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Zukunftsmärkte > Macher

Nur mit Wasser gekocht

Efficient Energy baut Kühlgeräte ohne Fluorkohlenwasserstoff. Die Idee dahinter nutzt die bekannte Technik völlig neu. Und siehe: Es wird kalt.

Die drei von der Kältetechnik (v. l.): Entwicklungsleiter Daniel Porzig, CEO Georg Dietrich und Vertriebschef Thomas Bartmann führen Efficient Energy.Bild: Efficient Energy

Manchmal klingt die Lösung eines schwerwiegenden Problems einfach, fast zu einfach. Und manchmal müssen fachfremde Unternehmer eine Idee hartnäckig verfolgen – auch gegen die Ansichten einer Branche. Zum Beispiel bei Kälte: Maschinen müssen gekühlt werden, Züge und Rechenzentren, Räume und Lebensmittel. Die Anlagen dafür verwenden in der Regel Fluorkohlenwasserstoffe – Gase, die sehr klimaschädlich sind. Die Anlagen arbeiten mit hohem Druck, verbrauchen viel Energie. Wie könnte also eine sehr effiziente, umweltfreundliche Anlage aussehen? Warum zum Beispiel nicht einfach Wasser verwenden?

Die Kältebranche fand die Idee etwas abwegig. Die Gründer von Efficient Energy mussten einiges an mildem Lächeln und Kopfschütteln über sich ergehen lassen. Heute, 16 Jahre und mehr als 200 weltweite Patente später, heißen die Kunden Siemens oder Gardena oder Sparkassen-IT. Und Firmenchef Georg Dietrich konzentriert sich darauf, die Produktion in Feldkirchen bei München sehr zügig und strukturiert auszubauen.

„Der Kältemarkt ist ein Multimilliardenmarkt“, sagt Dietrich. Kältetechnik sei für viele kaum sichtbar. Dabei müsse immer mehr gekühlt werden. Im Büro seien Klimaanlagen Standard, wer mit dem Computer etwas im Internet suche, greife auf ein Rechenzentrum zu, das gekühlt werden müsse. Schneide-, Dreh- und Fräsmaschinen dürften nicht heiß laufen. Und auch die Kunststoffproduktion brauche Kälte.

Die Folgen fürs Klima sind immens: Rund sieben Prozent des weltweiten Klimawandels lassen sich Dietrich zufolge auf den Einsatz von Kältemaschinen zurückführen. Das entspricht ungefähr dem Doppelten des Anteils des internationalen Flugverkehrs. Und jedes neue Kühlgerät erhöht das Klimaproblem.

Solch eine Anlage funktioniert sehr vereinfacht so: In einem geschlossenen Kreislauf wird ein Gas mit einem Kompressor verdichtet. Es verflüssigt sich und gibt Wärme ab. Wenn das Gas dann wieder verdampft, entzieht es der Umgebung Wärme, kühlt also. Der Kompressor verdichtet das Gas erneut, und der Kreislauf beginnt von vorn.

Mehr als 95 Prozent der heute installierten Anlagen nutzen Flourkohlenwasserstoffe, auch F-Gase oder FKW genannt. Der Name erinnert an FCKW, jene Fluorchlorkohlenwasserstoffe also, die auch in Kühlgeräten eingesetzt ­wurden. 1990 beschloss die Internationale Konferenz zum Schutz des Ozonlochs, sie zu verbieten. „Die Industrie hat sie dann durch FKW ersetzt, die zwar das Ozonloch nicht vergrößern, aber deutlich schädlicher fürs Klima sind als CO2“, sagt Dietrich. Und weil Kälteanlagen mit Überdruck arbeiteten, gebe es immer irgendwo Leckage, durch die das Gas entweiche.

Unter- statt Überdruck

Efficient Energy ersetzt das FKW durch Wasser. Dafür muss die Technik der Kälteanlage geändert werden: Statt Überdruck nutzt das Unternehmen Unterdruck. Denn Wasser verdampft umso leichter, je niedriger der Druck ist. So kocht es auf dem Mount Everest mit seinem geringen Luftdruck bereits bei 70 Grad, während es sonst bei rund 100 Grad verdampft.

Was einfach klingt, war aufwendig. „Die Anlage musste möglichst kostengünstig sein, und wir wollten ein kompaktes, effizientes Gerät“, sagt Dietrich. Nötig war auch ein besonders hochdrehender Turboverdichter, den es am Markt nicht gab. „Wir haben ihn dann selbst entwickelt.“

Die Geräte, eChiller genannt nach dem englischen Wort für Kühler, sind jetzt so groß wie ein kleinerer Kleiderschrank, rund zwei mal zwei Meter, und etwa 80 Zentimeter tief. Denn: „Wir wollen mit den Geräten immer noch durch eine Tür passen.“ Es gibt verschiedene Leistungen, die sich aber auch in Blöcken zusammenschalten lassen. Zusammengebaut werden die Anlagen in Feldkirchen, wo auch der Turboverdichter hergestellt wird. Die anderen Teile lässt Efficient Energy sich zuliefern.

Ärger mit der Ölheizung

Angefangen hat alles 2004, als Informatiker Holger Sedlak unzufrieden mit seiner neuen Ölheizung war. Das gehe effizienter, dachte er sich. Warum nicht Erdwärme nutzen? Und so kam er auf die Wärmepumpe, eine effiziente ohne Klimagase sollte es sein. Was heute gepriesen wird als Ersatz für Öl- und Gasheizungen, war damals eher noch Science-Fiction. Und von der Wärmepumpe ist es dann nur ein kurzer Weg zur technisch ähnlichen Kälteanlage.

2006 gründete er mit dem Elektroingenieur Oliver Kniffler Efficient Energy. Zwölf Jahre hat das Unternehmen seine Produkte entwickelt, bevor sie marktreif waren – was zeigt, welche Ausdauer die Gründer hatten. Und auch die Investoren. Die größten sind MIG Fonds aus Pullach bei München und das Family Office der Brüder Strüngmann, die Hexal, ein Pharmaunternehmen, das günstige Nachahmerprodukte entwickelte, aufgebaut und verkauft haben. Beide Investoren sind auch am Impfstoffentwickler Biontech beteiligt.

Dietrich ist seit 2018 dabei. Auch er kommt nicht aus der Kälte- oder Wärmetechnik, sondern ist Experte dafür, neue Geschäftsideen aufzuspüren und vor allem groß zu machen, war in einem rasant wachsenden Tech-Unternehmen tätig und beim Beteiligungsarm von ProSiebenSat.1 Media. Und jetzt Efficient Energy. „Wir wollen der innovativen Technologie zum Durchbruch verhelfen“, sagt er. „Und zwar weltweit.“ Zunächst ist Europa dran.

Inzwischen hat das Unternehmen 150 Anlagen installiert, die Auftragsbücher sind voll, man konzentriert sich auf Rechenzentren, Industrie und Gebäudemanagement. „Wir sehen hier den größten Veränderungswillen, nachhaltig zu werden“, sagt Dietrich. Und der Markt arbeitet für sie. FKW sollen verschwinden, wie 200 Staaten bei einem Treffen im ruandischen Kigali 2016 beschlossen haben. In der EU sollen die eingesetzten Mengen bis 2030 auf etwa 20 Prozent im Vergleich zu 2018 sinken.

In der Folge werden die Betreiber älterer Anlagen es schwerer haben, das Gas zu ersetzen, und sich Alternativen suchen. Das könnten Geräte von Efficient Energy sein. Wer jetzt investiere, wolle sicher sein, dass die Anlage auch in zehn Jahren sicher laufe, sagt Dietrich. Und schiebt nach: „Unsere Anlagen verbrauchen bis zu 80 Prozent weniger Strom als herkömmliche.“ Wahrscheinlich das noch bessere Verkaufsargument. 

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