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Einkauf, Marketing und Marken > Krise trifft Agrarsektor

KI als Rettungsanker: Ernährungswirtschaft kämpft mit Exportrückgang

Die deutsche Ernährungswirtschaft hadert mit der Richtungslosigkeit der Politik in Berlin und Brüssel. Sie hofft, dass man mit Hilfe der KI die Vorbehalte gegen Dünger und Pflanzenschutz ausräumen kann.

Der Einsatz von KI gilt als der Wachstumsmarkt schlechthin in der Ernährungswirtschaft. (Foto: shutterstock)

Von Andreas Kempf

Die deutsche Ernährungswirtschaft blickt in ein schwieriges Jahr. Der Grund ist ein Rückgang der Exporte, eine unklare Landwirtschaftspolitik und gestiegene Kosten. Hinzu kommt die aktuelle Verunsicherung durch die in Brandenburg grassierende Maul-und-Klauen-Seuche, die den Export weiter belasten könnte. „Es herrscht aktuell große Nervosität", erläutert Steffen Seifert, Agrarexperte an der Georg-August-Universität Göttingen. Er hat zusammen mit Christian Janze von der Beratungsgesellschaf EY in Stuttgart den „Konjunkturbarometer Agribusiness Deutschland 2025" erstellt. Die Folgen der aktuellen Seuche können die Experten noch nicht abschätzen. Das hängt davon ab, wie sehr sie über Brandenburg hinaus ausbreitet", so Seifert. Allerdings haben schon jetzt viele Länder den Import von Fleischwaren aus Deutschland verboten. Im vergangenen Jahr wurden Erzeugnisse im Wert von elf Milliarden Euro exportiert. Insgesamt hat die deutsche Fleischwirtschaft 51 Milliarden Euro umgesetzt.

 

Rückgang des Geschäftsvolumens in der Ernährungswirtschaft

Das Geschäft der Ernährungswirtschaft, das neben Lebensmittelindustrie auch die Bereiche Landtechnik, Düngemittel und Pflanzenschutz umfasst, ist bereits im vergangenen Jahr um drei Prozent auf insgesamt 285 Milliarden Euro zurückgegangen. „Das klingt nicht viel. Doch tatsächlich hat die Ernährungswirtschaft deutlich geringere Mengen verkauft", betont EY-Experte Janze. Diese Entwicklung ist schon alarmierend. Die Lebensmittelverarbeiter haben den Rückgang weitestgehend mit höheren Preisen ausgeglichen, was die Verbraucher an den Ladenkassen täglich erleben. Die deutsche Ernährungswirtschaft steht im verarbeitenden Gewerbe an zweiter Stelle nach dem Kfz-Bereich. Im vergangenen Jahr waren dort 764.000 Frauen und Männer Beschäftigt. Die allermeisten (87 Prozent) arbeiten in der Ernährungsindustrie, die im vergangenen Jahr einen stabilen Umsatz von 230 Milliarden Euro erzielt hat. Die Fleischwirtschaft beschäftigt 146.000 Mitarbeiter. Bei den Milchverarbeitern (Umsatz 39 Milliarden Euro) arbeiten 47.000 Menschen.

Krise in der Landtechnik-Branche

Besonders herb sind die Rückschläge für die Landtechnik. Hier ist das Geschäft um ein Fünftel auf zwölf Milliarden Euro eingebrochen. Vor allem die Nachfrage aus dem Ausland – der Exportanteil beträgt 76,1 Prozent – hat die Anbieter in Bedrängnis gebracht. Hier fehle es an klaren Perspektiven der Politik. Dieser Trend beendet eine lange Periode des Wachstums. Zwischen 2014 und 2023 hatte sich der Umsatz der Branche auf 15 Milliarden Euro verdoppelt. Die aktuelle Richtungslosigkeit der Politik in Deutschland und Brüssel schrecke die Anwender vor Investitionen zurück, erklärt Janze die Entwicklung. Für dieses Jahr werde in diesem Bereich mit einem weiteren Rückgang des Geschäfts gerechnet. Die 194 Betriebe beschäftigen derzeit rund 46.000 Mitarbeiter. Viele seien allerdings in Kurzarbeit. So sei zu befürchten, dass in diesem Jahr angesichts der negativen Prognosen zu einem Stellenabbau kommen wird.

Positive Entwicklung in der Milchwirtschaft

Ganz anders entwickelt sich die Milchwirtschaft. Nach einem stagnierenden Jahr 2023 erreichten die Umsätze im vergangenen Jahr den Spitzenwert von knapp 39 Milliarden Euro. Dabei wurde jeder dritte Euro im Ausland erzielt. Der Branche kommt unter anderem entgegen, dass Milchfett von der Industrie derzeit stark nachgefragt wird. Sehr zum Leid der Verbraucher, die diesen Trend anhand deutlich gestiegenen Butterpreisen erleben. Somit blicken die 226 Molkereien positiv in die Zukunft.

Forderung nach Umdenken in der Politik

EY-Experte Janze fordert ein Umdenken der Politik. „Wir sollten weg vom Trend des Rückbaus und der Beschränkung auf Selbstversorgung." Das führe zu bedenklichen Entwicklungen. So bauen die Landwirte wegen der Beschränkungen für Dünge- und Pflanzenschutzmittel weniger Back- und mehr Futterweizen an. Das hochwertige Getreide werde jetzt importiert. „Das ist schon mit Blick auf die Nachhaltigkeit fragwürdig", rügt der EY-Experte. Zudem sei es gerade in diesen Zeiten sehr gefährlich die Produktion von Dünger und Pflanzenschutzmittel zurückzufahren. Tatsächlich ist deren Geschäft um bis zu zwölf Prozent zurückgegangen. Die Hersteller von Pflanzenschutzmittel haben knapp jede zehnte Stelle auf jetzt noch 10.000 abgebaut. „Da schaffen wir gerade in diesen geopolitisch angespannten Zeiten neue Abhängigkeiten.", betont Janze, der daran erinnert, dass die letzte deutsche Ammoniak-Produktion wegen der hohen Energiekosten eingestellt wurde.

KI als Hoffnungsträger für die Zukunft

Aus Sicht der Experten haben die Bauernproteste vor einem Jahr noch keinen Richtungswechsel in der Landwirtschaftspolitik ausgelöst. Die müsse ihrer Meinung nach wieder mehr auf Wachstum und auf Export ausgerichtet werden. Die Abkehr von den derzeit bestehenden ideologischen Denkschranken sieht der EY-Experte in dem verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die ermögliche beispielswese anhand von Bodensensoren, Auswertung von Wetterprognosen und Zustand der Pflanzen den Einsatz von Dünger und Schutz vor Schädlingen viel gezielter einzusetzen. „Das ermöglicht dann eine Faktenbasierte Debatte und bewahrt auch vor Fehlern", meint Janze.

Der Einsatz von KI gilt als der Wachstumsmarkt schlechthin in der Ernährungswirtschaft. Der Markt rund um Software, Robotik, Drohnen, Messtechnik und Dienstleistungen verspricht dem deutschen Agrarsektor ein Wachstumspotential von mehr als 630 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr lag der Wert noch bei 180 Millionen Euro. Tatsächlich bewerten auch drei von vier befragten Agrarmanager den Einsagt als möglicher Treiber für ihr Geschäft. Doch auch weltweit spiele KI eine immer größere Rolle. „Deshalb muss Deutschland Acht geben, dass man nicht den Anschluss verliert" betont der EY-Experte. Heute liegen die hiesigen Anbieter noch im Mittelfeld – weit hinter der Konkurrenz aus China.

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