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Zukunftsmärkte > Hidden Champion

Rutschen aus Rasdorf: Mittelständler weltweit erfolgreich

Bei der Firma Josef Wiegand geht es seit Jahrzehnten stetig bergab. Bei dem mittelständischen Hersteller von Rutschen und Sommerrodelbahnen ist das aber kein Grund zur Sorge. Innovationen testet der Chef Hendrik Wiegand oft selbst.

Mit dem grauen Hemd, der schwarzen Jeans und dem Ford Mondeo in der Garage wirkt Hendrik Wiegand ziemlich bodenständig. Der 55-Jährige ist verheiratet, katholisch und hat zwei Kinder. Auf den ersten Blick jedenfalls wirkt der Unternehmer so gar nicht wie einer, der sein Geld mit dem Nervenkitzel anderer verdient. Dabei entwickelt Hendrik Wiegand mit dem nach seinem Vater Josef Wiegand benannten Unternehmen die verrücktesten Rutschen der Welt.

Die schnellste Highspeed-Rutsche des Hidden Champions beschleunigt den „Fahrgast“ in nur zwei Sekunden auf rund 60 Kilometer pro Stunde – das ist fast so schnell wie im freien Fall. Rutschen sind längst Spaßmaschinen geworden, die sich darüber verkaufen, dass sie Limits immer weiter verschieben. „Der Benutzer soll beim Rutschen in einen Grenzbereich kommen, aber gleichzeitig muss er sich wohl und sicher fühlen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Josef Wiegand.

1968 machte sich sein Vater als Betreiber von Sesselliften selbstständig. Als Ende der siebziger Jahre seine Anlagen wegen Schneemangels manchmal nur wenige Wochen im Jahr in Betrieb sind, sucht Josef Wiegand eine Lösung für eine bessere Auslastung. 1975 verlegt der findige Unternehmer eine 700 Meter lange geschwungene Metallrutsche auf der Wasserkuppe und konstruiert dazu einen Schlitten, mit dem man herunterfahren kann. Es ist die erste Edelstahl-Sommerrodelbahn der Welt. Für den Rückweg zum Start steht der Lift bereit. Das Konzept geht auf und ermuntert den Skiliftkönig dazu, auch Metallrutschen für Kinder und Erwachsene zu verkaufen.

Heute sorgen die Sommerrodelbahnen, bei denen Wiegand Weltmarktführer und Exportweltmeister ist, für ein Drittel des Jahresumsatzes von rund 40 Millionen Euro. Ein weiteres Drittel entfällt auf Rutschen, von denen einige sehr spektakulär sind. „Innovationen sind eine Marktanforderung, um uns von der Billigkonkurrenz abzuheben“, sagt er. Ein zweiter Hebel, um dieses Ziel zu erreichen ist die Kundenorientierung: Im Gegensatz zu den Herstellern aus Amerika und Asien liefern die Hessen für jede Umgebung maßgeschneiderte Lösungen.

Ein Rutschenrad als Meisterstück

In der Therme Erding hat Wiegand beispielweise fast 30 Rutschen unter einer Kuppel installiert. Das Knäuel wirkt wie eine Raumstation aus einer fremden Galaxie. Nebenbei ist dies ein perfekter Showroom. Das Meisterstück von Wiegand gibt es allerdings woanders zu sehen: das „Slidewheel“. Dieses Rutschenrad ähnelt einem überdimensionalen Knoten, der sich in einer Minute zweimal um die eigene Achse dreht. Erfunden hat es ein Schweizer, die Entwicklung zur Marktreife erfolgte in Rasdorf. Die hohen Entwicklungskosten von rund zwei Millionen Euro stießen beim damaligen Vertriebsleiter auf Skepsis. „Ich habe bei der Entscheidung auf meinen Bauch gehört“, meint Hendrik Wiegand. Der Chef forcierte das Projekt. Heute drehen sich Slidewheels in China und Polen – zwei weitere befinden sich in der Volksrepublik im Bau. Allerdings blieben die erwarteten Aufträge aus den USA aus, weshalb Wiegand die Lizenz mittlerweile weiterverkauft hat.

Hendrik Wiegand sieht es aber positiv: „Wir haben bei der Entwicklung des Slidewheel sehr viel gelernt, und wir sind dadurch in der Öffentlichkeit viel bekannter geworden.“ Und schließlich kam der Spaß auch nicht zu kurz. Der 55-Jährige ist vielleicht kein Adrenalinjunkie, aber auch kein Langweiler. Den spektakulären Rutschenknoten persönlich zu testen hat er sich nicht nehmen lassen. „Das ist aber nur ein Bruchteil meiner Aufgaben“, sagt der Unternehmer: „Leider.“

Zahlen & Daten

Josef Wiegand GmbH & Co. KG

  • Gründung: 1968
  • Umsatz: ca. 40 Millionen Euro
  • Exportanteil: 85 Prozent
  • Mitarbeiterzahl: 400, davon 350 in Deutschland
  • Firmensitz: Rasdorf

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