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Zukunftsmärkte > Interview mit Burkhard

Nur 500 Euro Guthaben? Der digitale Euro kommt, aber die Banken wollen nicht, dass wir ihn benutzen

Burkhard Balz ist der derjenige im Vorstand der Bundesbank, der den Digitalen Euro umsetzen soll. Doch das Projekt ist kein Selbstläufer.

Burghard Balz
Burghard Balz im Interview. Bild: Tim Wegner

Das Gespräch führte Oliver Stock

Europa steckt in den Vorbereitungen zu einem Projekt, das unser Zahlungssystem so verändern kann, wie die Umstellung von Mark auf Euro – den digitalen Euro. Was passiert da gerade?

Mit dem Euro wurde 1999 eine neue, gemeinsame Währung eingeführt. Mit dem digitalen Euro wird nur eine zusätzliche Bezahloption geschaffen, die sowohl online wie auch offline nutzbar sein wird. Dabei wird der digitale Euro erstmals ein digitales europäisches Zahlungsmittel sein, das im gesamten Eurosystem akzeptiert wird. Der digitale Euro wird ebenso wie Bargeld von den Zentralbanken des Eurosystems herausgegeben und ein höchstmögliches Maß an Datenschutz bieten. Wir sind Ende vergangenen Jahres von der sogenannten Untersuchungsphase in die Vorbereitungsphase eingetreten, die bis Herbst 2025 andauern soll. In dieser Vorbereitungsphase experimentieren wir bereits, wie die technologische Grundlage des digitalen Euro aussehen könnte.

Was für Experimente?

Es geht in den nächsten Monaten darum, welche Technologie sich am besten für den digitalen Euro eignet. Ist es die Blockchain-Technologie, die man vom Bitcoin kennt? Oder sollten wir den digitalen Euro besser tokenisieren, also eine Art digitale Wertmarke schaffen? Die Bundesbank steht einer token-basierten Lösung sehr offen gegenüber. Der digitale Euro braucht aber auch gemeinsame Regeln. Da müssen alle einbezogen sein, die mit im Boot sitzen: wir als Herausgeber des digitalen Euro, die Banken, Finanzdienstleister, Händler und Verbraucher. Und dann müssen wir den Menschen sehr gut erklären, was der digitale Euro ist und welche Vorteile sie durch ihn haben. Das ist für den Erfolg des Projekts entscheidend.

Das sehe ich auch so. Ich verstehe das Projekt noch nicht. Wenn ich heute Online-Banking mache, oder mit meinem Handy bezahle, bin ich doch auch schon irgendwie digital unterwegs. Was habe ich von dem digitalen Euro?

Wir haben heute gut funktionierende Zahlungssysteme, das steht außer Frage. Aber wir haben bislang kein digitales europäisches Zahlungsmittel, das über die Ländergrenzen hinweg funktioniert. Nehmen wir die Girokarte, das ist ein rein deutsches System: Sie funktioniert nur innerhalb unserer Landesgrenzen.

Meine funktioniert auch in Italien . . .

. . . ja, aber nur, weil dahinter eine Abwicklung über die amerikanischen Zahlungsdienstleister Mastercard oder Visa steckt. Wir sind dabei auf internationale Kartensysteme angewiesen. Der digitale Euro würde die Abhängigkeit von den großen Zahlungsverkehrsunternehmen verringern. Ein digitaler Euro würde also wesentlich auf die europäische Souveränität einzahlen. Wir setzen das Regelwerk für den digitalen Euro selbst auf und auch die Infrastruktur wäre in Europa. Das Thema der Souveränität hat mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine erheblich an Bedeutung gewonnen.

Wie groß ist das Guthaben, das ich in digitalen Euro halten kann? 3000 Euro sind da im Gespräch, klingt nach nicht so viel.

Das ist noch nicht entschieden. Die 3000 Euro sind in den internen Diskussionen derzeit die Obergrenze. Die Spannbreite, die aktuell diskutiert wird, liegt zwischen 500 bis 3000 Euro.

Aber das ist nicht viel . . .

Dazu muss man wissen: Diese 500 bis 3000 Euro wären ein Haltelimit in der Banken-App oder der Digitalen-Euro-App, aber nicht unbedingt ein Limit für Zahlungen. Wer ein Auto kaufen will oder wertvolle Möbel oder sonst etwas Teures, kann das auch mit dem Haltelimit machen. Denn was gerade auch entwickelt wird, ist ein sogenanntes Wasserfallsystem. Das heißt: Jeder, der eine App für den digitalen Euro hat, kann diese mit seinem Bankkonto verknüpfen. Auf dem muss genug drauf sein und dann fließt praktisch das Geld, was über das Haltelimit hinaus für eine Bezahlung benötigt wird, vom Bankkonto auf die Digitale-Euro-App. PayPal funktioniert ähnlich.

Für die Banken ist das Guthaben in digitalen Euro ein großes Thema, weil sie sagen, das Geld liegt dann nicht bei ihnen und ihnen bleibe weniger übrig etwa zur Kreditvergabe.

Das Argument zieht nicht. Zum einen liegt es in der Hand der Banken, ihren Kunden attraktive Konditionen für Bankeinlagen anzubieten. Zum anderen ermöglicht das Wasserfallsystem den Bankkunden, unabhängig von der Höhe ihrer Guthaben mit dem digitalen Euro zu bezahlen. Banken und Zahlungsdienstleister können sich sicher sein, dass wir bei der Ausgabe des digitalen Euro eng mit ihnen zusammenarbeiten wollen.

Vor allem die Sparkassen und Volksbanken sind skeptisch.

Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind, die Widerstände abzubauen. Der Gesetzentwurf zum digitalen Euro ist glasklar, das Projekt wird weiter vorangetrieben werden. Die Infrastruktur wird das Eurosystem zur Verfügung stellen, also die EZB und die nationalen Zentralbanken. Und wir werden auch die Kosten dafür tragen. Wir haben keine Gewinnerzielungsabsicht. Die Banken müssen ihre IT anpassen, aber sie haben auch Erträge durch den digitalen Euro.

Wo entstehen denn Erlöse für die Banken?

Heute gibt es Gebührenmodelle für jeden Bezahlvorgang, die der Kunde nicht sieht, da die Gebühren beim Händler anfallen und an die Banken und Drittanbieter wie zum Beispiel PayPal gezahlt werden. Gerade bei den nicht-europäischen Zahlungsdienstleistern sind die Margen teilweise sehr üppig. Vorgaben für die Margen beim Bezahlen mit dem digitalen Euro werden gerade durch den europäischen Gesetzgeber entwickelt.

Das wird also teuer für den Kunden?

Nein, für die Endverbraucher sollen die Grundfunktionen des digitalen Euro gebührenfrei sein. Bei anderen Zahlmethoden fallen ja auch Gebühren an, die die Händler zu entrichten haben. Der Privatkunde zahlt nicht für die Services mit dem digitalen Euro. Wir möchten mit dem digitalen Euro eine europäische, universelle Bezahllösung schaffen, die in allen Bezahlsituationen funktioniert.

Verdrängt der digitale Euro das Bargeld?

Bargeld bleibt unser Kernprodukt, der digitale Euro ist eine Ergänzung. Doch die Nutzungsquoten von Bargeld sinken langsam, aber stetig, auch in Deutschland. Daher möchten wir als Zentralbanken des Eurosystems zusätzlich zum Bargeld ein digitales Zahlungsmittel herausgeben.

Es wird einem ja auch schwer gemacht. Geldautomaten verschwinden, viele Händler bevorzugen Kartenzahlung . . .

Die Bargeldversorgung ist immer noch sehr gut. Jeder kann sich an der Supermarktkasse Bargeld besorgen, ebenso wie an jeder größeren Tankstelle. Bargeld ist gelebte Freiheit. Wir sind gerade dabei, die dritte, ganz neue Euro-Banknotenserie auf den Weg zu bringen. Das machen wir, weil wir weiter voll auf das Thema Bargeld setzen.

Wann kommt die neue Serie?

Voraussichtlich im Jahr 2029. Alle Euro-Banknoten werden dann der Reihe nach mit neuen Motiven und neuer Technologie erscheinen. Die neuen Motive werden uns demnächst präsentiert.

Es gibt auch in der Politik Vorbehalte gegen den digitalen Euro. Was hören Sie da?

Die Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie das Projekt unterstützt. Auch die CDU/CSU ist mehrheitlich dafür. Die einzige politische Kraft in Deutschland, die den digitalen Euro ablehnt, ist die AfD. Sie hält uns Zentralbanken im Eurosystem vor, dass wir damit den Ausstieg aus dem Bargeld einleiten, was schlicht Quatsch ist. Vielmehr wollen wir das Bargeld mittels eines europäischen Verordnungsentwurfs zusätzlich schützen.

Es gibt weltweit ähnliche Währungsprojekte, China – so höre ich – ist ganz vorne.

Es gibt rund um den Globus über 130 Projekte, eine Währung zu digitalisieren. Vier Währungsräume sind bisher live gegangen: Jamaika, die Bahamas, der ostkaribische Währungsraum und Nigeria. Ansonsten sind viele weit fortgeschritten, China gehört dazu. In Europa sind wir mit dem digitalen Euro vielleicht im vorderen Viertel.

China unterstellen wir, dass es mit einer staatlichen digitalen Währung auch seine Menschen kontrollieren will.

In Europa sagen wir klar, dass wir an den einzelnen Transaktionen in keiner Weise interessiert sind. Die Zentralbanken im Eurosystem werden die Identität der Nutzerinnen und Nutzer nicht nachvollziehen können. Ein hohes Maß an Privatsphäre wäre eine der Kerneigenschaften des digitalen Euro. Lediglich die Regelungen zur Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung müssen bedacht werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Im besten Fall wird die gesetzliche Grundlage für den digitalen Euro in der zweiten Hälfte 2025 vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union beschlossen. Danach erst kann der EZB-Rat endgültig über die Einführung des digitalen Euro entscheiden. Der digitale Euro sollte dann Ende dieses Jahrzehnts kommen.

Dann können wir uns ja wieder hinlegen.

Nein, denn jetzt entscheiden wir, wie das Projekt aussehen wird. Wir rechnen intern damit, dass wir nach der Entscheidung des EZB-Rats noch etwa drei Jahre Testphase brauchen, um die Sicherheit des Systems zu gewährleisten.

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