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Zukunftsmärkte > Konjunkturprogramm der Bundesregierung

Macht das Konjunkturpaket den Mittelstand wettbewerbsfähiger?

Das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket soll dafür sorgen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland „mit Zuversicht und voller Kraft“ aus der Krise kommt, so die Bundesregierung. Wie der Mittelstand davon profitiert, erklärt der Wirtschaftsweise Lars P. Feld im Interview.

Die Bundesregierung versucht mit ihren Hilfsmaßnahmen nicht nur die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Sie will auch inhaltliche Impulse setzen und gezielt Nachhaltigkeit und Digitalisierung fördern. Sind Konjunkturpakete dafür der richtige Weg?

Warum nicht? Natürlich ist es das primäre Ziel eines Konjunkturpakets, die Wirtschaft anzukurbeln. Aber der Strukturwandel in der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung wird ohnehin kommen. Daher ist es sinnvoll, wenn diese Finanzmittel dazu beitragen, dass Unternehmen sich besser den sich verändernden Bedingungen anpassen können und dadurch in der Zukunft wettbewerbsfähiger sind. Der Strukturwandel steht jetzt an, Unternehmen sollten sich damit auseinandersetzen. Wenn sie ihre Produktivität steigern, stärkt das den Wirtschaftsstandort Deutschland.

 

Unter anderem will die Politik den Aufbau einer Wasserstoffindustrie fördern. Ist es sinnvoll, dass der Staat bestimmte Technologien besonders fördert, statt den Unternehmen die Entscheidung zu überlassen, welcher Energieträger der zukunftsträchtigste ist?

Es ist richtig: Der Staat sollte mit seinen Hilfen nicht in die Industriepolitik abgleiten und den Unternehmen vorschreiben, was sie zu produzieren haben. Das macht er aber mit seinem Konjunkturpaket auch nicht unbedingt. Die Elektromobilität wird bereits seit Jahren vom Staat gefördert, jetzt ergänzt er seine Maßnahmen um eine verstärkte Förderung von Technologien auf Wasserstoffbasis. Die Förderung wird also technologieneutraler. Außerdem kann ein Automobilunternehmen weiterhin in die Entwicklung von effizienteren Verbrennungsmotoren investieren. Damit stärkt ein Autohersteller seine zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.

Eine Abwrackprämie für Autos mit Verbrennungsmotor gibt es allerdings nicht. Teile der Opposition kritisieren das als Wettbewerbsverzerrung. Schließlich seien die Automobilhersteller und ihre mittelständischen Zulieferer, die wirtschaftlich noch stark von Verbrennungsmotoren abhängig sind, unverschuldet in die Corona-Krise gerutscht.

Der Staat lässt diese Unternehmen ja nicht im Regen stehen. Wer vor der Krise wirtschaftlich gesund war, bekommt in der Krise staatliche Unterstützung, etwa durch die KfW-Kredite, Überbrückungshilfen oder steuerliche Maßnahmen. Für Unternehmen, die schon vor der Corona-Pandemie Probleme hatten, ist die Lage in der Tat deutlich schlechter. Ich halte es aber für wichtig und richtig, dass der Staat keine Unternehmen künstlich mit Steuergeldern am Leben hält. Dass unprofitable Unternehmen in Krisen pleitegehen, ist normal und gehört zu einer ökonomisch notwendigen Marktbereinigung dazu – so schmerzlich das für den einzelnen Betroffenen auch sein mag.

 

Der Aufbau einer Wasserstoffindustrie ist eine Sache. Aber wie kann der Staat durch ein Konjunkturpaket Unternehmen sonst noch dazu animieren, nachhaltiger zu werden? Für viele Firmen spielt Wasserstoff schließlich bei den eigenen Produkten keine Rolle.

Das wichtigste Element hierbei ist die CO2-Bepreisung. Hinzu kommen die steuerlichen Maßnahmen des Konjunkturpakets, etwa die Forschungsförderung. Das erleichtert den Firmen, auch in nachhaltige und digitale Technologien zu investieren und sich damit auf den Strukturwandel vorzubereiten. Insbesondere der deutsche Mittelstand profitiert davon stark: Seine Unternehmen sind traditionell innovativ, und die steuerlichen Maßnahmen des Konjunkturpakets helfen ihnen dabei, dies trotz der Corona-Krise zu bleiben.

 

Nachhaltigkeit hat viele Aspekte. Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass sich der „European Green Deal“ der Europäischen Kommission und die staatliche Förderung in Deutschland derzeit so stark auf die Reduzierung der CO2-Emissionen konzentrieren?

Ja, die CO2-Problematik ist ein zentraler Punkt im Kampf gegen den Klimawandel. Daher ist es angemessen, dass die Politik dies bei ihren Förderungen stark berücksichtigt.

Die „Wirtschaftsweisen“, deren Mitglied und aktueller Vorsitzender Sie sind, fordern schon seit längerem eine Energiepreisreform und begrüßen, dass im Konjunkturpaket eine Deckelung bei der EEG-Umlage enthalten ist. Weshalb?

Da die CO2-Bepreisung auf bisher nicht erfasste Wirtschaftsbereiche ausgeweitet wird, steigen die Energiekosten. Die geringeren Strompreise entlasten die Unternehmen und die Konsumenten wiederum und erhöhen damit die Liquidität. Das ist in der momentanen Situation besonders wichtig. Letztlich ist die CO2-Bepreisung ja eine zielgenauere Maßnahme gegen den Klimawandel. Die Stromsteuer belastet zum Beispiel auch Strom aus erneuerbaren Energien.

 

Insgesamt klingen Sie zufrieden mit dem Konjunkturpaket der Bundesregierung. Gibt es dennoch Punkte, die Sie stören?

Mit den meisten Punkten des Pakets bin ich tatsächlich einverstanden. Es ist besser, als ich es erwartet hatte. Positiv überrascht hat mich etwa, dass es die Autoprämie für Verbrenner nicht in das Konjunkturpaket geschafft hat. Natürlich gibt es aber einige Dinge, mit denen ich unzufrieden bin. Nehmen Sie die Senkung der Mehrwertsteuer. Von dieser Maßnahme bin ich nicht völlig überzeugt. Denn sie führt bei den Unternehmen zu hohen administrativen Kosten. Da die geringeren Steuersätze nur ein halbes Jahr gelten, steht dieser Aufwand in keinem guten Verhältnis zum Ertrag. Außerdem zeigen frühere Erfahrungen, dass es sehr unsicher ist, ob die Steuersenkung beim Verbraucher ankommt und so der Konsum angekurbelt wird. Bleibt diese Steuersenkung bei den Unternehmen, erhöht dies deren Gewinn und Solvenz.

 

Und was kritisieren Sie noch?

Ich verstehe auch nicht, weshalb im Konjunkturpaket 300 Millionen Euro für die Verbesserung des Tierwohls in der Landwirtschaft enthalten sind. Dies ist zwar ein wichtiges Anliegen, hat aber nichts mit Konjunkturpolitik zu tun. Anders als bei einer Förderung der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit führt die Erhöhung des Tierwohls nicht dazu, dass die Unternehmen produktiver und damit wettbewerbsfähiger werden.

 

Aber die Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion nimmt zu.

Das ist richtig und aus ökologischer Sicht auch wichtig. Nur gehört das eben nicht in ein Konjunkturpaket. Darin sollten nur Punkte enthalten sein, die dabei helfen, diesen Produktivitätsschock zu überwinden.

 

Zum Schluss: Die Corona-Krise trifft viele Unternehmen deutlich härter als frühere Krisen. Wie optimistisch sind Sie, dass die deutsche Wirtschaft diese Situation letztlich gut übersteht und es nicht zu zahlreichen Insolvenzen und Massenentlassungen kommt?

Ich bin zuversichtlich. Erstens kann der Staat die aufgenommenen Schulden dank seiner soliden Finanzpolitik der vergangenen Jahre verkraften. Und zweitens wird dieses Konjunkturpaket hoffentlich dazu führen, dass die Unternehmen sich besser auf den anstehenden Strukturwandel vorbereiten und damit fitter für die Zukunft sind. Früher oder später werden die meisten Unternehmen die Corona-Krise erfolgreich hinter sich gelassen haben.

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