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Marketing in Kriegszeiten

Die richtige Struktur zu ­Fragen und Daten verschafft Klarheit über das Verhältnis von Kunden­interesse zu Produktangebot.

Personen arbeiten im Büro

Die Welt ist schockiert über den Angriff auf die Ukraine und die damit verbundenen humanitären Folgen. Man kann Politikern nur zustimmen, wenn sie von einer Zeitenwende sprechen und das Vorgehen Russlands verurteilen. Die politischen und humanitären Folgen und mögliche Konsequenzen werden von anderen Medien angemessen abgebildet. Ich möchte mich im Folgenden auf die Konsequenzen für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland fokussieren.


Auch wenn es schwerfällt, möchte ich dies möglichst rational und frei von Emotionen machen. Damit das gelingt, greife ich so weit wie möglich auf bestehende Forschungserkenntnisse zurück, die sich auf den aktuellen Sachverhalt übertragen lassen. Was bedeutet die Situation nun für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland? Was sollten sie tun? Und vor allem: Was können sie tun? Die betriebswirtschaftliche Forschung weist auf zwei Gedanken hin:


Erstens stellt sich die Frage: Als Mensch möchte man helfen, unterstützen und Solidarität zeigen. Aber wie? Viele Unternehmen verbinden aktuell in sozialen Medien die Farben der Ukraine mit ihrem Logo und Auftritt. Sie wirken häufig aber anders als gedacht. Die betriebswirtschaftliche Forschung zeigt, dass – naheliegend – konkrete soziale Aktivitäten für die Betroffenen von deutlich größerer Bedeutung sind. Das gilt auch für die eigene Außendarstellung, selbst wenn diese zweitrangig ist. Studien zum Thema klimafreundlicheres Verhalten von Unternehmen zeigen – auch wenn es hier um einen komplett anderen Kontext geht und eine Übertragung damit mit Vorsicht zu genießen ist –, dass klare, konkrete Aktivitäten deutlich zielführender sind als globale, abstrakte große Botschaften (Vorwurf „Greenwashing“). Es dabei zu belassen, hilft niemanden und enttarnt sich als Marketing-Hülle. Studien zeigen, dass Konsumenten ein feines Gefühl für solche Marketing-Hüllen haben. Gleiches mag auch im Kriegsfall gelten. Konzentrieren Sie sich also lieber auf konkrete Hilfsmaßnahmen, idealerweise solche, die Ihre Kernkompetenzen des Kerngeschäfts nutzen. Da sind Sie am stärksten.


Zweitens stellt sich die Frage, inwieweit das Tagesgeschäft einfach weitergehen kann. Die Forschung gibt auch hier einen Hinweis: Unternehmen sind in verschiedenen Stakeholder-Gruppen eingebettet. Andere Völker und ihr aktuelles Leid sind eine ganz zentrale Stakeholder-Gruppe und entsprechend sollten sich Unternehmen mit konkreten Hilfsaktivitäten für die Menschen und gegebenenfalls Mitarbeiter in betroffenen Gebieten beschäftigen. Die aktuellen Mitarbeiter in anderen, derzeit nicht betroffenen Ländern, sind aber auch Stakeholder. Auch wenn Sie im Vergleich zu den Menschen in der Ukraine in einer deutlich privilegierten Situation sind, sollten wir auch diesen Mitarbeitern Ängste nehmen, unter anderem vor ökonomischen Konsequenzen. Lassen wir uns zu sehr vom Tagesgeschäft ablenken, womöglich, ohne dass irgendein Mehrwert für irgendjemanden geschaffen wird, dann schaden wir noch mehr Stakeholdern. Zudem sollten wir realistisch sein: Ein kleines und mittleres Unternehmen hat – leider – nur einen sehr kleinen Hebel, um humanitäre Katastrophen auf der Welt zu adressieren. Aber: Es hat einen großen Hebel, in seinem Wirkungskreis aktiv zu werden, die eigenen Kompetenzen genau dafür zu nutzen und sicherzustellen, dass das Wohlbefinden und die ökonomische Sicherheit der eigenen Mitarbeiter nicht gefährdet wird.


Meine Überzeugung nach Reflexion über die bestehenden Forschungserkenntnisse ist nun, dass kleine und mittlere Unternehmen ihre Rolle realistisch einschätzen sollen. Suchen Sie konkrete Hilfsmöglichkeiten, die wirklich Menschen helfen. Bleiben Sie ökonomisch leistungsfähig und signalisieren Sie das Ihren Mitarbeitern. Und seien Sie realistisch: Das hilft mehr als abstrakte Botschaften in der Außendarstellung.

Der Innovator

Die Forschung schafft Wissen, die Praxis nutzt es – wenn dazwischen nur nicht ­immer so viel Interessantes verloren ginge. Unser Kolumnist ­Professor ­Andreas Engelen setzt sich für den gezielten Wissenstransfer von den Hochschulen in die Unternehmen zu betriebswirtschaftlichen Themen ein. Der Inhaber des Lehrstuhls für Management an der Heinrich-­Heine-Universität in Düsseldorf forscht mit seinem Team erfolgreich über Fragen des strategischen Managements, der Innovation und des digitalen Managements. Aktuell schlägt er in Projekten mit mehr als 20 Unternehmen die Brücke ­zwischen Theorie und Praxis – für seine Studierenden wie für Firmen.

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