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Einkauf, Marketing und Marken > Positionspapier: Warensendungen aus Drittstaaten besser regulieren

Paketflut aus Fernost: HDE, DSTG und vzbv kämpfen gegen Schnäppchenchaos im EU-Markt

Paketflut aus Fernost: 2024 wurden vier Milliarden Pakete aus Drittstaaten direkt an EU-Verbraucher verschickt. Hinter der Schnäppchenjagd lauern Wettbewerbsverzerrungen, Verbrauchergefährdungen und systematischen Zollverstöße.

Bei einer Prüfung von rund 5.000 Warensendungen aus Drittstaaten durch die Bundesnetzagentur im Jahr 2023 erwiesen sich schockierende 92 Prozent als in der EU nicht verkehrsfähig. (Foto: shutterstock)

Temu, Shein und Co. – diese Namen sind längst keine Unbekannten mehr auf dem europäischen Markt. Doch während Verbraucher sich über Schnäppchen freuen, sehen Experten die Entwicklung mit wachsender Sorge. Der Grund: Diese Plattformen unterlaufen systematisch europäische Standards bei Produktsicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz. Nun schlagen Handel, Steuergewerkschaft und Verbraucherschützer gemeinsam Alarm. Ein brisantes Positionspapier fordert nun ein radikales Umdenken.

Die Urheber des Aufrufs

  • HDE - Handelsverband Deutschland: Der Spitzenverband des deutschen Einzelhandels repräsentiert etwa 400.000 Unternehmen, die fast 3 Millionen Mitarbeiter beschäftigen und jährlich mehr als 420 Milliarden Euro umsetzen.
  • DSTG - Deutsche Steuergewerkschaft: Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) ist die gewerkschaftliche Interessenvertretung des Personals der Steuerverwaltung mit ca. 79.000 Mitgliedern. Sie ist Mitgliedsgewerkschaft des Deutschen Beamtenbunds.
  • vzbv - Verbraucherzentrale Bundesverband: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bündelt als Dachverband die Expertise von 16 Verbraucherzentralen und mehr als 30 verbraucherpolitischen Verbänden

Irreführender Rabatthöhen und manipulative Designs

Die Verlockung ist groß: Günstige Produkte, direkt aus Fernost, nur wenige Klicks entfernt. Doch hinter der glitzernden Fassade lauert ein Minenfeld für Verbraucher. Untersuchungen zeichnen ein alarmierendes Bild: Bei einer Prüfung von rund 5.000 Warensendungen aus Drittstaaten durch die Bundesnetzagentur im Jahr 2023 erwiesen sich schockierende 92 Prozent als in der EU nicht verkehrsfähig.

Die European Consumer Organisation (BEUC) und 18 ihrer nationalen Verbraucherorganisationen schlugen Mitte Mai 2024 Alarm und reichten eine gemeinsame Beschwerde gegen Temu im Rahmen des Digital Services Act (DSA) ein.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ging noch einen Schritt weiter und mahnte Ende März 2024 sowohl Temu als auch Shein ab - unter anderem wegen Verstößen gegen Produktsicherheitsrecht, irreführender Rabatthöhen und manipulativer Designs.

Jutta Gurkmann vom vzbv warnt: "Es darf nicht passieren, dass Feuermelder kein Feuer melden oder Kinder einen Stromschlag von ihrem Nachtlicht bekommen." Die Gefahr ist real, denn viele der importierten Produkte entsprechen nicht den EU-Sicherheitsstandards.

Das Vertrauen der Verbraucher in Online-Plattformen ist dabei paradoxerweise ungebrochen hoch. Eine Umfrage des vzbv ergab, dass 93 Prozent der Befragten erwarten, dass auf Online-Plattformen angebotene Produkte sicher sind und den gesetzlichen Anforderungen der EU entsprechen. Eine Erwartung, die in krassem Gegensatz zur Realität steht.

Wettbewerbsverzerrungen und Zollverstöße: Der Preis des ungezügelten Wachstums

Während EU-ansässige Unternehmen unter der Last stetig wachsender regulatorischer Anforderungen ächzen, scheinen Plattformen und Händler aus Drittstaaten in einem rechtsfreien Raum zu operieren. Die systematische Umgehung von Zoll- und Steuergesetzen sowie die Missachtung von Produktsicherheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards führen zu massiven Wettbewerbsverzerrungen.

Ein besonders pikantes Detail: Die Zollfreigrenze von 150 Euro wird systematisch ausgenutzt. Durch künstliche Aufspaltung von Sendungen oder gezielte Falschdeklarationen des Warenwerts werden Zollabgaben umgangen. Dies führt nicht nur zu erheblichen Einnahmeausfällen des Fiskus, sondern benachteiligt auch heimische Unternehmen, die ihre steuerlichen Verpflichtungen erfüllen.

Die Zahlen sprechen für sich: Täglich erreichen allein von Shein und Temu 400.000 Pakete Deutschland. Nur ein Bruchteil davon wird überprüft. Ein Zustand, der HDE-Präsident Alexander von Preen zu der scharfen Aussage veranlasst: "Diese rücksichtslosen Geschäftsmodelle gehen auf Kosten der Handelsunternehmen im gesamten EU-Binnenmarkt."

Das Dreigestirn der Veränderung: Kurz-, mittel- und langfristige Lösungsansätze

Angesichts dieser Missstände haben sich

  • der Handelsverband Deutschland (HDE)
  • die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) 
  • die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

zu einer ungewöhnlichen Allianz zusammengeschlossen. In einem gemeinsamen Positionspapier fordern sie ein konsequentes Eingreifen auf nationaler und europäischer Ebene.

Der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog gliedert sich in drei Zeithorizonte:

  • Kurzfristig: Verschärfung der Anforderungen an gesetzliche Vertreter von Online-Marktplätzen in der EU und Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze.
  • Mittelfristig: Einführung des Konzepts des "fiktiven Einführers", bei dem digitale Plattformen für alle Zoll- und Steuerformalitäten verantwortlich gemacht werden. Zudem soll die verpflichtende Nutzung des Import-One-Stop-Shop bei der Einfuhrumsatzsteuer durchgesetzt werden.
  • Langfristig: Eine beschleunigte Reform des EU-Zollkodex, um den wachsenden Herausforderungen des internationalen Handels wirksam zu begegnen.

DSTG-Bundesvorsitzender Florian Köbler bringt es auf den Punkt: "Es ist höchste Zeit, dass die Politik hart durchgreift und für gleiche Spielregeln sorgt – zum Schutz der Verbraucher und der Zukunft unseres Marktes!"

Wie kontrolliert man Millionen von Paketen?

Die schiere Menge der eingehenden Sendungen stellt die Zollbehörden vor enorme logistische und technische Herausforderungen. Um effektive Barrieren gegen illegale und unsichere Produkte zu schaffen, muss das Zollsystem ICS2 erweitert und modernisiert werden.

Innovative Ansätze wie die Implementierung von RFID-Chips in jeder Warensendung könnten eine Lösung bieten. Diese würden es ermöglichen, bereits bei der Einfuhr zu überprüfen, ob ein den gesetzlichen Anforderungen genügender Wirtschaftsakteur benannt wurde.

 

Positionspapier zum Direktversand von Waren über Drittstaaten-Plattformen an Verbraucher

Shein und Temu sorgen für neue Spielregeln im eCommerce

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