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Mindestlohn - Falsche Signale von Olaf Scholz

Was kümmert Politiker fest vereinbarte Regeln, wenn Aussicht auf ein paar zusätzliche Stimmen besteht? Offenbar wenig.

Sein damaliges Versprechen für den Mindestlohn hat er gehalten, und auch jetzt mischt sich Olaf Scholz in die Debatte ein und bringt einen Mindestlohn von 15 Euro ins Gespräch. Bildnachweis:picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

Wohl aus diesem Grund hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Anhebung des Mindestlohns erst auf 14 und dann auf 15 Euro ins Spiel gebracht. Seine Hoffnung: Das populäre Thema möge der SPD bei den anstehenden Wahlen mehr Zustimmung bescheren. Immerhin hat das Manöver ja schon einmal geklappt. Seine Forderung, den Mindestlohn auf zwölf Euro anzuheben war mitentscheidend, dass Scholz heute im Kanzleramt sitzen kann.

Doch Scholz ist heute nicht mehr ein Kandidat sondern Regierungschef. Darum so ein populistischer Vorstoß verheerend. Der Kanzler bricht erneut das Versprechen, dass sich die Regierung aus der Lohnfindung heraushält. Schon als 2015 Andrea Nahles – ebenfalls SPD - die Mindestvergütung gesetzlich verankern ließ, war von einem einmaligen Eingriff die Rede. Die weitere Entwicklung sollte eine Kommission aus Arbeitgeber, Gewerkschaften und zwei Wissenschaftlern bestimmen. Tatsächlich hat aber die Bundesregierung selbstherrlich immer wieder an der Preisschraube gedreht und in den vergangenen zwei Jahren den Mindestlohn von 10,45 auf 12,41 Euro erhöht. Die nächste Erhöhung auf 12,82 soll 2025 folgen. Das sind 22,7 Prozent innerhalb von drei Jahren. Jetzt bringt der Kanzler sogar 15 Euro ins Spiel. Aber auch Grüne und der Sozialflügel der CDU finden solche Ansinnen schick. Offenbar interessiert wenig drum, dass solche Manöver das Entgeltgefüge quer durch alle Branchen beeinflusst und automatisch die nächste Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt – Und das Mitten in der Rezession.

Die Gewerkschaften haben den Vorstoß des Kanzlers begrüßt, denn er nimmt ihnen ein Teil der kommenden Tarifverhandlungen ab. Doch ist das sehr kurz gedacht. Eigentlich müssten die Gewerkschaften dem Treiben der Politik einen Riegel vorschieben. Denn sie verlieren am Ende an Bedeutung, wenn die Löhne in Berlin diktiert werden. Was hier geschieht, ist es ein Angriff auf die Tarifautonomie. Die baut auf die Koalitionsfreiheit auf, die das Grundgesetz in Artikel neun sichert. Vor allem aus Sicht der Gewerkschaften geht es also ums Grundsätzliche. Ihre Zustimmung ist also das falsche Signal.

Aber auch die Arbeitgeberseite nimmt die Eingriffe der Politik erstaunlich träge hin. Natürlich schimpft Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger pflichtschuldigt über das Ansinnen des Kanzlers. Doch das war es aber auch schon. Die Verbände haben in den vergangenen Jahren bemerkenswert wenig gegen die wiederholten Markteingriffe der Politik unternommen. Das sorgt inzwischen an der eigenen Basis für heftigen Unmut. Immer mehr Unternehmer – vor allem im Mittelstand – haben kein Verständnis mehr, dass die eigene Vertretung in Berlin so wenig die Zähne zeigt. Das Schweigen der Verbände ist auch ein falsches Signal, denn es hat die Politik ermuntert noch mehr ins Wirtschaftsgefüge einzugreifen.

Im vergangenen November sind in Ulm Unternehmen und Mitarbeiter gemeinsam auf die Straße gegangen, um gegen immer mehr Bürokratie, Vorschriften und Belastungen zu protestieren. Eine Sogwirkung hat das jedoch nicht ausgelöst. Doch Schweigen ist das falsche Signal. Anstatt zu resignieren oder gar Populisten hinterherzulaufen sollten Arbeitgeber, Gewerkschaften und nicht zuletzt die Bürger gemeinsam der Politik deutlich machen, dass jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Das ist ein wichtiger Bestandteil einer lebendigen Demokratie. Es wird also Zeit, dass sich die Funktionäre aus ihren Plüschsesseln bequemen und lautstark die Interessen ihrer Betriebe und Gewerkschaftsmitglieder vertreten. Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht Entlastungen auf breiter Front. Sonst verlagern die Unternehmen noch mehr ins Ausland und noch mehr Stellen fallen weg. Erst recht die in den unteren Lohngruppen.

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