
Eigentlich geht es der Weltwirtschaft gut. Die Konjunktur ist stabil, und robust wachsende Regionen wie Euro-Zone, Nordamerika sowie zahlreiche asiatische Staaten beleben den globalen Handel. Zugleich jedoch hemmt zunehmender Protektionismus die Dynamik.
Der Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China sowie der EU spitzt sich seit Monaten immer weiter zu. Zudem stehen weiterhin ungelöste politische Krisen in Russland und der Ukraine, in der Türkei und dem Nahen und Mittleren Osten einer ungetrübten Dynamik im Außenhandel entgegen. Und nicht zuletzt sorgen der kurz bevorstehende EU-Austritt Großbritanniens sowie die handelsfeindliche Politik der US-Regierung für Einschränkungen bei Geschäften. Viele international agierende deutsche Unternehmen sind entsprechend verunsichert.
Eine aktuelle Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) beweist die aktuelle Brisanz von Handelsschranken. 40 Prozent der befragten Unternehmen geben gegenüber dem DIHK an, in den vergangenen zwölf Monaten eine Zunahme an Handelshemmnissen erlebt zu haben. Das sind so viele wie noch nie seit der Finanzkreise 2008. Bereits in der Umfrage des Vorjahres hatte knapp ein Drittel der Befragten zunehmenden Protektionismus beklagt.
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Diskriminierung gegenüber lokalen Wettbewerbern
Selbst wenn deutsche Unternehmen also internationale Geschäftspartner und Kunden gefunden haben, müssen sie sich beim operativen Abarbeiten ihrer Aufträge immer häufiger mit zeitintensiven und komplexen Prozessen plagen – und werden im Zielmarkt bisweilen trotzdem gegenüber lokalen Wettbewerbern diskriminiert. Befragt wurden vom DIHK 2.100 deutsche Unternehmen aller Größenordnungen, die in einem oder mehreren ausländischen Märkten geschäftlich aktiv sind.
Konkret berichten diese Unternehmen von einem Anstieg lokaler Zertifizierungsanforderungen. Diesen zufolge müssen Produkte in einigen Ländern neben den gängigen internationalen Standards weitere Anforderungen erfüllen, um eingeführt und verkauft werden zu dürfen. 64 Prozent der befragten Unternehmen fürchten, dass dadurch der Handel mit Waren und Dienstleistungen erheblich eingeschränkt werden könne. Ein Beispiel für lokale Zertifizierung ist Saudi-Arabiens neue Vorschrift zur oxo-biologischen Abbaubarkeit von Kunststoffen, schreibt der DIHK.
Sie erstrecke sich nicht nur auf die Herstellung und Einfuhr des jeweiligen Kunststoffproduktes selbst, sondern auch auf Kunststoffmaterialien, die lediglich als Transportverpackung der zu importierenden Hauptware verwendet werden (zum Beispiel Folien, mit der Haushaltsgeräte eingepackt werden). Zusätzliche Zertifizierungsverfahren dieser Art sind für exportierende Unternehmen mit hohem zeitlichem und meist auch finanziellem Aufwand verbunden. Der Marktzutritt wird erheblich erschwert und teurer.
Local-Content-Vorschriften behindern freien Handel
Gleiches gilt für zusätzliche länderspezifische Sicherheitsanforderungen. In der Türkei zum Beispiel müssen viele Produkte trotz des einheitlichen europäischen CE-Kennzeichens extra vor Ort zertifiziert werden. 56 Prozent der Unternehmen berichten, dass es immer mehr solcher Vorschriften gäbe. Vor allem in Russland, dem Nahen und Mittleren Osten sowie der Türkei sehen sich die befragten Unternehmen solchen Hemmnissen gegenüber.
Jedes fünfte von der DIHK befragte Unternehmen beobachtet zudem eine Zunahme an sogenannten Local-Content-Vorschriften. Diese legen fest, dass ein gewisser Anteil der Produktion vor Ort erfolgen muss, um Waren im jeweiligen Markt verkaufen zu dürfen. Derartige Vorschriften laufen dem Ideal eines international fairen Handels entgegen.
Sie können die Wahl neuer Produktionsstandorte beeinflussen und so dazu führen, dass nicht der für das Unternehmen wirtschaftlichste, sondern der politisch gewünschte Standort ausgewählt wird. Zusatzkosten für die Unternehmen und Preissteigerungen sind häufig das Resultat. Ein Beispiel für Local-Content-Vorschriften sind sogenannte Buy-American-Klauseln, durch die in den USA hergestellte Produkte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt werden.
Zölle trafen schon 2017 jedes fünfte Unternehmen
Eine unliebsame Renaissance könnten demnächst auch Zölle erleben: Auf die von US-Präsident Trump angekündigten Strafabgaben auf Stahl- und Aluminiumimporte wollen die Handelspartner – China und die EU – mit Gegenmaßnahmen reagieren. Mehr als jedes fünfte befragte Unternehmen musste laut DIHK-Umfrage schon im vergangenen Jahr mehr Zölle auf seine Produkte zahlen.
Welche Auswirkungen der derzeit brodelnde Handelsstreit zwischen den USA und China für deutsche Unternehmen haben wird, lässt sich derweil noch nicht abschätzen. In der Umfrage ist er noch nicht berücksichtigt. Dennoch ist klar: Gerade für die stark exportabhängige deutsche Wirtschaft ist der Handelskrieg der beiden gigantischen Volkswirtschaften ein Grund zur Sorge.
Hinzu kommt, dass die Welthandelsorganisation WTO derzeit durch die USA geschwächt wird, weil Richterstellen für Schiedsverfahren nicht besetzt sind. Dies könnte andere Länder zur Nachahmung ermutigen und eine Abwärtsspirale zu Lasten des Welthandels auslösen. Gerade jetzt wären aber eine starke WTO und die Durchsetzung internationaler Regeln wichtig, um den Unternehmen die notwendige Sicherheit im internationalen Geschäft zurückzugeben, urteilt der DIHK.
Mitarbeiterentsendung innerhalb der EU komplizierter
Auch in ihrer direkten Nachbarschaft erleben deutsche Unternehmen neue Handelshemmnisse, nämlich bei der EU-Dienstleistungsfreiheit. So klagen 12 Prozent der von dem DIHK befragten Unternehmen über bürokratische Hürden bei der kurzzeitigen Entsendung von Mitarbeitern in ein anderes EU-Land. Immerhin ist der Zugang zu öffentlichen Aufträgen laut Studie einfacher geworden: Nur noch 11 Prozent der Unternehmen monieren Hindernisse in diesem Bereich – im Vorjahr waren es 14 Prozent.
Auch die Vorgaben zum Technologietransfer behindern lediglich noch 6 Prozent, gegenüber 9 Prozent in der Vorjahresbefragung. Weitere Handelshemmnisse, über die sich die Unternehmen beschweren, sind die Sanktionen gegen den Iran und Russland sowie Schwierigkeiten bei der Visumsvergabe.
Ein Viertel der im Ausland aktiven deutschen Unternehmen erwartet dennoch eine bessere Entwicklung der Geschäfte im Jahr 2018, lediglich 10 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus. Die Produkte des deutschen Mittelstands sind weltweit gefragt – dem scheint auch Protektionismus bisher kaum etwas anhaben zu können.