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Einkauf, Marketing und Marken > Preiskampf Lebensmittelhandel

Preiskampf im Supermarkt: Kritik an Rabatten für Süßigkeiten und Alkohol wächst

Süßes im Angebot, Vitamine außen vor: Supermärkte senken Preise – aber meist bei Zucker, Fett & Alkohol. foodwatch fordert gesunde Steuerpolitik.

(Foto: shutterstock)

Der Konkurrenzdruck im deutschen Lebensmitteleinzelhandel nimmt zu. Handelsriesen wie Aldi, Lidl, Edeka und Rewe reagieren mit flächendeckenden Preissenkungen – offiziell, um Verbraucherinnen und Verbraucher finanziell zu entlasten. Doch Verbraucherschützer warnen: Die Rabattaktionen konzentrieren sich überwiegend auf ungesunde Lebensmittel wie Süßwaren, Snacks und alkoholische Getränke.

Die Organisation foodwatch kritisiert diesen Trend scharf. Statt Impulskäufe bei Zucker- und Alkoholprodukten zu fördern, fordern Expertinnen und Experten eine gezielte Steuerpolitik zugunsten gesunder Ernährung. Konkret steht die Forderung im Raum, die Mehrwertsteuer auf frisches Obst und Gemüse deutlich zu senken oder ganz abzuschaffen.

Gesundheitsexperten und Klimaschützer unterstützen diesen Kurs. Eine nachhaltige Ernährungspolitik müsse nicht nur den Geldbeutel entlasten, sondern auch gesundheitliche und ökologische Ziele stärken.

Wettlauf um Tiefpreise: Discounter und Supermärkte starten groß angelegte Preissenkungen

Ein Preissturz geht durch den deutschen Lebensmitteleinzelhandel: Lidl eröffnete den Reigen mit der „größten Preissenkung in der Unternehmensgeschichte“ – eine Ansage, auf die Marktführer Aldi prompt mit der eigenen Kampagne „Dauerhaft im Preis gesenkt“ reagierte. Die Botschaft ist klar: Der Kampf um die Gunst preisbewusster Kunden ist neu entfacht – und die Konkurrenz zieht mit.

Auch Edeka, Rewe und Penny senken systematisch die Preise zahlreicher Alltagsprodukte. Beispielhaft bei Edeka: Der spritzige Vescovino Prosecco wurde von 3,99 Euro auf 3,49 Euro reduziert – ein sattes Minus von 13 Prozent. Die beliebte „Gut & Günstig“-Butter kostet nun 1,99 Euro statt 2,19 Euro (–9 %), während Toastbrot der Eigenmarke um 20 Prozent günstiger geworden ist – von 99 auf 79 Cent.

Aldi setzt auf ein ähnliches Preiskonzept: Besonders betroffen sind Tiefkühlartikel wie Pizza und Pommes, aber auch Süßwaren, Energydrinks der Eigenmarke „Flying Power“ sowie Spirituosen – darunter Amaretto, Irish Whiskey, Wodka und ausgewählte Weine.

Die Strategie ist offensichtlich: In Zeiten inflationssensibler Konsument/-innen setzen große Handelsketten auf gezielte Preisimpulse – und kämpfen damit nicht nur um Marktanteile, sondern auch um Vertrauen.

foodwatch kritisiert fragwürdige Signalwirkung von Lebensmittelrabatten

Die Verbraucherschutzorganisation foodwatch nimmt die jüngsten Preissenkungen bei Aldi und Edeka unter die Lupe – mit ernüchterndem Ergebnis: Anstatt gesunde Ernährung zu fördern, werden vor allem industriell verarbeitete Produkte günstiger. Laut der Analyse handelt es sich bei fast der Hälfte der reduzierten Artikel bei Aldi und rund einem Drittel bei Edeka um gesundheitlich bedenkliche Lebensmittel.

Alina Nitsche von foodwatch bringt es auf den Punkt: „Nicht frisches Obst, sondern Zuckerbomben und fettige Snacks landen im Sonderangebot – das entlastet nicht die Verbraucher, sondern schadet ihrer Gesundheit.“

Die Organisation kritisiert die Rabattaktionen als reine Marketinginszenierung: Statt flächendeckend gesunde Grundnahrungsmittel zu fördern, dominieren Preisnachlässe auf Dosenware und Convenience-Produkte. Besonders auffällig: Frisches Obst und Gemüse bleibt die Ausnahme. Wer beim Einkauf auf Vitamine statt Zusatzstoffe setzt, wird kaum entlastet – günstiger werden eher Dosenananas, Champignons aus dem Glas oder gezuckerte Pfirsiche.

Das Fazit der Verbraucherschützer ist klar: „Gesunde Ernährung darf kein Luxus bleiben – und Billigpreise für Junkfood sind der falsche Weg.“

Reaktionen der Unternehmen und Forderungen

Lidl verteidigt seinen Kurs und erklärt, man habe "ein deutliches Zeichen für die Verbraucher gesetzt". Laut einer Konzernsprecherin wurden in diesem Jahr insgesamt "mehr als 1.600 Artikel quer durch das Sortiment dauerhaft im Preis gesenkt – darunter viele Grundnahrungsmittel, frische Produkte, aber auch Bio- und vegane Produkte." Konkrete Beispiele nennt Lidl aus Wettbewerbsgründen nur begrenzt.

Rewe und Penny betonen, man habe "unmittelbar auf eine veränderte Marktsituation reagiert", ohne Details zu den betroffenen Waren zu nennen. Aldi erklärt knapp: "Der Anspruch von Aldi ist es, die vergünstigten Preise stabil und verlässlich niedrig zu halten."

Foodwatch kritisiert die mangelnde Transparenz der Unternehmen bezüglich der konkreten Preissenkungen. Um auch gesunde Lebensmittel erschwinglicher zu machen, fordert die Organisation ein Ende der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Diese Entscheidung müsste allerdings auf politischer Ebene getroffen werden.

Kurzer Blick in die Geschcihte

Der Preiskampf im deutschen Lebensmitteleinzelhandel hat eine lange Tradition – und eine ebenso lange Geschichte verpasster Chancen. Seit den 1950er-Jahren wird billiger gemacht, was sich massenhaft verkaufen lässt: Erst waren es Grundnahrungsmittel, dann kam die Ära der industriell verarbeiteten Produkte.

Mit dem Aufstieg der Discounter wurde der Preis zum Fetisch, der Inhalt zur Nebensache. Gesundheits- oder Klimapolitik spielten dabei nie eine Rolle – im Gegenteil: Wer Zucker, Fett oder Alkohol günstig unters Volk bringt, kurbelt den Umsatz und beruhigt das schlechte Gewissen mit ein paar Bio-Aufklebern im Kühlregal. Die aktuelle Rabattwelle reiht sich nahtlos ein in diese Geschichte einer Branche, die ökonomische Schlagkraft systematisch über gesundheitliche Verantwortung stellt. Was fehlt, ist kein Preisnachlass, sondern ein Paradigmenwechsel.

Gesund und nachhaltig sparen – so geht’s beim Einkaufen

  • Saisonale Produkte wählen: Obst und Gemüse aus der Region sind nicht nur frischer, sondern oft auch günstiger – vor allem zur Haupterntezeit.

  • Unverarbeitet statt Convenience: Selbst kochen spart Geld – und vermeidet versteckte Zucker, Fette und Zusatzstoffe.

  • Auf Hülsenfrüchte setzen: Linsen, Bohnen & Co. sind nährstoffreich, lange haltbar und extrem günstig.

  • Angebote clever nutzen: Statt bei Chips oder Schokoriegeln zuzuschlagen, lieber Rabattaktionen für gesunde Basics im Blick behalten – z. B. Haferflocken, Tiefkühlgemüse oder Vollkornprodukte.

  • Reste verwerten: Wer mit Plan einkauft und kocht, reduziert nicht nur Lebensmittelverschwendung, sondern spart bares Geld.

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