dem Flair eines Kabarett-Darstellers aus den 20er Jahren, tatsächlich auf der Kabinettsliste stehen würde, ja, als designierter Bundesgesundheitsminister schon fast gesetzt war. "Ich bin seit langer Zeit in diesem Bereich tätig, also wäre es eine Überraschung, wenn ich das grundsätzlich nicht machen wollte", so Lauterbach, der es als positives Karrieresignal wertete, dass das Gesundheitsressort in den Ampel-Verhandlungen der SPD zugeordnet wurde. "Wir sind eine sozialdemokratische Partei, da ist das ein wichtiger Bereich für uns."

Doch für den künftigen SPD-Kanzler Scholz ist Lauterbach, der sich als Mahner und Warner während der Corona-Pandemie nicht nur in der Welt der Impfgegner und Corona-Leugner Feinde gemacht hat, nicht die erste Wahl. Vielmehr will sich Scholz in den nächsten Tagen "sehr intensiv an die Arbeit machen, eine hervorragende Besetzung der sozialdemokratischen Ressorts zustande zu bringen." Dabei spielt die fachliche Eignung von Lauterbach eine Rolle, allerdings möglicherweise nur eine untergeordnete: Scholz hat angekündigt, das Kabinett streng ausgeglichen mit Frauen und Männern zu besetzen. Und Herr Lauterbach ist derzeit der Mann zu viel.

Er muss nun fürchten, dass der Posten an eine Frau geht. Gesetzt bei der SPD sind bisher Scholz, sein Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt sowie Hubertus Heil. Die FDP besteht aus drei Männern und einer Frau: Christian Lindner, (Finanzen, Marco Buschmann (Justiz), Volker Wissing (Verkehr) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung). Dazu kommen die Grünen-Parteichefs Annalena Baerbock (Außen) und Robert Habeck (Wirtschaft und Klima).

Wie viel Freiheiten Scholz allerdings bei der Personalsuche jetzt noch hat, hängt von den Grünen ab. Die Öko-Partei darf noch das Familien-, das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium besetzen. Wenn entweder Cem Özdemir oder Toni Hofreiter dabei zum Zug kommen, könnten die Sozialdemokraten dann jedoch maximal einen Mann nominieren. Außer Christine Lambrecht, die für das Innenministerium bereit steht, sind von Seiten der SPD noch die Ressorts Verteidigung, Arbeit und Soziales, wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Bauministerium, personell zu besetzen. Wenn es hier keine Frau mehr geben sollte, wird Lauterbach wohl zum Bauernopfer der Quotenpolitik. An seine Stelle könnte dann etwa Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping treten und das Gesundheitsressort übernehmen. Köpping, die von 2009 bis 2019 Mitglied des Sächsischen Landtags war und seit 2019 Sächsische Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Kabinett Kretschmer ist, gilt als erfahrende Politikerin. Zuletzt hielt sie einen kompletten Lockdown in Sachsen für "dringend notwendig" und rechnet auch noch 2022 mit Corona-Einschränkungen.

Lauterbach, der Medizin und Gesundheitsökonomie studierte und 1998 Direktor und Professor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) an der Uni Köln wurde, war ursprünglich CDU-Mitglied. Erst der charismatische SPD-Kanzler Gerhard Schröder hatte den gebürtigen Dürener dann zu den Sozialdemokraten konvertieren lassen. Seit 2001 in der SPD, hält Lauterbach nunmehr 16 Jahre lang sein Direktmandat im Wahlkreis "Leverkusen – Köln IV". Im Deutschen Bundestag lag sein Fokus all die Jahre auf der Gesundheits- und Sozialpolitik. Von Ende 2013 bis September 2019 war er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Doch dann kam ein Karriereknick. Die erste wirklich große politische Niederlage für den Pandemiegewinner war seine Kandidatur um den SPD-Vorsitz 2019. Damals rasselte das Duo mit Parteikollegin Nina Scheer durch, in der ersten Mitgliederbefragungsrunde kamen sie nur auf Rang vier.

Der Professor genießt in Kreisen der Ärzteschaft nicht unbedingt den besten Ruf. Missmut erntete er unter den Kollegen durch seine Bemerkung, dass ein Drittel aller Röntgenuntersuchungen überflüssig seien. Dass er zwischen 2001 bis 2013 Mitglied des Aufsichtsrats der Rhön-Kliniken war, bringt den Saubermann, der sich ethisch-korrekt nach außen verkauft, zumindest in den Verdacht, in Sachen Lobbyismus doch nicht ganz so unbefleckt zu sein. Für Kritik sorgten auch Abstimmungen des SPD-Politikers im Deutschen Bundestag, die eigentlich mit Lauterbachs Themengebiet Gesundheit nichts zu tun hatten. So stimmte er 2016 für eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Nord-Irak, Mali, Afghanistan, im Mittelmeer, Sudan, Darfur.

Zweifelhaft waren auch die Studien zum Bayer-Medikament Lipobay, die Lauterbach anfertigte. Als andere schon vor der Krebs hervorrufenden Wirkung des Blutdrucksenkers warnten, war der Mann – damals noch mit Fliege als Erkennungsmerkmal des Arztes auf Station – an der Forschung beteiligt. 2004 schrieb der Spiegel: "Offiziell ist Lauterbach nur ein Wissenschaftler, der die Politik berät, ein junger Professor, dessen kleines Institut über einem Supermarkt an einer Durchgangsstraße liegt. Tatsächlich jedoch hat er die Grenze zur Politik längst überschritten; mit allen Tricks will er seine Vorstellungen durchsetzen." So soll der Wissenschaftler damals über 800.0000 Euro für Medikamentenstudien im Auftrag der Pharmaindustrie erhalten haben. Das Medikament von Bayer wurde wegen tödlicher Zwischenfälle im Jahr 2001 vom Markt genommen.

Vielleicht ist Olaf Scholz auch mit Blick auf Lauterbachs Vor-Corona-Karriere ein wenig skeptisch, ob er tatsächlich der richtige Mann ist. Mit Petra Köpping als möglicher Gesundheitsministerin könnte er sich Kritik an dieser Stelle jedenfalls ersparen.

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