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Einkauf, Marketing und Marken > Lieferanten- und Kundenaudits

Nach diesen Kriterien sollten Mittelständler ihre Zulieferer prüfen

Unzuverlässige Zulieferer und säumige Kunden können für mittelständische Betriebe existenzbedrohend sein. Sorgfältige Audits in In- und Ausland helfen, diese Partner zu meiden. Worauf es dabei konkret ankommt.

Deutsche Industrieprodukte sind häu­fig ein Best-of aus internationalen Zulieferproduk­ten: Mittelständische Hersteller verbauen hierzu­lande Seltene Erden aus Australien, spielen Software aus den USA auf ihre Steuerungselemente auf und fixieren Bauteile mit Schrauben aus vietnamesischer Produktion. Doch je weiter ein mittelständisches Unternehmen das Netz seiner Lieferantenbezie­hungen auswirft, desto anfälliger sind die Produkti­onsabläufe für Fehler und Verzögerungen aufgrund unzuverlässiger Partner. „Wenn unsere Zulieferer die Vorprodukte nicht zum abgesprochenen Zeitpunkt oder in der vereinbarten Qualität schicken, können auch wir unsere Kunden nicht pünktlich beliefern“, erklärt Björn Kemper, Geschäftsführer des Industriezulieferers Kemper. In zweiter Generation pro­duziert er Filtergeräte und Schweißrauch-Absaugan­lagen. Den Großteil seiner Vorprodukte bezieht das Münsterländer Unternehmen von Partnerfirmen in der EU, einzelne Zulieferer sitzen auch in Übersee. Mit allen muss die Zusammenarbeit klappen, damit auch Kemper seine Aufträge erfüllen kann.

Um unliebsame Zwischenfälle auf ein Mindest­maß zu reduzieren, müssen Mittelständler ihreZulieferer genau kennen – und sowohl vor dem ers­ten Auftrag als auch regelmäßig während einer län­geren Zusammenarbeit auditieren. „Bei dieser Über­prüfung zählen sowohl harte Fakten als auch persön­liches Gespür“, meint Kemper. Ein wichtiges Krite­rium bei der Lieferantenbewertung sollte die Bonität des potentiellen Partners sein. „Wenn ein Unterneh­men kurz vor der Pleite steht, kann es nicht die Vor­produkte einkaufen, die es seinerseits für die Produk­tion braucht, und unsere Bestellung nicht in der rich­tigen Qualität und Zeit ausführen“, erklärt Kemper.

Noch wichtiger ist es, sich bei dem Audit der Bonität potentieller Kunden zu versichern. Denn wenn diese ihre Rechnungen dauerhaft nicht bezah­len, schlägt das direkt bis auf die Bilanzsumme des deutschen Herstellerbetriebs durch. Auch vertriebs­seitig arbeitet Kemper weltweit mit Partnern zusam­men, meist mit Händlern, selten mit Endkunden. 65 Prozent seines Umsatzes erzielt das mittelständische Unternehmen im Ausland.

Erste Orientierung über Registereinträge

Am Anfang jeder Lieferanten- und Kundenbewertung sollte man die betrieblichen Unternehmensdaten potentieller Geschäftspartner zusammentragen, rät Christian Wolfram, Vorstands­vorsitzender der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Seine Analysten klären unter anderem ab, wie der Umsatz- und Auftragsstatus eines bestimmten Unter­nehmens ist, aber auch ob Mahn- oder Gerichtsver­fahren anhängig sind und wie gut dessen Ruf in der Branche ist. Grundlage dafür sind alle öffentlichen Register, Informationen von Geschäftspartnern und das Unternehmen selbst. Um eine Auskunft zu einem möglichen Zulieferunternehmen zu erstellen, braucht Wolframs Teams dessen vollständige Firmie­rung und Adresse. „Das steht beides meist im Ange­bot des Lieferanten an den Abnehmer. Unternehmen müssen also nicht zusätzlich recherchieren.“

80 Prozent der Auskünfte sind aktuell verfüg­bar. Nur in Ländern, mit denen Deutschland weni­ger intensive Handelsbeziehungen pflegt, dauert es wenige Tage, bis die Informationen zusammen­gestellt sind und eine Bonitätsbewertung vorliegt. Den Zeitfaktor hält Wolfram bei der Bewertung von potentiellen Geschäftspartnern für wichtig. Denn häufig lägen Bestellungen schon auf dem Tisch des Herstellers, und er müsse schnell entscheiden, ob er den Auftrag annimmt oder nicht.

Persönlicher Eindruck entscheidet

Wirtschaftsauskünfte über Unternehmen im Aus­land erteilt die Auskunftei auch, in Zusammen­arbeit mit Informationsdienstleistern oder Kredit­versicherungen in den jeweiligen Ländern. „Natür­lich habe ich auch aus Deutschland Zugriff auf lokale Handelsregister und kann nachschauen, ob es das Unternehmen dort gibt, das unserem Kunden gerade ein Angebot unterbreitet hat“, sagt Wolfram. Doch könne sein lokaler Partner besser einschätzen, wie aktuell der Registereintrag sei und ob tatsächlich alle notwendigen Daten eingetragen wurden. Denn die gängigen Formulare und Prozesse sind in jedem Land anders. „So kann in Italien ein Betrüger auch nur für wenige Tage ein Unternehmen ins Handels­register eintragen und dann nach erfolgter Vertrags­unterzeichnung wieder löschen lassen“, berichtet er. Eine Bewertung potentieller Partnerunternehmen sollte daher über die Registereinträge hinausgehen. Auch dabei sei der lokale Informationspartner wich­tig, findet Wolfram, etwa wenn dieser beim Unter­nehmen vorbeifährt und die Produktionsanlage besichtigt. „So sieht er, ob dort jemand professionell arbeitet oder ein Unternehmen nur fingiert wird.“

Unternehmer Björn Kemper hält diesen persön­lichen Eindruck auch für elementar und im Hinblick auf einen neuen Lieferanten sogar für entscheiden­der als die wirtschaftlichen Basisfakten. „Wir nutzen kein Bewertungssystem, nach dem ein Zulieferer Punkte erhält und nur ab einer bestimmten Anzahl beauftragt wird, so wie große Konzerne häufig vor­gehen“, erklärt er. Stattdessen reist sein Einkaufslei­ter zu einem potentiellen Lieferanten und führt das Vertragsgespräch persönlich vor Ort.

Ordentliche Fabrik, faire Mitarbeiterbehandlung

Kriterien, auf die Kemper und seine Kollegen beim Besuch bei poten­tiellen Zulieferern achten, sind unter anderem Ord­nung in der Fertigung und ein fairer Umgang mit Mitarbeitern. „Ersteres lässt auf eine professionelle Arbeitsweise schließen, und Letzteres zeigt, ob das Leitbild des Unternehmens gelebt wird“, sagt Kem­per. Deutsche Mittelständler unterschieden sich von Großkonzernen unter anderem durch ihre sozi­ale Nähe zu den Mitarbeitern und eine familiäre Arbeitsatmosphäre. Dass ihre Partnerunternehmen dieselben Werte anlegen und Mitarbeiter nicht aus­beuten, sei Voraussetzung für eine gute Zusammen­arbeit, findet er. „Es geht um Vertrauen und Commit­ment. Das ist wichtiger als statische Bewertungen.“

Daher weicht er hin und wieder von den rein wirtschaftlichen Argumenten ab und gibt einem potentiellen Lieferanten eine Chance, auch wenn dieser auf dem Papier nicht die Bonitätskriterien erfüllt: „Das sind meist kleine Bestellungsvolumina, alles andere wäre unternehmerisch unverantwort­lich. Aber ein wichtiges Signal sendet es dem Part­ner dennoch: Wir vertrauen dir. Das hat uns bis dato noch nicht geschadet.“

Vorsicht bei abgelehnter Versicherungsanfrage

Auch vertriebsseitig drückt Kemper schon ein­mal ein Auge zu – wenn auch eher bei Bestands- als bei Neukunden. „Wir unterhalten langjährige Geschäftsbeziehungen zu unseren Händlern. Wenn einer nach zehn Jahren Zusammenarbeit mal zwei Rechnungen zu spät zahlt, gewähren wir ihm trotz­dem auch bei der dritten Lieferung ein Zahlungs­ziel“, sagt er. Die Anlagen des Filtertechnikers aus Vreden sind hochwertig, die wenigsten Kunden bezahlen bei Lieferung, sondern nehmen Lieferan­tenkredite in Anspruch. Diese sichert Kemper mit Kreditversicherungen ab. Sie springen ein, wenn der Kunde eine Zahlung schuldig bleiben sollte. „Hin und wieder kommt es vor, dass eine Versicherung unsere Kreditanfrage nicht bestätigt – dann schril­len bei uns die Alarmglocken, und wir schauen genauer hin“, sagt Kemper.

Denn manche Kunden sind ihrerseits von großen Endkunden abhängig und zahlen erst, wenn diese ihrerseits die Rechnung begleichen. Seine Vertriebsmitarbeiter seien ständig im Gespräch mit den Kunden, auf ihre Einschätzung verlässt Kemper sich. Und ansonsten geht er auch auf Nummer sicher: „Wenn sich der Vertriebsmit­arbeiter unsicher bezüglich der Zahlungsmoral des Kunden ist, verlangen wir Vorauskasse.“

Auf diese Fragen brauchen Mittelständler beim Lieferanten- und Kundenaudit eine Antwort:

  • Existiert der potentielle Geschäftspartner unter der angegebenen Firmenadresse?
  • Verfügt das Unternehmen über ausreichende Bonität?
  • Sind Mahnverfahren gegen das Unternehmen anhängig?
  • Ist es seinerseits von Lieferanten oder Endkunden abhängig, die unzuverlässig scheinen?
  • Sehen die Produktionsanlagen modern und störungsresistent aus?
  • Ist der Vertriebs- oder Einkaufsverantwortliche gut erreichbar und konstruktiv im Umgang?
  • Hat das ausländische Unternehmen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit deutschen Partnern?

Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 06/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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