Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > Auswirkungen des Coronavirus

Messeausfälle: Ein wichtiges Marketinginstrument ist lahmgelegt

Fast täglich gibt es Meldungen zu verschobenen oder abgesagten Messen. Die derzeitige Situation trifft nicht nur die Messebranche hart, sondern auch die mittelständischen Aussteller. Vor allem rechtliche Fragen beschäftigen zurzeit die Beteiligten.

Der Mittelstand hatte schon alles für die neue Digitalmesse vorbereitet. Vom 17. bis zum 19. März sollte bei der Twenty2x in Hannover ein wichtiger Sprung in Sachen digitale Transformation getätigt werden. „Ob KfW oder IDW, ZEW oder WHU, Banker, Berater oder Journalisten – dem deutschen Mittelstand wird in zahlreichen Studien und Analysen zum Thema nach wie vor meist Langsamkeit attestiert“, stellen die Messeveranstalter fest. In der zurückliegenden Woche gab die Deutsche Messe dann aber bekannt, dass die Eigenveranstaltung Twenty2x – wie auch viele andere Messen derzeit – aufgrund der Lungenkrankheit Covid-19 verschoben wird. Die Auflagen des Gesundheitsamtes seien von der Deutsche Messe kurzfristig nicht realisierbar. Die Digitalisierung wird also erst im Juni vorangetrieben.

Was zunächst nach einem schnell gelösten Problem klingt, endet für die Messewirtschaft in einem millionen- bis milliardenschwerem Schaden. Der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA) listet zum jetzigen Zeitpunkt bereits 55 abgesagte oder verschobene Messeveranstaltungen in Deutschland, weitere 429 Auslandsmessen sind betroffen. Der Fachverband Messe- und Ausstellungsbau (Famab) meldete diesen Montag zudem einen Umsatzschaden in Höhe von 870 Millionen Euro für den Messebau. „Im Falle der Light & Building waren viele Lkw schon fertig beladen oder sogar bereits vor Ort in Frankfurt“, führen die zur Klärung der Rechtslage beauftragten Rechtsanwälte in einem Bericht für den Famab an. Die Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik wird nun im Herbst stattfinden.

Ob Leistungen der Messebauer bereits ausgeführt und weiterhin werthaltig sind, ist hierbei einer von vielen Aspekten zur Ermittlung des Schadensersatzes. Die Rechtsanwälte äußern weiterhin, dass die Messebauer bei einer Absage oder Verschiebung ohne Vorliegen höherer Gewalt einen Anspruch auf die volle vertragliche Vergütung hätten. Doch bis dieser Anspruch bei den Ausstellern geltend gemacht werden kann, besteht bei den Betroffenen ein nicht gedeckter Liquiditätsbedarf, weshalb der Famab seine Mitglieder verstärkt über Förderinstrumente wie den KfW-Unternehmerkredit informiert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) meldete bei der Regierungspressekonferenz am vergangenen Montag ebenfalls, dass die Messebranche derzeit verstärkt Betriebsmittelkredite und Finanzierungsinstrumente anfragt. Bei der vom BMWi für solche Nachfragen eingerichtete Hotline gehen ungefähr 100 bis 130 Anrufe pro Tag ein, meistens von Klein- und Kleinstunternehmen, die in der Messebranche aktiv sind.

Folgen für die Aussteller

„Wir werden den Sensordaten-Übermittler io-key auf der Hannover Messe am Stand der Software AG präsentieren und sind froh, dass die Messe nur verschoben und nicht komplett abgesagt wurde“, berichtet der Marketingverantwortliche Philipp Boehmert von Autosen. Das Sensorik-Unternehmen könne die meisten Kostenstellen einfach verlagern. Doch der neue Messetermin liegt im Juli und fällt somit in die Urlaubszeit. Die Aussteller haben ab Bekanntgabe der Verschiebung zwei Wochen Zeit, um ihre Teilnahme zu stornieren. In diesem Fall würden 75 Prozent der gezahlten Standgebühren rückerstattet werden, meldet die Frankfurter Allgemeine Zeitung am vergangenen Donnerstag. Für Leistungen, die bei Dritten gebucht wurden wie Catering- oder Reisekosten, kommt die Deutsche Messe nach eigener Aussage aber nicht auf. Der auf Veranstaltungsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Martin Glöckner rät beiden Seiten, also Ausstellern und Dienstleistern, die Verträge nun sinnvoll anzupassen, denn „selbst wenn man sich schwer tut, den Fall höherer Gewalt anzunehmen, so kann man vorliegend doch von einer ernsthaften Störung der Geschäftsgrundlage oder deren Wegfall nach § 313 BGB ausgehen“. Eine Anpassung an die aktuelle Lage wäre demnach beispielsweise, dass die Hotelzimmer gegen eine deutlich geringere Stornierungsgebühr auf den neuen Zeitpunkt der Veranstaltung umgebucht werden.

Martin Glöckner zur Rechtslage der höheren Gewalt bei Veranstaltungen

 

„Unter höherer Gewalt wird ein Ereignis verstanden, das von außen kommt und sich auf ein bestehendes Vertragsverhältnis auswirkt und das auch bei aller zumutbaren Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Bei einer behördlichen Untersagung der Veranstaltung kann man daher durchaus von höherer Gewalt sprechen.

 

Erfolgt die Absage jedoch, weil die Behörde so hohe Auflage an die Durchführung stellt, dass der Veranstalter diesen unmöglich nachkommen kann, so liegt eventuell noch kein Fall der höheren Gewalt vor. Eine Absage aus solch einem Grund kommt dem Tatbestand der höheren Gewalt aber zumindest sehr nahe. Die Durchführung der Veranstaltung würde faktisch, technisch und/oder wirtschaftlich unmöglich. Da es aber so oder so niemanden gibt, der die Absage tatsächlich verschuldet hat, trägt auch niemand die Haftung hierfür. Die Folge ist, dass bestehende Verträge rückabgewickelt werden können und bereits erhaltene Leistungen, wie etwa Standgebühren, zurückgezahlt werden müssen. Einen Schadensersatzanspruch für weitere Kosten haben die Vertragsparteien aber nicht gegeneinander.

 

Bei einer Verlegung sind die Folgen jedoch etwas anders, als bei der vollständigen Absage der Veranstaltung. Wenn die Veranstaltung wie zum Beispiel eine Messe verschoben wird, bietet der Veranstalter weiterhin seine Leistung an. Der Aussteller kann weiterhin an der Messe teilnehmen, lediglich zu einem anderen Termin. Die Verlegung der Veranstaltung ist, gegenüber der tatsächlichen Absage, das mildere Mittel, da durch sie das Vertragsverhältnis zwischen dem Veranstalter und den Teilnehmern, insbesondere den Ausstellern, auch weiterhin Bestand hat.“

 

Martin Glöckner ist Partner der Kanzlei Glöckner Keller Rechtsanwälte in Nürnberg, im Veranstaltungsrecht spezialisiert und Justiziar des Fachverbandes Messen und Ausstellungen.

Ähnliche Artikel