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Coca-Colas virtueller Weihnachtsmann schockt Künstler: KI-Revolution in der Kreativbranche

Wie künstliche Intelligenz die Werbe-, Illustrations- und Kunstwelt auf den Kopf stellt und welche Konsequenzen das für die Kreativwirtschaft hat.

Coca-Colas KI-generierter Weihnachtsspot 2024 sorgt für Kontroversen in der Kreativbranche. (Quelle: picture alliance / NurPhoto) Link zum Video weiter unten.

Der Weihnachtsmann ist dieses Jahr arbeitslos - zumindest in der Werbung von Coca-Cola. Der Getränkeriese setzt 2024 erstmals auf einen komplett KI-generierten Weihnachtsspot, in dem kein einziger echter Mensch zu sehen ist. Diese bahnbrechende Entscheidung löst eine Welle der Entrüstung in der Kreativbranche aus und wirft grundlegende Fragen zur Zukunft kreativer Berufe auf.

KI-Werbung: Effizienz vs. Authentizität

Der neue Coca-Cola Weihnachtsspot markiert einen Wendepunkt in der Werbeindustrie. Statt echter Schauspieler und aufwendiger Filmproduktionen setzt das Unternehmen auf künstliche Intelligenz, um seine ikonische Weihnachtsbotschaft zu vermitteln. Pratik Thakar, Vizepräsident für generative KI bei Coca-Cola, betont die Vorteile: "Die Geschwindigkeit ist etwa fünfmal höher. Die Produktionszeit hätte traditionell deutlich länger gedauert. Das ist also ein enormer Vorteil." (Quelle: 20min.ch)

Doch die Reaktionen der Zuschauer fallen ernüchternd aus. In den sozialen Medien hagelt es Kritik, der Spot wird als "seelenlos" und "gruselig" bezeichnet.

Diese Kontroverse wirft ein Schlaglicht auf das Spannungsfeld zwischen technologischer Innovation und emotionaler Authentizität in der Werbung. Für Unternehmen stellt sich die Frage: Wie viel Effizienzgewinn rechtfertigt den potenziellen Verlust an Glaubwürdigkeit und Kundenbindung?

Illustratoren im Aufstand: KI bedroht kreative Berufe

Die Debatte um KI in der Kreativbranche beschränkt sich nicht auf die Werbewelt. Im Bereich der Illustration löste kürzlich eine Kampagne des Oetinger Verlags einen Sturm der Entrüstung aus.

Der Berufsverband Illustration Organisation, der rund 3.000 Mitglieder vertritt, bezeichnete den Einsatz von KI-generierten Bildern als "Schlag ins Gesicht aller Urheber. (Quelle: boersenblatt.de)

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die fehlende Wertschätzung für die Arbeit professioneller Illustratoren. "Bilder sind eine Sprache – eine nuancierte, ausdrucksstarke, vielschichtige Sprache, die eine eigene Botschaft trägt und mitgelesen wird", argumentiert der Verband. Diese Kontroverse verdeutlicht die wachsende Sorge in kreativen Berufen vor einer Verdrängung durch KI-Technologien.

Der Oetinger Verlag gab schließlich nach: "Die Reaktionen auf das Skogland-Cover haben uns erschüttert und dazu bewogen, in Zukunft bei der Beauftragung von Illustrationen (sei es durch eine Agentur oder eine Illustrator:in), die Nutzung generativer KI-Tools auszuschließen."

KI in der Kunst: Bedrohung oder neue Ausdrucksform?

Während die Werbe- und Illustrationsbranche mit den Herausforderungen der KI ringt, experimentieren Künstler in anderen Bereichen bereits aktiv mit den neuen Möglichkeiten. An der Hochschule für Musik und Theater München beispielsweise arbeiten Kompositionsstudierende an Projekten, die KI in den kreativen Prozess integrieren. Professor Ali Nikrang sieht darin Chancen: "Seit ein paar Jahren haben wir die Möglichkeit, wirklich die Frage zu stellen: Wie kann man die KI für künstlerische Vorhaben benutzen?" (Quelle: br-klassik.de)

Gleichzeitig formiert sich auch hier Widerstand. Über 13.500 Künstler, darunter prominente Namen wie ABBA-Sänger Björn Ulvaeus und Schriftsteller Kazuo Ishiguro, wehren sich gegen die Verwendung ihrer Werke zum Training von KI-Modellen.

Diese Kontroverse zeigt, dass die Integration von KI in die Kunstwelt ein schmaler Grat zwischen Innovation und Urheberrechtsverletzung ist.
 

Kreativwirtschaft am Scheideweg: Chancen und Risiken der KI-Revolution

Die Beispiele aus Werbung, Illustration und Kunst verdeutlichen, dass die Kreativbranche vor einem fundamentalen Umbruch steht. KI-Technologien versprechen enorme Effizienzsteigerungen und neue kreative Möglichkeiten. Gleichzeitig bedrohen sie etablierte Berufsbilder und werfen ethische Fragen auf.

Für Unternehmen und Kreativschaffende ergeben sich daraus folgende Pros und Kontras:

Pro KI-Einsatz:

  • Erhöhte Effizienz und Kostenersparnis in der Produktion
  • Neue kreative Ausdrucksmöglichkeiten durch KI-Unterstützung
  • Potenzial für personalisierte und skalierbare Inhalte

Kontra KI-Einsatz:

  • Verlust von Authentizität und emotionaler Bindung zum Publikum
  • Bedrohung traditioneller kreativer Berufe
  • Urheberrechtliche und ethische Herausforderungen
  • Risiko der Uniformität durch KI-generierte Inhalte

Was Unternehmen, Kulturschaffende und die Politik daraus lernen können

  • Die Integration von KI in kreative Prozesse erfordert eine sensible Balance zwischen Innovation und Tradition.
  • Kreativschaffende müssen sich weiterbilden, um KI als Werkzeug zu nutzen, statt von ihr verdrängt zu werden.
  • Unternehmen sollten den Einsatz von KI-Technologien sorgfältig gegen mögliche Imageschäden abwägen.
  • Es bedarf neuer rechtlicher und ethischer Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI in der Kreativwirtschaft.

Die 5 größten Bedenken und Risiken

1. Verbreitung von schädlichen Inhalten
KI-Systeme können Inhalte automatisch auf der Grundlage von Texteingaben durch Menschen erstellen. „Diese Systeme bewirken enorme Produktivitätssteigerungen, aber sie können auch absichtlich oder unabsichtlich Schaden verursachen“, erklärt Bret Greenstein, Partner, Cloud and Digital Analytics Insights, bei der Beratungsfirma PwC. Eine von KI generierte E-Mail, die im Namen des Unternehmens verschickt wird, kann zum Beispiel versehentlich beleidigende Formulierungen enthalten oder Mitarbeitern falsche Anweisungen geben. Generative KI sollte als Ergänzung und nicht als Ersatz für Menschen oder Prozesse eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Inhalte den ethischen Erwartungen des Unternehmens entsprechen und seine Werte unterstützen.

2. Urheberrecht und andere rechtliche Risiken
Gängige generative KI-Tools werden auf riesigen Bild- und Textdatenbanken aus verschiedenen Quellen, darunter auch dem Internet, trainiert. Wenn diese Tools Bilder erstellen oder Codezeilen generieren, kann die Quelle der Daten unbekannt sein, was für eine Bank, die Finanztransaktionen abwickelt, oder ein Pharmaunternehmen, das sich auf eine Formel für ein komplexes Molekül in einem Medikament verlässt, äußrst problematisch ist. Auch die Reputations- und Finanzrisiken können massiv sein, wenn das Produkt eines Unternehmens auf dem geistigen Eigentum eines anderen Unternehmens basiert.

3. Datenschutzverstöße
Generative KI-Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) werden mit Datensätzen trainiert, die manchmal personenbezogene Informationen über Einzelpersonen enthalten. „Diese Daten können manchmal mit einer einfachen Textabfrage eruiert werden“, sagt Abhishek Gupta, Gründer und Principal Researcher am Montreal AI Ethics Institute. Und im Vergleich zu herkömmlichen Suchmaschinen kann es für einen Verbraucher schwieriger sein, die Informationen zu finden und ihre Löschung zu verlangen. Unternehmen, die LLMs entwickeln oder verfeinern, müssen sicherstellen, dass personenbezogene Daten nicht in die Sprachmodelle eingebettet sind und dass es einfach ist, personenbezogene Daten aus diesen Modellen unter Einhaltung der Datenschutzgesetze zu entfernen.

4. Verstärkung von Vorurteilen
Generative KI kann potenziell bestehende Verzerrungen verstärken, zum Beispiel können Verzerrungen in Daten gefunden werden, die für das Training von LLMs verwendet werden und sich der Kontrolle von Unternehmen entziehen. Es ist wichtig, dass Unternehmen, die an KI arbeiten, über verschiedene Führungskräfte und Fachexperten verfügen, die dabei unterstützen, unbewusste Vorurteile in Daten und Modellen zu erkennen.

5. Herkunft der Daten
Generative KI-Systeme verbrauchen enorme Datenmengen, die unzureichend verwaltet werden, von fragwürdiger Herkunft sein können, ohne Zustimmung verwendet werden oder Vorurteile enthalten. Zusätzliche Ungenauigkeiten können durch Influencer oder die KI-Systeme selbst verstärkt werden. „Die Genauigkeit eines generativen KI-Systems hängt von dem verwendeten Datenkorpus und dessen Herkunft ab“, erklärt Scott Zoldi, Chief Analytics Officer beim Kreditbewertungsunternehmen FICO. „ChatGPT-4 durchsucht das Internet nach Daten, und viele davon sind wirklich Müll, was ein grundlegendes Genauigkeitsproblem bei Antworten auf Fragen darstellt, auf die wir die Antwort nicht kennen.“ Laut Zoldi setzt FICO generative KI ein, um beim Training von Algorithmen zur Betrugserkennung Grenzfälle zu simulieren. Die generierten Daten werden stets als synthetische Daten gekennzeichnet, damit Zoldis Team weiß, wo die Daten verwendet werden dürfen. „Wir behandeln sie als abgeschottete Daten, die nur zu Test- und Simulationszwecken verwendet werden“, sagt er. „Synthetische Daten, die von generativer KI erzeugt werden, fließen nicht in das künftige Modell ein. Wir halten dieses generative Gut unter Verschluss und lassen es nicht ‚in freier Wildbahn‘ zu.“

Ausblick

Die KI-Revolution in der Kreativbranche ist nicht aufzuhalten, aber ihre Auswirkungen sind gestaltbar. Unternehmen und Kreativschaffende stehen vor der Herausforderung, die Potenziale der künstlichen Intelligenz zu nutzen, ohne dabei die menschliche Kreativität und Authentizität zu opfern.

Der Coca-Cola Weihnachtsspot 2024 könnte in diesem Sinne als Weckruf verstanden werden: Er zeigt eindrücklich, dass technologische Innovation allein nicht ausreicht, um Herzen zu berühren und Marken erfolgreich zu positionieren. Die Zukunft der Kreativwirtschaft wird davon abhängen, wie geschickt es gelingt, menschliche Intuition und künstliche Intelligenz zu einer neuen Form des kreativen Ausdrucks zu verschmelzen.

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