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Richtig verschlüsselt

Comforte sichert Software Daten – weltweit. Darauf verlassen sich große Kreditkartenunternehmen wie Visa und Mastercard.

Comforte sichert Software Daten – weltweit. Darauf verlassen sich große Kreditkartenunternehmen wie Visa und Mastercard.© Comforte

Eine Kugel Brombeereis im Dalsland Center in Westschweden, ein Strickpullover auf der Orkneyinsel North Ronaldsay, der Leihwagen am Flughafen in Barcelona – wer reist, zahlt meist mit Kreditkarte. Sicher ist das Geschäft, ist ja eine Kreditkarte, oder? Doch auch wenn mit Mastercard oder Visa die Namen großer US-Firmen auf dem Plastik stehen, die Technik, die den sicheren Datenaustausch garantiert, kommt aus Deutschland, genauer: von Comforte aus Wiesbaden.

Der Mittelständler mit 150 Mitarbeitern hält die ungleich größeren Konkurrenten wie Protegrity aus den USA, Voltage aus UK oder auch Thales aus Frankreich auf Abstand. Chef in Wiesbaden ist seit 2016 Michael Deissner. Zuvor hat der 54-Jährige unter anderem als Vorstandsassistent von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp gearbeitet, die Eishockeymannschaft der Adler Mannheim saniert und ein Biotech-Unternehmen mit aufgebaut. Und jetzt also Comforte. Deissner – angegraute Haare, weißes Hemd, keine Krawatte – hat sehr gute Laune, was auch daran liegt, dass das Geschäft brummt.

„15 der 25 größten Banken weltweit nutzen die Software, drei der fünf größten Kreditkartenanbieter und drei der 15 größten Einzelhandelskonzerne“, sagt Deissner. Darunter sind Discover, Mastercard und Visa sowie die US-Kette Macy’s. Rund drei Viertel des Geschäfts laufen in den USA, eine Besonderheit für ein deutsches Unternehmen.

Amerikanische Unternehmen seien innovativer als deutsche, näher am Marktgeschehen, sagt Deissner. Und offenbar haben sie auch schneller erkannt, wie zentral verschlüsselte Daten sind. Bereits 2006 gründete Comforte deswegen eine US-Tochter. Inzwischen gibt es auch einen Standort in Singapur und einen weiteren in Sidney.

Neben der Qualität des Produkts sieht der CEO im deutschen Firmensitz einen echten Wettbewerbsvorteil: „Wir sind nicht verpflichtet, eine Hintertür für staatliche Stellen in unsere Software einzubauen.“ Das sei bei US- und asiatischen Firmen anders. Hinzu kommt: „Wir sind technisch deutlich moderner als unsere Konkurrenten“, sagt er.

 

Der Trick mit dem Token

Wie modern Comforte ist, zeigt sich unter anderem darin, dass die Verschlüsselung des Unternehmens bereits jetzt quantenresistent ist. Dabei werden Quantencomputer, deren Rechenleistung jene herkömmlicher Computer bei Weitem übersteigt, für Unternehmen erst in fünf bis zehn Jahren relevant, wie Deissner glaubt. Derzeit wird vor allem geforscht, etwa von Google oder IBM. Auch deutsche Forscher arbeiten an den neuartigen Rechnern. Stabil laufende Quantencomputer für den Masseneinsatz gibt es noch nicht.

Was macht die Software? Sehr vereinfacht verschlüsselt sie Daten, sobald sie entstehen, etwa wenn der Kunde seine Kreditkarte an der Tankstelle in Los Angeles in das Bezahlterminal schiebt. Sie verwandelt die Klardaten in ein sogenanntes Token – ein Zeichen. So verschlüsselt wandern die Daten zum Beispiel zu Visa, wo sie wieder in Klardaten verwandelt werden. „Das ist ein reines Rechenprogramm“, sagt Deissner. Wichtig für ihn: Die Daten werden nirgendwo zwischengelagert, schon gar nicht bei Comforte. Auf die Algorithmen, den Rechenweg zum Verschlüsseln, haben die Wiesbadener weltweit Patente. Das Programm muss schnell sein: Allein bei Visa geht es um 4000 bis 5000 Kartentransaktionen – pro Sekunde.

Der besondere Clou: Sind die Daten verschlüsselt, also tokenisiert, behalten sie ihr Format. Es ist klar, dass es sich zum Beispiel um eine Kreditkarte handelt, aber nicht, von wem. Wichtig, wenn die Daten mit künstlicher Intelligenz (KI) und Machine-Learning in einer Cloud ausgewertet werden sollen, ohne dass persönliche Informationen bekannt werden. Wird klassisch verschlüsselt, ist nicht immer klar, welches Format die Ausgangsdaten haben.

Mit der Comforte-Lösung kann eine Software beim Kreditkarteninstitut erkennen, wenn eine Karte zeitlich nah beieinander in einer Bar in Bangkok und in einem Bekleidungsgeschäft in Johannesburg eingesetzt wird. In solch einem Fall wird ein Missbrauchsverdacht gemeldet, ein Mitarbeiter der Bank kann sich dann die Klardaten ansehen und beim Kunden nachfragen.

Vor Hackern, die Daten stehlen und drohen, sie im Netz zu verkaufen, kann die Software von Comforte nicht schützen. „Aber sie macht einen solchen Angriff langweilig“, behauptet Deissner. „Die geklauten Daten lassen sich nicht verwenden.“ Sind ja verschlüsselt.

Wenn die Software technisch weit vorn ist, warum ist das kleine Unternehmen, immerhin seit 2018 eine AG, noch eigenständig? Zahlungskräftige Konzerne oder Finanzinvestoren suchen solche Mittelständler mit enormem Potenzial. Oder wie Deissner es formuliert: „Es gibt ja kaum ein spannenderes Thema als Datensicherheit.“ Doch ein Käufer allein reicht nicht. Comforte gehört vollständig den Gründern um Michael Rossbach und bestehenden wie ehemaligen Mitarbeitern. Viele halten die Anteile seit 2001.

Auch sonst scheint das Unternehmen eine Art verschworene Gemeinschaft zu sein. Was möglicherweise auch an der besonderen Arbeitsatmosphäre liegt, die der CEO als partnerschaftlich beschreibt. „Wir waren schon vor Corona homeofficeorientiert, hatten Vertrauensarbeitszeit.“ Beim Gehalt für neue Mitarbeiter könne man nicht mit den Oracles dieser Welt mithalten, beim Umfeld und der Aufgabe aber schon. Offenbar erfolgreich: „Die Fluktuation geht praktisch gegen null, das wundert mich auch immer wieder“, sagt Deissner.

Die Software wird direkt oder über ausgewählte Technologiepartner vertrieben. Die Kunden buchen sie für ein, drei oder fünf Jahre, zahlen eine jährliche Miete. Zuletzt setzte Comforte knapp 30 Millionen Euro um, Tendenz steigend, wie Deissner sagt. Die Firma schreibt praktisch seit ihrer Gründung vor fast 25 Jahren schwarze Zahlen. Und das wird ziemlich sicher so bleiben.

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