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Mittelstand will, dass Habeck sich einmischt

Der Mittelstand ist sauer über die Ampelregierung. Er fordert: Der Wirtschaftsminister soll sich gegen Bürokratie und für Flexibilität stark machen.

Robert Habeck (Grüne)
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) soll sich gegen Bürokratie und für Flexibilität stark machen. Bild: picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Keine Fachkräfte, zu wenig Hilfen gegen den Energiepreisschub, aber dafür immer mehr Bürokratie: Der Mittelstand ist alles andere als zufrieden mit der Ampelregierung. Ein Gipfel im Wirtschaftsministerium sollte es richten. Die Forderung: Der Wirtschaftsminister soll sich gegen Bürokratie und für Flexibilität stark machen. Doch die Erwartungen lagen über den Ergebnissen.

„Wir haben uns ausgetauscht und hoffen, dass etwas hängen geblieben ist“, meint ein eher ernüchterter Verbandssprecher nach dem „Mittelstandsgipfel, bei dem sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin mit Vertretern von 40 Verbänden ausgetauscht hat. Das Treffen brachte offenbar so wenig Zählbares zu Stande, dass weder Ministerium noch die Verbände etwas zu vermelden gefunden haben. Im Vorfeld hatten vor allem Handel und Dienstleister auf die die Probleme der kleinen und mittelgroßen Unternehmen hingewiesen. Im Mittelpunkt der Beratungen standen die hohen Energiepreise, der Fachkräftemangel und die Belastung durch die zunehmende Bürokratie.

Aus Sicht der Verbände ist die Notwendigkeit, etwas gegen die Belastung durch die gestiegenen Energiekosten zu tun, enorm. Das bestätigt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Demnach gehen die staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Entlastung von den hohen Energiekosten an jedem zweiten Unternehmen weitgehend vorbei. Nur drei Prozent der Betriebe erachten die Angebote als wirksam. Knapp jedes dritte Unternehmen beklagt hingegen, dass die Maßnahmen bei ihnen gar nicht ankommen. Weitere 21 Prozent sprechen von einer geringen Wirksamkeit der staatlichen Hilfsangebote. Am häufigsten kritisieren die Unternehmen eine mangelnde Zielgenauigkeit und komplizierte Verfahren. Besonders kleine Betriebe leiden unter den bürokratischen Hürden, was auch erklärt, warum so viele von ihnen keine Hilfsmaßnahmen erhalten haben.

Der Wirtschaftsminister verwies bei dem Treffen auf sein Konzept für einen Industriestrompreis. Der solle insbesondere energieintensiven Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, Planungssicherheit geben. Fast 40 Prozent dieser Unternehmen gehören zum Mittelstand, so rechnet das Wirtschaftsministerium vor. Außerdem sollen die Netzentgelte für die Belieferung der Industrie mit Erneuerbaren Energien in räumlicher Nähe gesenkt werden. So könnten Industrie und Gewerbe von lokal erzeugtem Strom aus Erneuerbaren Energien profitieren.

Mehr Flexibilität statt Vier-Tage-Woche

Auf dem Mittelstandsgipfel in Berlin forderte Michael Heinz, Präsident des Bundesverbandes der Dienstleistungswirtschaft (BDWi), Habeck auf, sich stärker in die arbeitsmarktpolitischen Debatten einzumischen. Das gelte für den Fachkräftemangel, das Arbeitszeitgesetz, den Mindestlohn und die Lohnnebenkosten im Rahmen der Reform der sozialen Sicherungssysteme. „Wir haben eine Diskussion zur Vier-Tage-Woche - bei Arbeitskräftemangel. Unsere Mitglieder brauchen aber mehr Flexibilität. Darum würden wir es sehr begrüßen, wenn sich Bundeswirtschaftsminister Habeck im Rahmen der laufenden Gesetzgebung zur Arbeitszeit für eine Abkehr von einer Tagesarbeitszeit hin zu einer Wochenarbeitszeit stark machen würden“, so Heinz.  

Der Einzelhandel mahnt bessere Rahmenbedingungen für die Branche an. „Ansonsten droht am Ende die Verödung ganzer Stadtzentren“, warnt HDE-Präsident Alexander von Preen. Weit mehr als 90 Prozent der Unternehmen im Einzelhandel gehörten zum Mittelstand. Die Nachwirkungen der Corona-Krise und die in der Folge der hohen Inflation schlechte Konsumstimmung träfen diese Unternehmen knüppelhart. Allein für das laufende Jahr rechnet der HDE damit, dass 9.000 Geschäfte ihre Türen für immer schließen müssen. „Der Aderlass über die vergangenen Jahre ist gewaltig. Es ist höchste Zeit, dem etwas entgegenzusetzen“, fordert von Preen.

Offensive gegen den Leerstand

Der Handel spricht sich für eine Gründungsoffensive mit staatlichen Fördermaßnahmen und die Einführung von Ansiedlungsmanagern aus. Diese sollen die Leerstandsituation vor Ort beobachten, erfassen und sinnvolle Nachnutzungen vermitteln. Im Fokus sollte dabei demnach auch die Koordinierung aller beteiligten Akteure vor Ort aus Handel, Kommune, Gastronomie, Handwerk und Kultur stehen.

Entgegen der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) proklamierten „neuen Deutschland-Geschwindigkeit“ beklagen die von YouGov befragten Unternehmen eine Zunahme der Belastung durch Überregulierung und Bürokratie (23 Prozent, zwei Punkte mehr als 2022). „Es dürfen nicht ständig neue Vorgaben hinzukommen“, sagt der HDE-Präsident. Beispiele für unnötige Bürokratie finden sich aus Sicht des Verbandes unter anderem bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder in dem Entwurf des Bundesarbeitsministeriums zur Arbeitszeiterfassung. „Die Politik braucht wieder mehr Zutrauen in die Funktionsweise der sozialen Marktwirtschaft. Der Staat muss faire Rahmenbedingungen für alle setzen, aber nicht jedes Detail exakt vorgeben“, so von Preen.

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