Puma strauchelt: Adidas-Chef Gulden hinterlässt Krise bei Konkurrenz
Unter dem neuen Chef Arne Freundt läuft beim deutschen Sportartikelhersteller kaum noch etwas richtig. Allein die Anleger rennen – zum Konkurrenten Adidas.

Von Oliver Götz
Der 4. November 2022 ist ein bewegender Tag an der Börse. Die Meldung, ein Mann würde in einer Kleinstadt im bayerischen Landkreis Erlangen-Höchstadt die Straßenseite wechseln, lässt zwei Werte im Deutschen Aktienindex Dax kräftig ausschlagen. Björn Gulden, seinerzeit Chef bei Puma in Herzogenaurach, so lautete die Nachricht, solle gegenüber beim großen Konkurrenten Adidas den Job von CEO Kasper Rorsted übernehmen. Adidas-Papiere, zuvor über eineinhalb Jahre schwer abgestraft, sprangen um 20 Prozent in die Höhe, Puma-Titel, deren Wert sich in den Jahren unter Gulden vervielfacht hatte, gaben um vier Prozent nach. Es war nichts als eine großangelegte Wette auf die Fähigkeiten des norwegischen Managers.
Was manch einer da noch als typische Übertreibung der Börse abtat, erweist sich rückblickend als scharfsinnige Vorsehung. Die Puma-Aktie sprang zwar kurz darauf noch einmal an, aber als Gulden im Januar 2023 dann tatsächlich wechselte, begann der Gulden-Trade. Puma-Aktien haben seither mehr als 60 Prozent an Wert verloren – und ihren Platz im Dax. Adidas-Aktien konnten im selben Zeitraum mehr als 50 Prozent zulegen.
Gut zwei Jahre später basieren diese krass gegenläufigen Kursentwicklungen nicht mehr auf Erwartungen, sondern längst auf wirtschaftlichen Tatsachen. Adidas hat unter Gulden ein Hochgeschwindigkeits-Comeback hingelegt. Eilig hat der 59-jährige Norweger die drei Streifen von ihrem zeitweilig arg verstaubten Image befreit, die Marke wieder sportlich, cool, trendsetzend aufgestellt. Im Fokus: die Produktionserhöhung der Retro-Sneaker Samba und Gazelle, die derzeit reißenden Absatz finden, besonders bei jungen Menschen. Der Konkurrenz, darunter Puma, fehlt ein ähnliches Angebot. Dazu hat sich Adidas wieder auf den Sport als Kerngeschäft konzentriert, mit allen Marketingaktivitäten und Produktinnovationen, die dazu gehören. Auch ist das Unternehmen wieder in den Einzelhandel zurückgekehrt, den es zuvor und zugunsten des eigenen Onlinehandels vernachlässigt hatte.
Damit wiederholt Gulden mehr oder minder das, womit er in den Jahren zuvor Puma erfolgreich werden ließ. Er stellt die Markenpopularität ins Zentrum seines Handelns – und bringt in diesem Zug die Marke zurück in die Läden – Adidas zum Anfassen, prominent platziert, Begehrlichkeiten weckend. Im vergangenen Jahr kam der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt kaum hinterher damit, seine Gewinnschätzungen nach oben anzupassen. Dreimal erhöhte Adidas die Prognose. Am Ende fielen die Ergebnisse für 2024 noch einmal besser aus als erwartet. Der Umsatz stieg um elf Prozent auf 23,7 Milliarden Euro, das Betriebsergebnis hat sich von 268 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro fast verfünffacht.
Satter Gewinneinbruch
Bei Puma hingegen herrscht seit Guldens Abgang Tristesse. Böse Zungen würden wohl behaupten: Das Einzige, das bei Puma gerade läuft, sind die Anleger – zu Adidas. Dem „Forever Faster"-Markenclaim wohnt da beinahe eine gewisse Ironie bei. Seit jeher kämpfen Puma und Adidas um Marktanteile. Unter Gulden sah es einige Jahre lang so aus, als könnte Puma als ewige Nummer Drei am Markt der ewigen Nummer Zwei, Adidas, mittelfristig doch mal gefährlich werden. Inzwischen spricht viel dafür, dass sie bei Adidas auf ewig schneller bleiben. Ob Guldens Nachfolger, Arne Freundt, wohl deshalb einen neuen Claim will?
Während Adidas seinerseits die ebenfalls schwächelnde Nummer Eins am Markt, den US-Hersteller Nike, angreift, drohen Puma Umsatzeinbußen und ein satter Gewinneinbruch. Besonders in China und den Vereinigten Staaten läuft es schlecht. Im ersten Quartal dieses Jahres, schätzt Freundt, dürfte der Umsatz im Vergleich zu 2024 leicht zurückgehen, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, von 622 Millionen Euro auf 445 bis 525 Millionen Euro, um bis zu 28 Prozent fallen. Dabei geriet schon das vergangene Jahr wenig überzeugend. Das operative Ergebnis stagnierte, der Nettogewinn schrumpfte von 305 auf 282 Millionen Euro. Der Umsatz stieg immerhin leicht, um 4,4 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro. Adidas allerdings steigerte seine Einnahmen bei höherem Ausgangsniveau um mehr als zwölf Prozent.
Für Verwirrung unter Anlegern sorgte zudem, dass Freundt noch im Januar mitgeteilt hatte, der Umsatz würde 2025 stärker steigen als 2024, das operative Ergebnis zudem wieder zulegen. Zwei Monate später nun die Kehrtwende. Diese Art der Kommunikation ist Gift für die nach Verlässlichkeit lechzende Börse, legt sie doch weitere negative Überraschungen nahe. „Ein Schocker", kommentierte Stifel-Analyst Cedric Lescable die Prognosekürzung. Analyst Andreas Riemann von Oddo-BHF sprach von einer „massiven Gewinnwarnung" und „sehr negativen" Aussichten für den Gewinn vor Zinsen und Steuern im laufenden Jahr. Sein Kursziel halbierte er dann auch auf 25 Euro.
Auch Volker Bosse, Experte der Baader-Bank senkte sein Kursziel für die Puma-Aktie deutlich von 40 auf 25 Euro. Von den Ausführungen des Managements sei er „einigermaßen verdutzt", schrieb Bosse in einer Studie. UBS-Analyst Robert Krankowski erklärte, es sei „noch nicht zu spät für eine Verkaufsempfehlung". Eine Trendwende sei nicht in Sicht, und die Geschäftszahlen würden immense Korrekturrisiken nahelegen. „Die schwerste Zeit ist noch nicht vorbei", sagte Krankowski. Für Anleger kommen also statt federleichter Sprints die Bleigewichte. Auch die operative Umsatzrendite soll nun nicht, wie ursprünglich anvisiert, schon in diesem Jahr auf acht Prozent klettern, sondern zwei Jahre später auf 8,5 Prozent. Die Dividende soll von 82 auf 61 Cent je Aktie sinken.
Von der agilen und wendigen Raubkatze, als die sich Puma unter Gulden präsentiert hatte, ist kaum noch etwas übrig. Der einst junge, dynamische Herausforderer der großen Marktführer beschäftigt sich jetzt mit Kosteneffizienzprogrammen, um zumindest die Marge irgendwie aufzupolieren, wenn es schon mit dem Umsatzwachstum nichts wird. Weltweit sollen 500 Stellen wegfallen, davon etwa 150 in der Zentrale in Herzogenaurach. „Wir wenden uns ab von einem Zeitalter, in dem wir uns nur auf Umsatzmaximierung fokussiert haben", sagte Freundt dem Handelsblatt.
„Tempokatze" soll es richten
Gegen Kosteneffizienz spricht erst einmal wenig, auch Adidas streicht schließlich Personal und will die Marge steigern, doch Puma fehlt mittelfristig eine Antwort auf die Frage, wie die Markenbegehrlichkeit wieder steigen soll. Die Rolle des coolen Herausforderers haben andere übernommen, die vor allem für ihre Schuhe bekannten Marken On und Hoke zum Beispiel. Und ausgerechnet Adidas hat es mit zwei Retro-Schuhen geschafft, die junge Generation wieder zu begeistern.
Freundt will mehr Geld in Marketingkampagnen stecken, zudem erhofft sich Puma von seinem neuen Low-Terrace-Schuh „Speedcat" einen Absatzschub. Die „Tempokatze" soll ab Sommer nach bislang ermutigenden Verkaufssignalen in höheren Stückzahlen auf den Markt kommen. Ob das für ein Comeback reicht? Anleger setzen nicht darauf. Dabei spricht für Puma, dass auch Nike in der Krise steckt. Es ist ein typisches Phänomen am Sportartikelmarkt, dass die großen Marken selten gleichzeitig gleich beliebt am Markt sind. Weil es keine großen Qualitätsunterschiede gibt, entscheiden die Unterschiede in der Begehrlichkeit beim Kauf. Und letztere kann sich, das zeigt das Beispiel Adidas, sehr schnell ändern. Kurseinbrüche wie die der Puma-Aktie bieten daher immer auch eine Chance für eine Wende. Für den Moment allerdings scheint es, als befänden sie sich bei Puma immer noch alle in einer Art Schockstarre, nachdem ihr Erfolgsmanager mal so eben die Straßenseite gewechselt hat.

