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Zukunftsmärkte > Innovation, Effizienz, Zukunft

KI: Schneller, genauer, günstiger

Von Heizungsbauteilen bis zur Krebsfrüherkennung – KI steigert Effizienz, spart Kosten und verändert Branchen. Warum Mittelständler auf sie setzen.

Michelangelos Erschaffung des Adam KI-generiert
Elektrisierende Aussichten: Wenn der Funke überspringt, kann die KI das Leben der Menschen einfacher und deutlich günstiger machen. Hier interpretiert eine Software Michelangelos Fingerzeig zwischen Adam und Gott. (Foto: KI-generiert mit Adobe Firefly)

An der Decke der 2800 Quadratmeter großen Halle des Metallverarbeiters „Die Kanter & Schlosser“ aus Trier hängen seit 2022 Dutzende kleine Sonnen. „Infrarotsysteme, die kugelförmig alles erwärmen, was sie anleuchten“, erklärt Thomas Kübler, geschäftsführender Gesellschafter und Gründer von Kübler Hallenheizung aus Ludwigshafen, „eine Art Wärmelampe.“ Infrarotstrahlen verbreiten sich ähnlich wie Sonnenlicht und erwärmen auch ganz ähnlich alle Gegenstände und Körper, auf die sie scheinen – allerdings nicht den ganzen Raum. Es gibt weder Zugluft noch ungenutzte Wärmepolster unter dem Dach, und unterschiedliche Temperaturzonen sind sogar ohne Trennwände möglich. Dafür ist viel weniger Energie nötig als bei herkömmlichen Raumluftheizungen. Um die Energieeffizienz noch zu steigern, setzt Kübler zusätzlich auf künstliche Intelligenz.

 

Sie läuft auf einem eigenen Rechner, der nicht mit dem Internet verbunden ist. Von dort greift sie auf die Datenbank zu, die seit Jahren über die Stromleitung mit Daten wie Außentemperatur, Verlauf des Heizungsstarts am Morgen, Temperaturen der verschiedenen Heizzonen der Halle, Bewegungsmuster sowie Heizzeiten versorgt wird. 2018 bekam Kübler für das Produkt bereits den Innovationspreis Rheinland-Pfalz. Die KI, die das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) eigens für Kübler entwickelt hat, arbeitet für jede Hallenheizung mit einem digitalen Zwilling, der in Echtzeit mit den sensorischen und visuellen Daten gefüttert wird. „Die KI erkennt so eventuelle Auffälligkeiten sofort und schickt einen Alarm“, sagt Kübler. Sie ermittelt beispielsweise, ob es einen Defekt in einem Bauteil der Heizung gibt oder etwas vielleicht nur verschmutzt ist.

„Der Monteur hat dann das richtige Bauteil gleich dabei, wenn er zum Kunden fährt“, hebt Kübler einen der Vorteile hervor. Und die KI lernt anhand der Daten, gewisse Vorzeichen eigenständig zu erkennen, die sonst bisher übersehen werden. So soll sie künftig vorhersagen können, wann ein Bauteil ausfällt. Nicht nur sollen die Heizungen der Kunden so stabiler laufen, auch Küblers Außendienst soll Vorteile haben. „Anstatt bei einem Ausfall schnell zu einem Kunden fahren zu müssen, können wir besser planen und Anfahrten dann vorausschauend auch kombinieren“, sagt Kübler. „Wir rechnen damit, unsere Fahrzeiten um 40 Prozent reduzieren zu können.“

Mittelstand integriert künstliche Intelligenz

Längst ist KI nicht mehr nur etwas für die großen Technologiekonzerne wie Microsoft und neuerdings auch Apple. Immer mehr Anwendungen sind auch hierzulande im Einsatz, die Unternehmen die Arbeit erleichtern und Prozesse wie Qualität verbessern helfen sollen. „Der Einsatz von künstlicher Intelligenz entwickelt sich zum zentralen Wettbewerbsfaktor“, erwartet Patrick Gilroy, Referent künstliche Intelligenz und Bildung beim Tüv-Verband. „Aber der Einsatz von KI in Unternehmen ist voraussetzungsreich“, weiß er. „Sie brauchen Zeit, Ressourcen und Änderungsbereitschaft.“ Dafür sind die Chancen immens.

Eine gänzlich unbedarfte erste Suche nach einsatzfähigen KI-Lösungen ergibt Gruppenfotos, die zum Gliedmaßenzählen einladen, Rezepte für Pizza mit Klebstoff oder dauerrote Ampeln sowie – etwas weniger lustig – das selbststeuernde Geisterfahrzeug im US-Stadtverkehr oder KI-Pannen wie die versehentliche Enttarnung eines hochrangigen Geheimdienstagenten im Einsatz.

Genauer betrachtet ist aber schon jetzt mehr wirklich hilfreiche KI im Einsatz. Und das auch im Mittelstand und in nahezu allen Wirtschaftszweigen und Geschäftsbereichen, wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) berichtet. Der DIHK-Digitalisierungsumfrage zufolge setzten 2023 branchenübergreifend rund 14 Prozent der mehr als 1000 befragten Unternehmen KI ein. Weitere 23 Prozent planten, sie innerhalb der kommenden drei Jahre einzuführen. Fast jeder vierte Deutsche hat einer Umfrage des Tüv-Verbandes unter mehr als 1000 Personen zufolge bereits ChatGPT unter anderem für berufliche Zwecke genutzt.

 

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Revolution im Marketing: KI-Power für mehr Umsatz

Die sicherlich bekannteste Einsatzmöglichkeit ist die sogenannte generative KI, mit der sich Texte, Bilder oder Videos maschinell erstellen lassen. Allein diese Art der KI könnte nach Ansicht des McKinsey Global Institute weltweit einen jährlichen Produktivitätszuwachs von umgerechnet 2,4 bis 4,1 Billionen Euro ermöglichen. Ebenfalls bekannt sind KI-Anwendungen aus dem Marketing. Wer gelegentlich online einkauft, hat Vorschläge im Stil der Amazon-Werbung wie „Kunden, die Produkt X kauften, interessieren sich auch für Produkt Y“ sicherlich bereits gesehen. „100 Prozent KI“, stellt Spezialist Gilroy vom Tüv-Verband fest. Neben personalisiertem Marketing haben auch Social-Media-Nutzer hin und wieder bereits maschinelle Übersetzungen im Stream gehabt.

Früherkennung Hautkrebs: KI-Technologie als Lebensretter

Weniger bekannte, dafür umso mächtigere Hilfsmittel sind KI-Tools für die Mustererkennung in Daten jeder Art, ob aus Temperaturmessungen oder Sensoren wie bei Küblers Heizungen. Oder etwa Systeme, die Aufnahmen der Haut für die Früherkennung von Hautkrebs nutzen. Und die Technologie ist auch an anderer Stelle im Einsatz.

„Mit KI ausgestattete Drohnen erkennen mittlerweile mindestens so gut wie unsere Kletterer, ob es beispielsweise am Turm eines Atomkraftwerks Risse oder Instandhaltungsprobleme gibt“, gibt Gilroy ein Beispiel aus den Anwendungen der Tüv-Prüforganisationen. „Und was Sie am Akw mit einer Drohne und KI- Auswertung können, das geht natürlich auch bei der Wartung eines Fließbandes.“


Vorausschauende Wartung mit KI

In diesem Bereich der vorausschauenden Wartung (predictive maintenance) steht KI Gilroy zufolge noch am Anfang, ist aber sehr gut für Mittelständler geeignet und wird wichtiger. Wie bei Kübler Hallenheizung kommt dabei oft ein digitaler Zwilling zum Einsatz. „Dabei modellieren Sie digital reale Anwendungen und können das Modell dann für Simulationen und auch Steuerung nutzen“, erläutert Gilroy. Die Stadt Hamburg etwa erhebt so über das Programm Smartbridge Echtzeitdaten der Köhlbrandbrücke über einen Arm der Süderelbe, um sie vorausschauend instand zu halten.

Bosch nutzt seit 2023 eine KI zur automatisierten Inspektion im Hildesheimer Werk. Statt Beschäftigte fertige Teile mit bloßem Auge auf Fehler überprüfen zu lassen, kontrolliert dort eine KI-basierte Bilderkennung die Qualität. Um sie zu trainieren, waren Bilder mit Fehlern nötig, doch es gab nicht genug Aufnahmen von fehlerhaften Teilen. Also ließ Bosch auch hier die KI ran. Sie erstellte aus einer zweistelligen Zahl von Fotos rund 15.000 Bilder der insgesamt sechs möglichen Fehler, die während des Schweißprozesses am gefertigten Elektromotor entstehen können.

„Diese konnten wir nutzen, um das KI-basierte Inspektionsmodell zu trainieren“, sagt Laura Beggel, Data Scientist in der Bosch-Forschung. Die KI lernt auch, über die automatisierte optische Inspektion während der Produktion vorausschauend die Fehler zu vermeiden. Bosch hält es für möglich, die Produktivität um sechsstellige Euro-Beträge jährlich zu steigern.
Bereits einsatzfähige KI-Tools bieten riesige Chancen.

Einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom zufolge sehen 90 Prozent der Industrieunternehmen sehr großes oder großes Potenzial für KI im Energiemanagement, 75 Prozent in der Analytik wie der vorausschauenden Wartung oder der Leistungsoptimierung, 70 Prozent im Lagermanagement, 65 Prozent in der Konfiguration von Maschinen und 61 Prozent in der Robotik. Aufgaben in der Konstruktion nennen 52 Prozent als Einsatzfeld. Richtig durchgesetzt hat sich die KI im Alltag allerdings noch nicht.

 

KI transformiert Arbeitsplätze: Chancen und Herausforderungen

Noch liegt laut DIHK-Erhebung die Informations- und Kommunikationstechnologie vorn, wo mehr als ein Viertel der Unternehmen solche Technologien nutzt. „All unsere Mitgliedsunternehmen wie Agenturen, Medien, Vermarkter und Plattformen arbeiten bereits oder werden in naher Zukunft mit KI-Lösungen arbeiten“, berichtet der Bundesverband Digitale Wirtschaft – bei

  • Übersetzungen,
  • Zusammenfassungen,
  • eigenen Texten,
  • Bildbearbeitung,
  • Programmieren von Software.

An zweiter Stelle steht die Finanzwirtschaft mit 24 Prozent:

  • Risikomanagement,
  • Identifizierung von Geldwäsche,
  • Wertpapierhandel sowie
  • intelligente Chatbots.

Letztere trainieren mit realen Kundendaten und Fällen. „Die übergeben auch an menschliche Kundenberater, falls nötig“, sagt Tüv-Experte Gilroy. Im Kundenservice macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar, Experten hoffen, dass die intelligenten Chatbots einspringen.

Entfallen könnten dank KI auch Stellen als

  • Buchhalter,
  • Mathematiker,
  • Programmierer oder in der
  • Verwaltung.

Oder auch nicht. „Die Jobs werden sich verändern“, sagt Oliver Stettes, Leiter des Clusters Arbeitsmarkt und Tarifpolitik des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Aber es werden nicht weniger werden.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) glaubt, dass es von 2035 an keinen Job mehr geben wird, der nichts mit KI zu tun hat. Beschäftigte sind oft nicht so optimistisch, wenn KI im Unternehmen eingeführt werden soll. Sie haben Angst, ihre Arbeit zu verlieren. Vertrauen ist aber entscheidend, wenn KI es für alle leichter machen soll. Da ist dann richtige Kommunikation der Führung gefragt. „Eine KI müssen Sie top-down ansagen, aber bottom-up entwickeln“, empfiehlt Gilroy – Chefansage, aber alle dürfen dann mitreden und mitentwickeln.

 

3D-Druck verbessert orthopädische Sohlenqualität

Johannes Herges in Saarbrücken ist überzeugt, dass er als Orthopädieschuhmacher an seiner gerade frisch trainierten KI weiterhin als Fachkraft gebraucht wird. Von der Technik verspricht er sich eine immense Materialersparnis und bessere Qualität.

„Normalerweise fräsen wir orthopädische Einlagen aus Schaumstoff heraus“, sagt er. Bisher gehen so rund 80 Prozent des Materials verloren. „Die KI nimmt Maß mit einer Druckmessplatte und kann bereits Länge und Breite sowie einige Fußfehlstellungen erkennen“, sagt Herges. Noch nicht ganz einsparen lässt sich das Material des Trittschaums. Mit dem nimmt Herges weiter den Fußabdruck und zeichnet selbst die wichtigen Punkte auf dem Trittschaumabdruck ein. So trainiert er die KI darauf, immer bessere Sohlen mit genau passenden Festigkeiten – eher gepolstert oder stützend – an den richtigen Stellen per 3D-Druck herzustellen. „Wenn die KI trainiert ist, wird auch der Trittschaum im normalen Geschäftsbetrieb wegfallen und es wird nochmal weniger Abfall produziert“, sagt Herges.
 

Materialtipps von der KI

Mehr Effizienz wünscht sich auch Julius Schäufele von seiner neuen KI: Sie soll Bauherren und -planer mit für ihr Bauvorhaben passenden Baustoffen zusammenbringen. Der Mitgründer und -geschäftsführer von Concular in Berlin füttert der KI gerade neben Daten der Bauplaner die von seinen Mitarbeitern per App erhobenen Informationen über verwertbare Materialien in Gebäuden, die abgerissen werden sollen. Mit den Formularfeldern für mehr als 800 übliche Bauteilgruppen arbeitet sein Unternehmen derzeit noch rein beratend daran, wertvolle und gut nutzbare Ressourcen in der Bauindustrie und damit verbunden Geld und CO2 zu sparen.

 

Zusätzlich jedoch geht es Schäufele um die Denkweise. „Neben der Effizienzsteigerung wird die KI einen Effekt auf die Wahrnehmung des Themas bei der Planung haben“, erwartet er. Denn das Ziel der KI, die vorhandenen Materialien möglichst früh in der Planung einbeziehen zu können, wird die Planung verändern, ist er überzeugt. „Wenn sie erst planen und dann nach den nötigen Materialien suchen, sinkt die Trefferzahl schon durch das kleinere Zeitfenster und den festgelegteren Bedarf“, erklärt Schäufele. „Können Planer dagegen schon vorher gucken, was es an Material so gibt, ist das Inspiration für Alternativen zu einer klassischen Planung mit Primärmaterialien.“

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