Mit Einkaufsallianzen lässt sich viel Geld sparen
Auch für Mittelständler können Einkaufskooperationen strategisch sinnvoll sein. Doch bei einer engen Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen lauern auch Gefahren. Wie gehen Unternehmen die Beschaffung gemeinsamer Waren richtig an?
Das Prinzip das kleine Wirtschafts-Einmaleins: Wer große Mengen einkauft, bekommt bessere Preise. Das wusste schon Herr Lohse in „Loriots Pappa ante Portas“. Auch kleine und mittlere Unternehmen können ihre Einkaufskosten erheblich senken, wenn sie gemeinsame Sache machen .Dank der stärkeren Verhandlungsposition können Allianzen bei ihren Lieferanten deutlich günstiger wegkommen. Besonders geeignet für Einkaufskooperationen sind Warengruppen und Leistungen wie Logistik, Verpackung, Druckereiprodukte, Fuhrpark oder Telekommunikationsbedarf.
Aber auch Dreh- und Frästeile für die Produktion und Versicherungen können gebündelt beschafft werden. „Oft sind die mittelständischen Unternehmen hervorragend aufgestellt, wenn es um die Beschaffung der produktionsrelevanten A-Teile geht“, sagt Torsten Pirdzun. Der Direktor des Kompetenzzentrums für indirekte Beschaffung beim Unternehmensberater Inverto sieht allerdings noch Potential bei der gemeinsamen Beschaffung von B- und C-Teilen, die einen mittleren oder geringen Ergebnisbeitrag haben.
Erhebliche Einsparungen möglich
Der Wechselrichterhersteller SMA Solar kauft seit 2015 zusammen mit seinem dänischen Partner Danfossein. Vor zwei Jahren hatte sich der Hersteller von Thermostatventilen und Frequenzumrichtern mit 20 Prozent an SMA Solar beteiligt. Der Umsatz des einstigen Stars des deutschen Solarmarktes war innerhalb weniger Jahre um die Hälfte eingebrochen – die Fixkosten mussten runter. „Wir haben unsere Lieferantenstrategien harmonisiert und verstärkt bei gemeinsamen Lieferanten eingekauft“, sagt eine Sprecherin von SMA Solar.
Möglich war dies, weil die beiden Unternehmen zusammen eine genügend große Anzahl gleichartiger Produkte für die Einkaufsallianz gefunden haben. Sie umfasst mehr als ein Dutzend verschiedene Warengruppen. Noch im Gründungsjahr stieß auch der finnische Wechselrichterhersteller Vacon dazu, den Danfoss zuvor komplett übernommen hatte. „Durch die Bündelung von Bedarfen konnten wir die Beschaffungspreise für alle drei Unternehmen bereits senken“, so die Sprecherin weiter. In welchem Umfang, darüber gibt SMA Solar keine Auskunft. Betriebsgeheimnis.
Einkaufskooperationen können verschiedene Formen haben. Neben Unternehmen, die sich innerhalb einer Branche zusammentun, können auch Betriebe aus unterschiedlichen Bereichen zusammenarbeiten. Daneben können auch Unternehmen eines Gewerbegebietes zusammen einkaufen beziehungsweise Unternehmen, die in einem bestimmten Land einkaufen. Hier hat in den vergangenen Jahren inbesondere das China-Sourcing an Bedeutung gewonnen. Eine im Mittelstand noch selten zu beobachtende Kooperationsform ist der Einkauf von Unternehmen unter dem Dach einer Holding. So versucht etwa ein großer amerikanischer Private-Equity-Investor Kosten zu sparen. Die deutschen Private-Equity-Häuser Deutsche Beteiligungs AG und Hannover Finanz nutzen diese Möglichkeiten bisher noch nicht, wie es auf Nachfrage hieß.
Einsparungen in Milliardenhöhe
Wie hoch die Einsparungen durch Einkaufskooperationen ausfallen können, zeigt sich in der Automobilbranche. Schon früh haben die großen Fahrzeughersteller angefangen, ihren Einkauf nach Rentabilitätskriterien zu optimieren. 2008 begannen etwa Daimler und BMW unter anderem, Fensterheber, Sitzgestelle sowie Zugangssysteme gemeinsam einzukaufen. Obwohl die beiden Autobauer Konkurrenten im Premiumsegment sind, ist der gemeinsame Einkauf dennoch sinnvoll. Denn beiden genannten Komponenten handelt es sich freilich nur um solche, die modellunabhängig und damit auch nicht markenrelevant oder produktdifferenzierend sind.
Zusammen mit dem Lehrstuhl für Allgemeine BWL und Wirtschaftsinformatik an der Uni Stuttgart hat die Hochschule Esslingen schon 2009 errechnet, dass die so erzielten Einsparungen bei einem Einkaufsvolumen von 50 Milliarden Euro mehrere Hundert Millionen betragen, mittelfristig sogar rund eine Milliarde Euro. Ein modernes Auto besteht zu rund 80 Prozent aus Zulieferteilen. Die Einkaufskooperation von Daimler und BMW soll in Zukunft sogar ausgebaut werden. Das sagte BMW-Vorstand Markus Duesmann Mitte Januar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.), zu deren Verlagsgruppe auch „Markt und Mittelstand“gehört. Duesmann ist bei BMW für Einkauf, Qualität, Logistik, Kaufteile, Komponentenfertigung und Kostenanalyse verantwortlich. „Der Einkauf ist ein Vierkampf: Wir müssen die Kosten im Blick habe nbei gleichzeitig steigenden Qualitätsansprüchen der Kunden. Wir müssen die Lieferfähigkeit sicherstellen und haben den Anspruch, innovativer Autohersteller zu bleiben“, sagte der Manager der F.A.Z.
Vertrauen als notwendige Basis
Die Schaffung einer Einkaufsallianz kann aus ökonomischen Erwägungen heraus grundsätzlich sinnvoll sein. Sie kostet aber viel Zeit, da sie in der Regel die Gründung eines eigenen Büros notwendig macht. Zudem fallen zusätzliche administrative Kosten an. Steht die Kooperation aber erst einmal, bietet sie auch Netzwerkvorteile in Sachen Know-how-Transfer: So können die beteiligten Unternehmen nicht nur beim gemeinsamen Einkauf sparen, sondern sich darüber hinaus über neue Trends und Marktbedürfnisse austauschen. Neue Kontakte zu Firmen aus derselben Branche können zudem den Vertrieb unterstützen.
Nicht alle Einkaufskooperationen sind jedoch automatisch ein Erfolgsmodell. Nach Schätzungen von Experten scheitern rund acht von zehn Industrieallianzen. Was sind die Gründe dafür? Zwei potentiell problematische Faktoren sind dabei Datenschutz und Vertrauen. „Alles funktioniert nur über Vertrauen von Mensch zu Mensch“, erklärt Martin Glatz, Leiter Verkauf, Marketing, Forschung und Entwicklung bei dem Verpackungshersteller Karl Knauer. Ohne eine Öffnung der Partner und einen entsprechenden Rückhalt der Geschäftsführung seien Kooperationsprojekte im Einkauf chancenlos.
15 Teilnehmer als Grenze
Vertrauen ist insbesondere notwendig, um eine Allianz mit Wettbewerbern zu starten. Denn dadurch erhalten Konkurrenten Einblick in die Einkaufsprozesse und -volumen. „Man verliert eine gewisse Eigenständigkeit“,berichtet Glatz. Gerade die Auswahl von Warengruppen und Lieferanten bedarf unbedingt einer Abstimmung im Verbund. Im Fall von SMA Solar und Danfoss konnten diese Aufgaben allerdings ohne größere Probleme bewältigt werden. Durch die Beteiligung hatten die Dänen ohnehin schon intime Einblick in die Zahlen des Wechselrichterherstellers bekommen.
Ein weiterer entscheidender Faktor für den Erfolg ist ein Umverteilungsschlüssel. Dieser regelt, welches Unternehmen in welcher Weise von den entstehenden Vorteilen profitiert. Je mehr Unternehmen beteiligt sind, desto problematischer wird diese Gleichung allerdings. Experten sagen, dass eine Verteilung der Gewinne über 15 Unternehmen praktisch nicht möglich ist. In der Praxis würden Einkaufskooperationen dann in Subcluster von zwei bis drei Unternehmen zerfallen.
Von der Einkaufskooperation zum Kartellverdacht
Auch wer mit einer Einkaufskooperation einen zu starken Druck auf die Lieferanten ausübt, muss vorsichtig sein. Der Lieferant kann sich dann im Gegenzug weigern, bei einer Ausweitung der Liefermenge mitzuziehen. Oftmals werden im Zuge von Einkaufsallianzen Lieferanten ausgelistet – zum einen weil sie neue Preisziele nicht mitgehen wollen, zum anderen weil sich damit noch mehr Umsatz bündeln lässt. Damit steigt aber auch die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten. Die Folge: Das Risikomanagement verteuert sich erheblich.
Selbst erfolgreiche Einkaufskooperationen können scheitern – und zwar dann, wenn sie zu gut laufen. Unter dem Namen Copaco hatten sich 1971 zunächst vier mittelständische Unternehmen aus der Verpackungsbranche zusammengeschlossen. Was als Einkaufsallianz begann, entwickelte sich zu einer umfassenden Marktkooperation. Die Unternehmen kauften Karton, Farben, Lacke, Druckplatten bis hinzu Produktionsmaschinen zusammen ein. Die daraus entstandene Ballung – rund 40 Prozent des gemeinsamen Einkaufsvolumens liefen über das Bündnis – sah das Bundeskartellamt zunehmend kritisch. 2012 wurde Copaco aufgelöst, eine Weiterführung der Kooperation kam nicht mehr zustande.
Daran scheitern Einkaufskooperationen
- Falsche Erwartungen bei den Teilnehmern können schnell zu einer Verweigerungshaltung bei den Beteiligten führen. Wenn Spielregeln und Kommunikation nicht eindeutig sind, kommt die Einkaufsallianz schnell an ihre Grenzen.
- Durch die Zusammenlegung der Warengruppen entsteht eine größere Komplexität. Diffuse Bestellvorgänge oder Absprachen erkennen die Lieferanten und können Einkaufsallianzen – je nach Professionalität – unterschiedlich hohe Preisnachlässe gewähren.
- Wenn sich die Unternehmen nicht finanziell in der Allianz engagieren ist sie auch nur eingeschränkt handlungsfähig. Das verringert wiederum Verhandlungsspielräume.
- Lieferanten suchen beim Kunden einen direkten Ansprechpartner und versuchen, an der Kooperation vorbei direkt mit dem Unternehmen zu verhandeln. Eine solche versuchte Vorteilsnahme würde den Partnern sauer aufstoßen.
- Die Partner beäugen sich kritisch. Misstrauen, gerade auch im Hinblick auf die Datensicherheit, unterminiert die Allianz.
Das macht Einkaufsallianzen erfolgreich
- Gleiche Bedarfe sind Voraussetzung für jede Einkaufsallianz. Jemehr Überschneidungen es bei den Produkten oder Dienstleistungen gibt, desto einfacher wird eine gemeinsame Beschaffung.
- Die Partner profitieren nicht im gleichen Umfang. Bei gleichen Produkten werden unterschiedlich hohe Einsparungen für die Partner realisiert. Deshalb sollte ein Verteilungsschlüssel die Umverteilung regeln. So können Ungerechtigkeiten verhindert werden.
- Sanktionsmechanismen müssen an veränderte Umstände angepasst werden. Wenn ein Unternehmen einen Lieferanten auslisten soll, muss die Umsetzung gewährleistet sein. Schließlich entsteht durch die Auslistung ein hoher Aufwand.
- Einbindung des Topmanagements: Das mittlere Management kann weniger Erfolge für seine Arbeit vorweisen, wenn die Einsparungen über die Allianz verbucht werden. Die Geschäftsführung muss dafür sorgen, dass das mittlere Management dennoch mit der Allianz kooperiert.
- Eine permanente und professionelle Kommunikation untereinander verhindert Missverständnisse. Hilfreich ist auch der Austausch von Best-Practice-Beispielen.
Der Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 7-8/2017. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.