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Mensch ärgere Dich nicht: Kultspiel feiert über 100 Jahre Erfolg

Von der Hutschachtel zum Millionenseller: Wie ein einfaches Brettspiel Generationen begeistert und zum deutschen Kulturgut wurde.

"Mensch ärgere Dich nicht" wurde zum festen Bestandteil der deutschen Populärkultur. Es erschien in Filmen, wurde von Politikern gespielt und hat einen Platz im Haus der Geschichte. Seit 2022 gibt es sogar eine Weltmeisterschaft.

Von Midia Nuri

Es springt als Erstes ins Auge, nachdem die knallrote, rechteckige metallene Box geöffnet ist: das auf Reisegröße gefaltete ­Quadrat aus Pappe. Aufgeklappt sind auf gelbem Grund die in einem gleichschenkligen Kreuz angeordneten schwarz umkreisten weißen Spielfelder zu sehen; in den vier Ecken je vier rote, grüne, gelbe und schwarze Kreise. Darunter Würfel und Figuren. Ob als klassisches Spielbrett oder auf Reise- oder Handtaschengröße gefaltet, „Mensch ärgere Dich nicht" kennt hierzulande fast jedes Kind und praktisch jeder Erwachsene. Wer hatte noch nicht die letzte Spielfigur am Ende einer ereignisreichen Runde fast im Ziel, nur um doch lustvoll von einer Mitspielerin rausgeworfen zu werden?

Lustvoll rauswerfen

Erfunden wurde es in München. Um seine drei Kinder zu beschäftigen, entwickelt der kaufmännische Angestellte Josef Friedrich Schmidt „Mensch ärgere Dich nicht" gegen Ende 1907 nach dem Vorbild von Brettspielen wie „Ludo" und „Eile mit Weile", die beide auf dem wohl 2000 oder gar 3000 Jahre alten indischen Brettspiel Pachisi beruhen. Das Spielfeld zeichnet Schmidt auf eine Hutschachtel, die Figuren schnitzt er aus Holzklötzchen. Einige strategische und taktische Finessen der Vorbilder lässt er weg. Stattdessen setzt sein „Mensch ärgere Dich nicht" dem Spielzeugmuseum Nürnberg zufolge auf kinderleichte Regeln mit Würfeln und Rauswerfen für einen schnelleren Spielverlauf. Fertig.

Erste Auflagen aus der damals noch privaten Werkstatt liefert Schmidt ab 1910 an Bekannte. Die gewerbliche Produktion startet Schmidt Spiele 1914, im Ersten Weltkriegsjahr. 3000 Exemplare spendet Schmidt damals an Armee und Lazarette. Frauen und Mütter schicken ihren kämpfenden Männern und Söhnen die Feldpostausgabe des Spiels an die Front. Auch nach dem Krieg begeistern sich die Deutschen an Schmidts Idee. 1920 liegt die Auflage des Spiels bei einer Million Exemplaren. Es bringt Heinz Rühmann und später Gerhard Polt im Film dazu, sich doch zu ärgern. Willy Brandt (SPD) wird 1957 mit seiner Familie einträchtig spielend am Wohnzimmertisch fotografiert. Das Exemplar bekommt einen Ehrenplatz im Bonner Haus der Geschichte.

2019 hatten 77 Prozent der Bundesbürger „Mensch ärgere Dich nicht" zu Hause – so häufig wie kein anderes Spiel. „Bei uns kam schonmal spontan ein Kamerateam der Tagesthemen vorbei, weil gerade zwei Stunden Leerlauf war", sagt Nils Jokisch, Marketingleiter bei Schmidt Spiele in Berlin. Regelmäßig finden Spielnachmittage und Turniere statt. Seit 2022 läuft alle zwei Jahre eine Weltmeisterschaft, zuletzt im November 2024 mit 220 Teilnehmern.

Titel und Spielfeld des Brettspiels hat das Unternehmen praktisch nicht verändert. Neben dem klassischen Brettspiel – für Kinder mit Tierfiguren – gibt es eine Variante mit großen Holzfiguren für Senioren, die Schlümpfe-Edition sowie seit dem 100-Jährigen 2014 ein „Mensch ärgere Dich nicht"-Kartenspiel. 2010 kam die App, von b-Interactive in Lizenz vertrieben. In ihr kann man auch Ritter über die Spielfelder ziehen lassen und gegen künstliche Intelligenz antreten. Inzwischen bietet Schmidt Spiele auch eine Ausgabe für eine Person. „Anstatt Gegner rauszuwerfen, gibt es dabei herausfordernde Level", sagt Jokisch.

Trotzdem bleibt das Spiel selbst weitgehend unverändert. Titel und Grafik sind markenrechtlich geschützt. Das Unternehmen dagegen ist mehr Wandel unterworfen, das auch nach dem Tod des Gründers 1948 wächst. 1970 fusioniert es mit dem Spieleunternehmen, das Sohn Franz gegründet hat. 1997 folgt dann der Konkurs. Die Marke „Schmidt Spiele", der Firmenmantel und die Rechte an „Mensch ärgere Dich nicht" und einigen anderen Spielen gehen an die Blatz-Unternehmensgruppe – heute Good Time Holding. Und die versorgt von Berlin aus die Fans mit Spielplan, Würfeln und Figuren.

Infobox: Mensch ärgere Dich nicht - Ein deutsches Kultspiel

 

"Mensch ärgere Dich nicht" ist eines der bekanntesten Brettspiele in Deutschland. Seit über 100 Jahren begeistert es Jung und Alt und hat sich zu einem echten Kulturgut entwickelt. Hier die wichtigsten Fakten im Überblick:

  • Entstehung und Verbreitung: Erfunden 1907 von Josef Friedrich Schmidt in München. Die gewerbliche Produktion begann 1914. Bis 1920 wurden bereits eine Million Exemplare verkauft. Heute besitzen 77% der deutschen Haushalte das Spiel.
  • Wirtschaftliche Bedeutung: Das Spiel war der Grundstein für den Erfolg von Schmidt Spiele. Trotz Unternehmensumstrukturierungen blieb die Marke erhalten und gehört heute zur Good Time Holding, die das Spiel weiterhin produziert und vertreibt.
  • Kulturelle Relevanz: "Mensch ärgere Dich nicht" wurde zum festen Bestandteil der deutschen Populärkultur. Es erschien in Filmen, wurde von Politikern gespielt und hat einen Platz im Haus der Geschichte. Seit 2022 gibt es sogar eine Weltmeisterschaft.
  • Modernisierung und Varianten: Neben dem klassischen Brettspiel gibt es inzwischen Versionen für Kinder, Senioren und sogar eine App. Das Grundkonzept blieb dabei weitgehend unverändert, was den zeitlosen Charme des Spiels unterstreicht.

 

 

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