Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen

Kinderpost: Traditionsspielzeug aus Fürth bleibt Verkaufsschlager

| Midia Nuri

Die Kinderpost trotzt E-Mail & Smartphone – und zeigt Unternehmern, wie Traditionsprodukte durch Anpassung erfolgreich bleiben.

Illustration eines Kinderzimmers - auf dem Kindertisch steht die Kinderpost
Von Briefmarken bis Smartphone: Die Kinderpost hat trotz digitaler Zeiten einen festen Platz im Kinderzimmer. (Foto: MuM/Ki)

08.10.2025 von Midia Nuri für Markt und Mittelstand

Adressiert ist die Postkarte „An Frau Ilse Thoma, Wohnzimmer“. Der Text: „Liebe Mutti, ich bin jetzt Offizier!“ Verschickt hat sie ein kleiner Junge aus seiner Kinderpost. 1915 war das, ein Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Eines von zahlreichen Dokumenten, die das Frankfurter Museum für Kommunikation 2010 in einer Ausstellung zu 100 Jahren Kinderpost zeigte.

Um 1900 kam der Nachbau der großen Post im Papiertütchen und im Pappkarton, es gab sie aber auch in der Blisterpackung, in Form eines Schweizer Briefkastens oder als deutsches Postauto – ein Mercedes 408 aus Kunststoff von 1970 etwa. Kinderbuchautor Janosch schuf das Tigerpostamt Nr. 3466 1996. Und natürlich konnten Kinder in Dänemark, England, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Polen, Schweden, der Schweiz und Ungarn Karten annehmen und Briefe schreiben. In der DDR lockte das „Postamt der Freundschaft“. Erste Kinderpostämter wurden wohl schon um 1890 vermarktet. 

Ein Spielzeug zwischen Nostalgie und digitaler Zeit

Und obwohl Briefe und Postkarten seltener werden, Telegramme abgeschafft sind, ist die Kinderpost immer noch beliebt. Links vom Schalterfenster, ganz in Gelb, prangt silbrig glänzend ein Postbankautomat mit großem Tastenfeld. Auf der rechten Seite ein Briefkasten mit Einwurfschlitz. Letzte Leerung: 17.15 Uhr. Und hinter der Öffnung für das Schalterfenster im Idealfall noch heute: ein Kind. „Briefe schreiben, Pakete verschicken, Poststempel drauf und ab die Post!“ steht auf der Kinderpost, die die Deutsche Post in ihrem Internetshop anbietet.

Hersteller ist Noris-Spiele Georg Reulein, gegründet 1907 und das älteste Unternehmen, das die Kinderpost hierzulande im Programm hat. Seit 2001 gehört das Unternehmen zum Spielwarenhersteller Simba-Dickie-Group in Fürth. Die Noris-Kinderpost enthält Postkarten und wie in der echten Post Umschläge, kleine Post-Pakete samt Paketmarkenstreifen, amtliche Vordrucke und original aussehende Überweisungsformulare. Natürlich auch Briefmarken, Euro-Münzen-Chips sowie Euro-Scheine auch zum Nachkaufen, eine Bankkarte sowie Stempel und Stempelkissen. 

In Zeiten von E-Mail und Smartphone, der Frankiermaschine im Unternehmen oder Beschriftung mit einem online gekauften Markencode wirkt die Kinderpost wie aus der Zeit gefallen. „Aber die Eltern kennen sie noch von früher und mit Blick auf die allgegenwärtigen Handys, teils auch bei den Kindern, sind die Kinderpost oder auch der Kaufladen ein schönes, willkommenes Rollenspiel für drinnen“, sagt Klaus Woller. Er ist als Produktmanager bei Simba Dickie für die Kinderpost verantwortlich. Und er kennt die Kinderpost aus seiner vorherigen Zeit beim Spielwarenhändler Vedes. Noch heute ist die Kinderpost ein Verkaufsdauerbrenner.

Seit Einführung des Gameboys 1989, der reichlich Aufmerksamkeit des Nachwuchses anzog, werden allerdings deutlich weniger abgesetzt als früher. Die Absatzzahlen sieht Woller stets zum Herbst hin steigen. „Dann wird es kühler und Eltern kleinerer Kinder suchen dann gern ein Spiel, das sie mit ihren Kindern drinnen gemeinsam spielen können.“ Eines, bei dem die Kinder auch mal etwas für ihre Eltern tun können. „Und ich glaube mittlerweile, am wichtigsten ist der Stempel“, sagt Woller. 

Ein bisschen geht auch die Kinderpost mit der Zeit. Bei manchen Herstellern sind auch Telefone enthalten. „Am Anfang hatte das Telefon eine Wählscheibe, dann war es ein Telefon für die Wand“, erinnert sich Woller. Heute liegt ein kleines Handy bei. Aus der D-Mark ist inzwischen der Euro geworden.

Und wo früher eine Briefwaage mancher musealen Ausführung der Kinderpost beilag, kommt vielleicht bald ein Kartenlesegerät, an das die Kinder und ihre erwachsenen Kunden ihr Telefon oder die Smartwatch halten können, um für die Post ins Wohnzimmer zu bezahlen. 

Faktenbox: Kinderpost – Geschichte und Gegenwart

  • Erste Kinderpostämter: um 1890 vermarktet
  • Frühe Produkte (ab ca. 1900):

    • Nachbau der „großen Post“ im Papiertütchen oder Pappkarton

    • Später auch Blisterpackung, Schweizer Briefkasten, Postauto (z. B. Mercedes 408 aus Kunststoff, 1970)

  • Historische Dokumente:

    • Postkarte von 1915: „Liebe Mutti, ich bin jetzt Offizier!“ – ausgestellt 2010 im Frankfurter Museum für Kommunikation

  • Bekannte Varianten:

    • „Tigerpostamt Nr. 3466“ von Janosch (1996)

    • „Postamt der Freundschaft“ in der DDR

  • International verbreitet: Dänemark, England, Frankreich, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Ungarn

  • Traditionshersteller:

    • Noris-Spiele Georg Reulein (gegründet 1907, seit 2001 Teil der Simba Dickie Group, Fürth)

  • Inhalt der aktuellen Noris-Kinderpost:

    • Postkarten, Umschläge, kleine Pakete mit Paketmarken

    • Vordrucke, Überweisungsformulare

    • Briefmarken, Euro-Münzen-Chips, Euro-Scheine (nachkaufbar)

    • Bankkarte, Stempel & Stempelkissen

    • Briefkasten, Postbankautomat (Attrappen)

  • Marktentwicklung:

    • Verkaufsdauerbrenner, aber sinkende Stückzahlen seit Einführung des Gameboys 1989

    • Saisonhöhepunkt im Herbst (Indoor-Spiel)

  • Produktentwicklung:

    • Telefon: von Wählscheibe → Wandtelefon → kleines Handy

    • Währung: D-Mark → Euro

    • Mögliche Zukunft: Kartenlesegerät für Smartphone/Smartwatch

Bleiben Sie auf dem Laufenden, abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und erhalten Sie immer die neuesten Nachrichten und Analysen direkt in Ihren Posteingang.

Ähnliche Artikel