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Zukunftsmärkte > Interview

Nachhaltigkeit rockt die Chemie: Wie Levaco mit seinem ESG-Vorstoß Maßstäbe setzt

Levaco-CFO Jens Becker erklärt, wie Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor im Mittelstand wirkt. Erfahren Sie, warum ESG-Strategien nicht nur den Umweltschutz fördern, sondern auch die Gewinnung junger Talente stärken.

Was ist Ihr persönlicher Background, der Sie zu Levaco führte?

Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen studiert, mich aber im Laufe meiner Karriere zunehmend auf betriebswirtschaftliche Themen spezialisiert. Mein Schwerpunkt lag anfangs in den Bereichen Finanzen und Controlling, wo ich unter anderem den Abschluss als Certified Public Accountant (CPA) erworben habe. Seit vielen Jahren bin ich als CFO in einer umfassenden kaufmännischen Verantwortung tätig und habe kürzlich auch die Qualifikation zum zertifizierten Aufsichtsrat abgeschlossen. Was mich antreibt, ist meine Neugier – und die Chemiebranche hat mich schon immer fasziniert. Über Stationen bei Bayer und Lanxess habe ich schließlich meinen Traumjob bei Levaco gefunden.

Levaco ist ein Hybrid – von der Größenordnung her eigentlich ein Mittelständler, aber auch in Konzernstrukturen eingebunden. Sie konnten Einblicke in beide Lebenswelten gewinnen.

Wir sind Teil eines dezentral organisierten Familienunternehmens, was uns auf GmbH-Ebene als Geschäftsführer große Freiheiten, aber auch viel Verantwortung gibt. Diese Struktur ermöglicht es uns, nah am Markt zu agieren, flexibel zu sein und kundenorientiert zu arbeiten.

Ein Konzern in Familienhänden – das klingt nach Reibungen – denkt man in Quartalen oder Generationen?

Ich habe in allen drei Welten Erfahrung gesammelt: im börsennotierten Großkonzern bei Bayer, in den zahlengetriebenen Private-Equity-Unternehmen und nun bei Levaco, einem Mittelständler im Familienbesitz. Bei Levaco versuchen wir, das Beste aus allen Welten zu vereinen. Während Konzerne und Private-Equity-Unternehmen oft stark auf Quartalszahlen fokussiert sind, denken Familienunternehmen langfristiger. Diese Kombination aus strategischer Flexibilität und nachhaltigem Wachstum ist äußerst bereichernd.
 

 

Der Vorreiter

Jens Becker ist seit Juli 2014 Chief Financial Officer beim mittelständischen Chemieunternehmen LEVACO Chemicals. Er verantwortet das finanzielle Risikomanagement sowie die gesamte Finanzierung und Finanzplanung. Auch die Themen Arbeitgebermarke/HR, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Einkauf und Compliance liegen ihm am Herzen.

 

Als Chemieunternehmen sind Sie von ESG ­besonders betroffen. 

Das betrifft nicht nur die Chemieindustrie, sondern auch andere Branchen wie die Automobilindustrie und den Maschinenbau. Neben der Einhaltung von Regulierungen sind auch die hohen Standortkosten, insbesondere die Energiekosten, ein zentrales Thema. Unternehmen mit hoher Energieintensität haben es schwerer – Levaco ist hier weniger betroffen.

Was macht Levaco konkret?

Wir sind im B2B-Bereich tätig und konzentrieren uns auf Spezialchemikalien wie Emulgatoren, Dispergiermittel, Netzmittel und Entschäumer. Diese Produkte werden unter anderem in der Lebensmittelverarbeitung, der Agrarindustrie und im Coatings-Bereich eingesetzt, um die Effizienz zu steigern und eine reibungslose Produktion zu ermöglichen. Ein gutes Beispiel sind Entschäumer, die bei der Verarbeitung von Lebensmitteln wie Zuckerrüben oder Kartoffeln zum Einsatz kommen. Dabei achten wir darauf, dass unsere Produkte umweltverträglich sind.

Wie haben Sie die ESG-Maßnahmen strukturiert?

Wir haben uns schon früh mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Bereits vor über 15 Jahren haben wir mit ISO-Zertifizierungen begonnen (zunächst 9001 und 14001, später folgte 50001). Seit 2015 sind wir Teil des UN Global Compact und engagieren uns in den Bereichen Umwelt, Soziales, Ethik und verantwortungsbewusster Einkauf. Unser erster Nachhaltigkeitsbericht wurde 2015/2016 veröffentlicht. Dass wir nun seit acht Jahren jährlich die Gold-Zertifizierung von Ecovadis erhalten, zeigt, dass wir uns kontinuierlich weiterentwickeln. Die CSRD-Richtlinie hat uns also nicht unvorbereitet getroffen.

Das kostet aber nicht wenig, oder? 

Nachhaltigkeit sehen wir auch als Chance, und wir nutzen innovative Strukturen, um uns weiterzuentwickeln. Wir arbeiten intensiv mit Auszubildenden und Werkstudenten zusammen, die sich für dieses Thema begeistern. Sie können ihr theoretisches Wissen direkt in der Praxis anwenden. Ein Werkstudent hat beispielsweise seine Masterarbeit zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Bezug auf die CSRD-Richtlinie geschrieben. Dieses Wissen fließt direkt in unser ESG-Reporting ein.

Haben Sie den über die Uni geködert?

Wir kommunizieren klar, dass Nachhaltigkeit für uns wichtig ist. Bei Stellenausschreibungen finden wir oft Interessenten, die neben dem Studium Praxiserfahrungen sammeln wollen. Dadurch heben wir uns von den großen Unternehmen ab und haben uns einen entsprechenden Namen gemacht. Viele unserer Nachwuchskräfte übernehmen später verantwortungsvolle Positionen und setzen das Gelernte bei uns um.

Ein Vorteil gegenüber Großunternehmen?

Großunternehmen haben sicherlich ihre Stärken. Doch im Mittelstand bieten wir ein breiteres Aufgabenspektrum. So hat ein Werkstudent bei uns die Methodik zur Berechnung des „Product Carbon Footprint“ entwickelt, also die Berechnung der CO2-Äquivalent-Emissionen auf Produktebene. Wir begleiten solche Projekte fachlich, und die Ergebnisse sind oft beeindruckend.

Sie geben enorme Verantwortung in relativ ­unerfahrene Hände.

Es hängt immer davon ab, wie gut das Wissen in der Organisation verankert ist. Bei uns war diese Methodik völlig neu, und da erwarten auch unsere Kunden, dass ein externer Zertifizierer den Prozess absegnet. Deshalb arbeiten wir eng mit Partnern wie TÜV und Dekra zusammen, die uns bei der Methodenvalidierung unterstützen. Auf diese Weise konnten wir das Projekt erfolgreich abschließen.

Damit so ein Projekt funktioniert, müssen alle Hierarchie-Ebenen mitspielen. Wenn ein gestandener Manager einem Mittzwanziger ­gegenüber reporten muss, könnte das Befindlichkeiten ­stören, oder?

Das hängt vor allem von der Unternehmenskultur ab. Bei Levaco arbeiten auch langjährige Mitarbeiter, die zuvor 40 Jahre im Bayer-Konzern tätig waren. Auch sie wissen, dass kontinuierliche Veränderung ein wesentlicher Bestandteil unseres Erfolgsmodells ist. Unsere agile, hierarchiearme Kultur fördert den Austausch auf Augenhöhe, unabhängig von Alter oder Position. Die Jüngeren bringen frische Ideen ein, die Erfahrenen teilen ihr Wissen – es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

Wie diffundiert dieses neugewonnene Wissen in die Organisation?

Wissensmanagement ist bei uns essenziell. Die erarbeiteten Methoden müssen dokumentiert, digitalisiert und nach Möglichkeit automatisiert werden. Die erwähnte Masterarbeit hat nicht nur in unseren Nachhaltigkeitsbericht Eingang gefunden, sondern dient auch als Schulungsmaterial für unsere Mitarbeiter.

Profitiert der Konzern so mehr oder das Unternehmen?

Es ist eine klassische Win-win-Situation. Wir können pragmatisch und effektiv Ergebnisse erzielen, die dann konzernweit genutzt werden. Gleichzeitig profitieren wir vom bestehenden Wissen des Konzerns und müssen nicht jedes Rad neu erfinden.

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