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Zukunftsmärkte > Lieferketten

Mittelständler krempeln ihre Lieferkette um

Unternehmen ziehen die Konsequenz aus gerissenen Lieferketten und politischen Unruhen: Jede dritte Firma will sich stärker auf Europa fokussieren. Vor allem die Großen kehren China als Lieferant für Vorprodukte den Rücken zu. Die USA gewinnen.

Lieferkette auf vietnamesisch: In Deutschland sortiert der Mittelstand seine Produktion neu. © Wikipedia.com

Mit Blick auf heikle Lieferketten will jedes dritte Unternehmen in Deutschland vor allem das Geschäft in Europa ausbauen. Das geht aus einer repräsentativen Erhebung der DZ Bank unter mehr als 1000 Geschäftsführern und Entscheidern hervor. So werden Ost- und Mitteleuropa in den Lieferketten der Mittelständler eine größere Rolle spielen als bisher. Mehr als jeder Fünfte unter den Befragten gab an, dass Länder wie Polen, Tschechien und die Slowakei an Bedeutung gewinnen werden, was die Versorgung mit Vorprodukten sowie die Abnahme von Endprodukten anbelangt. Insbesondere die Chemieindustrie sieht in Ost- und Mitteleuropa gute Chancen. Bereits heute ist jeder dritte Mittelständler der Befragung zufolge abhängig von dieser Region – im Agrarsektor ist es sogar jeder Zweite.

Zwei Drittel gaben in der Befragung an, künftig auf ein verbreitertes Lieferantennetzwerk zu setzen. Mehr als die Hälfte der Firmen will zudem die Lagerkapazitäten ausbauen, um Engpässe bei Vorprodukten zumindest für eine gewisse Zeit über die eigenen Vorräte ausgleichen zu können. Darüber hinaus denkt fast jeder dritte Mittelständler darüber nach, sein Geschäftsmodell anzupassen. Der Befragung zufolge erwägen 38 Prozent ihre Produktion anzupassen, um auf diese Weise Abhängigkeiten in der Wertschöpfungskette zu verringern.  „Dass der Mittelstand verstärkt auf Europa setzen will, ist ein gutes Zeichen für den Standort und trägt zu dessen wirtschaftlicher Unabhängigkeit bei“, meint Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ Bank. „Damit stabile Lieferketten innerhalb Europas gewährleistet sind, muss die Leistungsfähigkeit des Kontinents sichergestellt sein. Dazu gehören wettbewerbsfähige Energiepreise und ein klarer Transformationspfad hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft, der die Unternehmen aber nicht überfordert.“  

Die Mittelständler ziehen unter anderem die Konsequenz aus den Problemen mit Lieferungen aus China und den politischen Unsicherheiten in der Region. So hatte der Maschinenbauer Trumpf kürzlich angekündigt, sich nach anderen Lieferanten außerhalb dieses Landes umschauen zu wollen, um die Bedeutung dieses Liefermarkts reduzieren zu können. Insgesamt sind von der Lieferkette aus und nach China derzeit mehr als ein Drittel der Mittelständler abhängig. Den Rückzug von dort streben der Befragung zufolge 16 Prozent der größeren Unternehmen ab 50 Millionen Euro Jahresumsatz an. Unter den kleineren mit bis zu fünf Millionen Euro Jahresumsatz geht allerdings fast noch jeder Fünfte davon aus, China künftig stärker in die Lieferketten zu integrieren. 

Rund 15 Prozent der Unternehmen gaben an, dass Großbritannien nach dem vollzogenen Brexit künftig eine kleinere Rolle in ihren Lieferketten spielen wird als bisher. Lediglich vier Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Bedeutung Großbritanniens in den kommenden Jahren zunimmt. In diesem Jahr wird das Vereinigte Königreich erstmals in der jüngeren Geschichte aus den Top Ten der deutschen Handelspartner fallen. Das geht aus einer Analyse der bundeseigenen Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) hervor. Neben den Folgen der Corona-Pandemie und der Rezession in Großbritannien würden vor allem die zusätzlichen Zollformalitäten den Handel ausbremsen. Für deutsche Unternehmen interessant seien Branchen, die sich trotz der Wirtschaftsprobleme deutlich stärker entwickelt haben. Dazu zählten das Gesundheitswesen, die Offshore-Windenergie und der Infrastrukturbau.

Bedeutung der USA steigt

Für die Lieferketten der Mittelständler gewinnen laut DZ-Umfrage die USA an Bedeutung. So wird das Land für 15 Prozent der Unternehmen in den kommenden fünf Jahren eine größere Rolle in den Handelsbeziehungen spielen. Dies gilt vor allem für große Industriebranchen wie die Elektroindustrie, der Chemiesektor sowie der Metall-, Automobil- und Maschinenbau. Insbesondere größere Mittelständler wollen den USA einen größeren Stellenwert beimessen. Für Berghaus gibt einen eindeutigen Trend, dort zu produzieren, wo die Produkte später auch verwendet werden: „Auch damit rüsten sich die Firmen gegen Geschäftsausfälle. Das ist insbesondere in Zeiten, in denen die Abschottung einzelner Nationen droht, essenziell.“

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