
In Zeiten knapper Personalressourcen und voller Auftragsbücher stehen Messebesuche immer häufiger auf dem Index vielbeschäftigter Unternehmer. Für Aussteller ist das eine schlechte Nachricht, denn sie erreichen immer weniger Neukunden mit ihren Ständen.
Um dem Trend entgegenzusteuern, bieten viele Messeveranstalter ein zusätzliches Rahmenprogramm aus Vorträgen und Diskussionsforen an. Damit wollen sie Messen inhaltlich aufladen. Für Mittelständler sind diese Formate nicht nur als Zuhörer interessant. Als Referenten können sie mitwirken und so geschickt Aufmerksamkeit auf ihr Unternehmen lenken.
Fachlich hochwertiger Austausch
Stefan Nitsche ist unter den Referenten auf Fachtagungen ein alter Hase. Der Produktmanagement-Leiter von Hainbuch, einem Hersteller von Spannmitteln, stellt jedes Jahr auf 80 Industriemessen und Hausausstellungen aus und entsendet zu vielen dort stattfindenden Fachforen Referenten. Mit seinen Komponenten beliefert Hainbuch unter anderem Kunden der Automobilbranche, Luft- und Raumfahrt sowie der Medizintechnik.
Entsprechend vielfältig sind die Themen, zu denen Nitsche und seine Kollegen referieren. In der Vergangenheit sprachen sie etwa beim „MAV Innovationsforum“ für Bearbeitungs- und Automatisierungstechnik, beim „Getpro“-Kongress für Getriebeproduktion und beim „Forum Werkstückspanntechnik“.
„Die Ebene, auf der wir uns bei solchen Foren mit potentiellen Kunden unterhalten, ist fachlich sehr hoch und unterscheidet sich insofern von der Mehrheit der Gespräche am Messestand“, berichtet Nitsche. Während auf dem Messefloor häufig Vertriebler unterwegs seien und an Ständen stünden, tauschten sich bei Fachforen Produkt- und Entwicklungsverantwortliche technologisch aus.
Auch Hainbuch entsendet daher immer Leute vom Fach. „Der Fokus liegt immer auf qualifiziertem Wissensaustausch, eine reine Produktpräsentation bringt weder uns noch den Zuhörern etwas“, urteilt Nitsche: „Wir profitieren von dem Austausch, den unsere Vorträge initiieren.“
Zuhörer melden sich noch Jahre später
Selbst Zuhörer, die nicht sofort in Kontakt zu ihm träten, könne das Unternehmen durch die Referententätigkeit als Kunden gewinnen, freut sich Hainbuch-Produktmanagement-Leiter Stefan Nitsche: „Manchmal ruft ein Industrieunternehmer bei uns an und sagt: ‚Ich habe vor Jahren einen Vortrag von Ihnen über Spanntechnik gehört. Jetzt haben wir einen Anwendungsfall, können wir uns mal treffen?‘ Der Vortrag wirkt also lang nach.“
Um als Referent die Bühne nutzen zu können, müssen Unternehmer gut vernetzt sein. Denn die Vortragsslots werden vom Veranstalter zugeteilt, er spricht mögliche Referenten an und lädt sie aktiv ein. Unternehmen, die etwa in Verbänden organisiert sind, erhalten folglich häufiger die Chance, bei Fachforen aufzutreten, als andere. So ist der Spannmittelhersteller Hainbuch als Industriezulieferer in mehreren Verbänden Mitglied und wird häufig angefragt.
Vorbereitung und Abwicklung unkompliziert
Die Teilnahme an kleinen Formaten hält Nitsche für sinnvoller als große Rahmen. „Bei großen Tagungen sprechen de facto nur Großunternehmen“, kritisiert er. „Deren Informationen sind qualitativ auch hochwertig, aber für den Mittelstand und viele unserer Kunden nicht so einfach umsetzbar. Für mich als Besucher ist solch ein Vortrag daher nicht so wertvoll wie der eines anderen Mittelständlers.“
So kompliziert es sei, Referent bei Fachtagungen zu werden, so unkompliziert seien Vorbereitung und Abwicklung vor Ort, berichtet Nitsche. Typischerweise sei der Auftritt kostenlos, nur wenige Spezialveranstaltungen verlangten Gebühren vom Referenten. Der zeitliche Aufwand sei gering, da er ohnehin auf der Messe sei.
Herauszuhören ist zudem: Je besser der Draht zum Veranstalter ist, desto eher können referierende Unternehmensvertreter das Zeitfenster wählen. Wer also aus Erfahrung weiß, zu welcher Tageszeit am Stand weniger los ist, kann es entsprechend timen.
Kongress, Fachtagungen und Forumsstände
Grob gesagt, gibt es drei unterschiedliche Vortragsformate im Rahmen von Industriemessen, an denen Mittelständler als Referenten mitwirken können.
- Der Kongress ist eine eigene Veranstaltung neben der Hauptveranstaltung, groß und marketingwirksam, wird separat beworben, und Besucher müssen möglicherweise ein Extraticket lösen, um daran teilzunehmen. Er besteht aus mehreren parallelen Vortragsslots und findet in Räumlichkeiten am Rande der eigentlichen Messe statt. Die Sichtbarkeit der Referenten eines Kongresses ist groß. Jedoch binden Kongresse, die an den Messetagen selbst stattfinden, die Besucher und Vortragenden zeitlich und ziehen sie räumlich vom Messefloor weg. Das empfinden Aussteller nicht als Bereicherung, sondern als Konkurrenz.
- Fachtagungen finden in kleinen Räumen statt, die an die Messehalle grenzen oder Teil von ihr sind. Auch dieses Format konkurriert mit der eigentlichen Ausstellung um die Fachbesucher. Die Visibilität der Referenten ist ebenfalls groß, da sie in Programmbroschüren namentlich und mit Unternehmenslogo auftauchen. Allerdings finden in den meist kleinen Vortragsräumen höchstens 100 Zuhörer Platz. Daher hat eine Fachtagung auf die Standpopulation einen weniger negativen Einfluss. Nur der Vortragende fehlt auf dem Unternehmensstand, wenn die Messe gut läuft.
- Forumsstände von Verbänden oder Verlagen sind Teil des Messefloors. Sie werden im Vorfeld der Messe ebenfalls eigenständig beworben, insofern bieten auch sie mitwirkenden Unternehmen im Vorhinein eine Werbefläche. Zudem ist hier der Kontakt zu Fachbesuchern am engsten. Bewährt haben sich Formate, bei denen Anbieter relativ kurze Impulsvorträge zu Themen und Technologien halten, die bilateral vertieft werden können. Sie sollen ergänzend statt konkurrierend zur Ausstellung wirken, zwischen Anbietern und Fachbesuchern das Eis brechen und einen zusätzlichen Sog hin zu den Ständen bewirken.
Quelle: Alfred Graf Zedtwitz, VDMA Präzisionswerkzeuge