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Zukunftsmärkte > Weniger Patentanmeldungen

Sind Frauen die schlechteren Erfinder?

Eine neue Studie zeigt: Nur jede zehnte Erfindung stammt von einer Frau. Damit liegt Deutschland in Europa sehr weit hinten und Lichtjahre hinter Ländern wie Südkorea oder China. Was die Gründe dafür sind und welchen Lichtblick es gibt.

Die amerikanische Schauspielerin und Schriftstellerin Lizzie Magie erfand 1902 das Brettspiel „The Landlord`s Game“.Quelle: Anspach Archives

Vielleicht wäre die Welt eine bessere, wenn sich Lizzie Magie mit ihrer Idee hätte durchsetzen können. Die amerikanische Schauspielerin und Schriftstellerin erfand 1902 das Brettspiel „The Landlord`s Game“ in zwei Varianten: Die eine basierte auf Zusammenarbeit der Spieler und dem Streben nach Gemeinwohl. Die zweite Variante, die ihr weit weniger am Herzen lag, ähnelte dem Raubtierkapitalismus. Dann passierten drei Dinge: Männer klauten ihre Brettspiel-Idee, spitzten die zweite Version ein wenig zu und verdienten Milliarden damit. Als alte Frau bekam Lizzie Magie 500 Dollar, quasi als Handgeld für das Patent. Das Brettspiel hat seit geraumer Zeit übrigens einen anderen Namen: Monopoly.

Diese Geschichte ist kein Ausreißer, sondern die Regel. Der Friedhof der nie realisierten Erfindungen liegt voll mit Ideen, die von Frauen stammen und von Männern kleingemacht wurden. Bertha Benz war bekanntlich große Anhängerin des Elektroantriebs. Verrückte Idee, sagten die Männer und setzten die Benzinvariante um. Oder eine Nummer kleiner: Der Rollkoffer wurde von Frauen rund 30 Jahren früher erfunden, bevor er sich durchgesetzt hat, weil es Männern zu unmännlich vorkam, das Gepäck nicht zu tragen. Und weil sie vielleicht auch kein gesteigertes Interesse daran hatten, das Frauen allein vereisten – was der Rollkoffer sehr viel leichter gemacht hat.

 

Deutschland im Vergleich weit hinten

Wie die aktuelle Lage aussieht, veröffentlicht das Europäische Patentamt heute in einer umfangreichen Analyse, die Markt und Mittelstand vorab exklusiv vorlag: Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre kamen lediglich zehn Prozent der angemeldeten Erfindungen hierzulande von einer Frau. Für Europa liegt diese sogenannte Women Inventor Rate (WIR) bei 13,2 Prozent. „Deutschland steht in puncto Erfinderinnenquote auf dem vorletzten Rang in Europa“, sagt Ilja Rudyk, Senior Economist beim Europäischen Patentamt, einer der Herausgeber der Studie. Lediglich Österreich steht unter uns. Oben in der Rangliste befinden sich Länder wie Spanien und Portugal.

Ein Grund für den hohen Anteil der iberischen Länder ist, dass hier überproportional viele Patente im Bereich Pharma- und Chemie angemeldet werden, wo mehr Frauen in der Forschung tätig sind als zum Beispiel beim Maschinenbau oder der Elektrotechnik, wo Deutschland stark ist. Und je mehr Erfindungen in Unternehmen generiert werden, desto höher ist die Männerquote: „Tendenziell ist es so, dass bei Patentanmeldungen aus öffentlichen Einrichtungen Frauen häufiger als Erfinder genannt werden als in Anmeldungen aus der freien Wirtschaft.“

Doch auch bei einem Vergleich der Quote aus der aus der privaten Wirtschaft schneidet Deutschland schlecht ab. Hierzulande liegt die WIR bei 8,4 Prozent. In Frankreich sind es zum Vergleich 13,0 Prozent, in Spanien 18,3. „Sehr unterschätzt wird zum Beispiel die Türkei. In Europa gibt es nur wenige Länder, in denen Frauen prozentual mehr Erfindungen einreichen“, sagt Rudyk. Weltweit betrachtet liegen die WIR in China und Südkorea deutlich über den europäischen Werten bei knapp 30 Prozent. Die USA sind leicht über Europa und Japan selbst noch unter dem deutschen Wert. Die Werte 13,2 Prozent für Europa oder zehn Prozent für Deutschland mögen dramatisch niedrig anmuten, sind aber im historischen Vergleich so hoch wie noch nie: „Positiv ist immerhin, dass die Quote der Erfindungen, die von Frauen stammen, kontinuierlich steigt“, sagt Rudyk. In den 70er-Jahren lag die WIR noch bei zwei Prozent. Sie hat sich also mehr als versechsfacht seitdem.

 

Komplexe Suche nach den Gründen

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum Frauen praktisch überall in der Welt deutlich weniger als 50 Prozent der Erfindungen tätigen: Frauen kommen deutlich schwieriger an Wagniskapital, was die Lust nimmt, eine Erfindung einzureichen. Dass die Unternehmen lieber einen Mann als Erfinder nennen, obwohl eine Frau genauso beteiligt war, darf man ausschließen. Das wäre juristisch heikel und politisch unklug. „Es scheint auch bei Erfindungen eine Art gläserne Decke zu geben. Warum der Prozentsatz so niedrig ist, lässt sich für die Gesamtheit aller Erfindungen mit einer Studie schwer ermittelt. Das muss jede Organisation selbst bei sich anfangen zu analysieren“, sagt Rudyk. Ein Grund sei, dass Frauen tendenziell seltener allein voranpreschen: „Frauen sind häufiger Teil eines Teams und selten alleinige Erfinder.“

Die enormen Unterschiede im weltweiten Vergleich deuten aber vor allem darauf hin, dass es vor allem kulturelle Hintergründe gibt. Wenn die WIR in Japan bei unter zehn Prozent liegt und in Südkorea oder China bei über 30 Prozent, zeigt dies ja auch, dass es nicht am Bildungsniveau liegen kann. Auch hierzulande studieren genauso viele Frauen wie Männer Fächer, aus denen sich üblicherweise Erfinderinnen und Erfinder entwickeln. Es scheint ein ähnliches Phänomen zu geben wie bei der Quote von Frauen in Führungspositionen: Ab irgendeiner Stelle reißt der Erfolg von Frauen ab.

Vorurteile sind das größte Problem

Die schwedischen Wirtschaftsjournalistin Katrine Marçal hat diese Frage in ihrem Buch „Die Mutter der Erfindung“ analysiert, das derzeit für Furore sorgt. Historisch betrachtet wurden Frauen und ihre Ideen über Jahrhunderte hinweg ignoriert oder beklaut. Und ihre Erfindungen bekamen unterdurchschnittlich Beachtung. Von der Bronzezeit hat jeder schonmal gehört, von der Keramikzeit nicht – dabei ist diese (weibliche) Erfindung mindestens genauso relevant. „Geschlechterrollenerwartungen haben im Lauf der Geschichte auf ganz unterschiedliche Weise Innovationen verhindert“, schreibt Katrine Marçal. Die heutige Wirtschaftsordnung schließe Frauen von der Finanzierung aus: „Ihr niedrigeres Einkommen sorgt in Verbindung mit den noch immer hauptsächlich von ihnen erledigten häuslichen Pflichten dafür, dass sie viel weniger an der Erfindung der Welt teilhaben als Männer.“ Das präge die Maschinen, die wir bauen, die Ideen, die wir haben, und die Zukunftsvisionen, die wir entwickeln. „Wir haben uns, wenn es um Innovation geht, bis heute eine Hand auf den Rücken gebunden. Man stelle sich vor, was wir erreichen könnten, wenn wir diese Fessel kappen.“

Dass Frauen bestimmte Tätigkeiten ausüben und Männer andere, sei ein grundlegendes Merkmal heutiger Volkswirtschaften. „Wir wollen vielleicht nicht, dass es so ist. Aber es ist so.“ In Zahlen heißt das: In Europa sind 69 Prozent der fest angestellten Frauen in Branchen tätig, in denen zu über 60 Prozent Frauen arbeiten. In Deutschland arbeiten 69 Prozent aller Männer in Wirtschaftszweigen, in denen mindestens 70 Prozent aller Arbeitskräfte männlich sind. In den USA sind 80 Prozent aller Grundschul- und Mittelschullehrkräfte, der Pflegenden und der Beschäftigten im Bereich Büroorganisation weiblich. Das alles hat mit Stereotypen zu tun: Wir sortieren Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, vorab in Schubladen – zum Schaden aller. Immerhin kann sich ändern, welche Arbeitsbereiche männlich und welche weiblich dominiert. Ein Beispiel: In Namibia und Tansania sind zum Beispiel die meisten Elektriker weiblich.

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