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Zukunftsmärkte > Übernahmen

Schnäppchenjagd im Mittelstand

Manche ausländische Unternehmen sind schneller durch die Krise gekommen als deutsche. Sie könnten hier auf Einkaufstour gehen.

Dank großzügiger Kurzarbeitsregelungen und staatlicher Überbrückungshilfen sind Deutschlands Unternehmen halbwegs glimpflich durch die Corona-Pandemie gekommen. Die große Pleitewelle, die manche Experten befürchteten, ist bisher ausgeblieben. Dennoch ist vor allem der Mittelstand angeschlagen. Deutschland könnte zum Einkaufsparadies der Investoren werden. Kurosch Daniel Habibi rechnet mit einer Kaufwelle aus dem Ausland. "Käufer wittern in Deutschland eine Chance auf günstige Zukäufe. Sie sind auf Schnäppchenjagd", sagt er. Habibi ist Co-Gründer von Carl, einem Unternehmen, das vor allem Firmen mit einem Umsatz bis zu 50 Millionen Euro hilft, einen Käufer zu finden – und dieses Geschäft komplett begleitet. Die Firma aus Berlin hat direkten Zugang zu mehreren Tausend Kaufinteressenten aus verschiedenen Branchen.

Bei seinen Kunden hat er beobachtet, dass die operativen Erlöse pandemiebedingt gesunken sind. Zudem sind einige finanziell angeschlagen: "Das Eigenkapital ist in vielen Unternehmen in den vergangenen zwölf bis vierzehn Monaten gesunken. Viele Unternehmer mussten nachschießen und haben dafür teilweise ihre Altersvorsorge angezapft", sagt Habibi. Auch habe mancher Unternehmer keine Lust auf noch eine weitere Krise und wolle sich von seiner Firma trennen. Interessenten kommen oft aus dem Ausland. "International sind viele Unternehmen deutlich besser durch die Krise gekommen, vor allem in Fernost und in Nordamerika, teilweise auch in Großbritannien", sagt Habibi. "Die haben viel Geld, können jetzt reichlich zukaufen. Und wollen das auch." In der Krise haben vor allem der stationäre Einzelhandel und die Gastronomie gelitten, nicht unbedingt die Branchen, die für ausländische Investoren interessant sind. "Gesucht sind Firmen vor allem aus den Bereichen Software und IT, E-Commerce, Handwerk und dem Gesundheitswesen", hat Habibi festgestellt.

Auch beim Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) ist man bereits aufmerksam geworden. "Ganz sicher steigt die Gefahr, dass die in weiten Teilen ausgezehrte Eigenkapitaldecke der Unternehmen vermehrt zu Übernahmen und Unternehmensverkäufen führt", sagt BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz. "Derzeit besteht ein Käufermarkt für kleine und mittlere Unternehmen. Das beobachten wir mit großer Sorge." Er sieht die Bundesregierung in der Pflicht. Ob es einen Ausverkauf gibt, werde maßgeblich davon abhängen, ob es gelinge, die Liquidität und eben auch die Eigenkapitaldecke der Unternehmen rasch zu stärken, sagt er. Der Weg dahin ist aus Sicht des Verbands unter anderem: weniger Sozialabgaben, weniger Steuern, weniger Bürokratie.

Auch für Habibi ist angesichts der drohenden Schnäppchenjagd klar: "Das sollte die Bundesregierung berücksichtigen und den drohenden Ausverkauf im Mittelstand, auch der kleinen Unternehmen, mit Augenmaß verhindern." Etwas anders schätzt Matthias Bianchi, Leiter Public Affairs beim Deutschen Mittelstands-Bund, die Lage ein. "Ein gesteigertes Interesse aus dem Ausland am ,German Mittelstand‘, der einen hervorragenden Ruf weltweit genießt, besteht natürlich. Dies war aber auch schon vor dem Beginn der Corona-Pandemie zu beobachten." Allerdings sagt auch er: "Die internationalen Kapitalmärkte sind in Bewegung und die Risikobereitschaft ist insbesondere von angelsächsischen und asiatischen Investoren in Krisenzeiten höher." In den vergangenen Jahren hatte die Bundesregierung bereits das Außenwirtschaftsgesetz verschärft, um zu verhindern, dass strategisch wichtige Zukunftstechnologien ins EU-Ausland verschwinden könnten. So kann das Bundeswirtschaftsministerium Investoren verbieten, sich an Firmen in sicherheitsrelevanten Hoch- und Zukunftstechnologiebranchen zu beteiligen.

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