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Lichterfahrten: Ein leuchtendes Brauchtum mit wirtschaftlichem Potenzial

Neues Brauchtum erobert Deutschland: Wie beleuchtete Landmaschinen und Flughäfen zu Touristenmagneten werden und welche Herausforderungen entstehen.

Ein festlich beleuchteter Traktor zieht bei einer Lichterfahrt durch die winterliche Landschaft. (Foto: picture alliance - Countrypixel FRP)

In der besinnlichen Adventszeit erstrahlen plötzlich Traktoren und sogar Flughäfen in festlichem Glanz. Was 2020 als spontane Idee in der Corona-Pandemie begann, hat sich zu einem faszinierenden neuen Brauchtum entwickelt: Lichterfahrten. Von Niedersachsen bis Bayern ziehen nun illuminierte Landmaschinen und Busse die Blicke auf sich und locken Schaulustige an. Doch hinter dem funkelnden Spektakel verbergen sich auch wirtschaftliche Chancen. Und bürokratische Hürden.

Von der Scholle zum Terminal: Die schillernde Vielfalt der Lichterfahrten

In den Niederungen Niedersachsens begann vor vier Jahren eine Bewegung, die mittlerweile ganz Deutschland erfasst hat. Landwirte schmückten ihre Traktoren mit Lichterketten und zogen durch die Dörfer, um in Zeiten der Kontaktbeschränkungen ein Zeichen der Hoffnung zu setzen. Was als Grassroots-Bewegung begann, hat sich zu einem regelrechten Phänomen entwickelt. In Franken, wo die Tradition ebenfalls Fuß gefasst hat, organisieren sich Landwirte in Facebook-Gruppen, um gemeinsam die funkelnden Umzüge zu planen.

Doch nicht nur auf dem platten Land leuchten die Lichter. Am Flughafen München hat man das Potenzial dieses neuen Brauchtums erkannt und bietet vom 15. November bis zum 29. Dezember 2024 Lichterfahrten über das Vorfeld an. Hier verschmelzen Hightech und Tradition zu einem einzigartigen Erlebnis. Statt Traktoren gleiten hier beheizte Busse durch ein Meer aus Lichtern, während Tourguides die Besucher mit spannenden Geschichten unterhalten. Es ist, als würde man durch einen terrestrischen Sternenhimmel fahren – nur dass die Sterne hier Landebahnen und Terminals sind.

Bürokratische Stolpersteine im Lichtermeer

Doch der Weg zum leuchtenden Erfolg ist nicht frei von Hindernissen. Während in Niedersachsen die Landesregierung die Lichterfahrten ausdrücklich unterstützt und als "neues, modernes Brauchtum" bezeichnet, kämpfen Organisatoren in anderen Regionen mit bürokratischen Hürden. In Bamberg beispielsweise scheiterte eine geplante Lichterfahrt an der Uneinigkeit mit dem Stadtrat. Der Verein "Landwirtschaft verbindet Bayern" musste daraufhin in das benachbarte Hirschaid ausweichen.

Die rechtlichen Grauzonen sind vielfältig: Dürfen landwirtschaftliche Maschinen überhaupt zu nicht-landwirtschaftlichen Zwecken auf öffentlichen Straßen fahren? Wie steht es um die Verkehrssicherheit, wenn Traktoren zu fahrenden Lichtinstallationen werden? Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies betont zwar, dass sich an der Rechtslage nichts geändert habe, doch die Realität vor Ort zeigt oft ein anderes Bild.

Leuchtende Geschäftsmodelle und gesellschaftlicher Mehrwert

Trotz aller Herausforderungen birgt das neue Brauchtum erhebliches wirtschaftliches Potenzial. Für Landwirte bietet es eine Möglichkeit, in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen zu werden und möglicherweise sogar zusätzliche Einnahmen zu generieren. Flughäfen wie München haben das touristische Potenzial bereits erkannt und in ihr Eventportfolio integriert.

Doch es geht um mehr als nur Profit. Die Lichterfahrten stehen symbolisch für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. In einer Zeit, in der viele traditionelle Bräuche an Bedeutung verlieren, entsteht hier etwas Neues, das Menschen zusammenbringt und Gemeinschaft stiftet. Es ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie aus der Not – in diesem Fall der Pandemie – eine Tugend entstehen kann.

Nicht alle sehen die Entwicklung unkritisch. Manche Landwirte lehnen eine Teilnahme ab, da sie die gesellschaftliche Wertschätzung für ihre Arbeit vermissen. Andere sehen in den Lichterfahrten eine Chance, genau diese Wertschätzung zu fördern und den Dialog mit der Bevölkerung zu suchen.

Auch Umweltaspekte werden diskutiert: Ist es in Zeiten des Klimawandels vertretbar, Traktoren und Busse nur zum Zweck des Schaufahrens durch die Gegend zu schicken? Befürworter argumentieren, dass der gesellschaftliche Nutzen den ökologischen Fußabdruck aufwiege. Zudem könnten die Fahrten als Plattform dienen, um über nachhaltige Landwirtschaft und umweltfreundliche Technologien zu informieren.

Wirtschaftliche Chancen für den Mittelstand - Beispiele

Gastronomie und Hotellerie

  • Spezielle Themenmenüs
  • Übernachtungspakete für Besucher

Handwerksbetriebe und Märkte

  • Präsentation lokaler Produkte
  • Beleuchtete Verkaufsstände für Kunsthandwerk

Dienstleister und Eventagenturen

  • Planung und Durchführung von Veranstaltungen
  • Kooperationen mit Technikfirmen für Beleuchtung

Künstler und Kreative

  • Gestaltung kreativer Lichtinstallationen
  • Verkaufsstände, Tag des offenen Ateliers

Ausblick zu den Lichterfahrten

Die Lichterfahrten haben sich in kürzester Zeit von einer spontanen Idee zu einem festen Bestandteil der vorweihnachtlichen Zeit entwickelt. Sie zeigen eindrucksvoll, wie Tradition und Moderne, Landwirtschaft und Hightech, wirtschaftliche Interessen und gesellschaftlicher Zusammenhalt miteinander verschmelzen können.

Doch so manche Lichterfahrt hat in den vergangenen Wochen für viel Diskussionsstoff gesorgt. Das Niedersächsische Verkehrsministerium hat nun einen Leitfaden in Form eines Erlasses an die niedersächsischen Kommunen versandt. Dieser zeigt verschiedene Optionen auf, wie Lichterfahrten möglichst handhabbar und ohne größere Hürden möglich gemacht werden können. 

Eines steht fest: Die Lichterfahrten haben das Potenzial, weit mehr zu sein als nur ein vorübergehender Trend. Sie könnten zu einem Sinnbild dafür werden, wie moderne Gesellschaften neue Traditionen erschaffen und dabei gleichzeitig wirtschaftliche Chancen nutzen. In diesem Sinne sind die leuchtenden Traktoren und Flughäfen vielleicht mehr als nur ein schöner Anblick – sie sind Botschafter einer sich wandelnden Gesellschaft, die Tradition und Innovation, Land und Stadt, Wirtschaft und Gemeinschaft in einem neuen Licht zu sehen vermag.

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