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Politik > Erneuerung jetzt!

Ein Weckruf für Deutschland: Zeit, das Ruder herumzureißen

Die Wirtschaft lahmt, die Zahl der Insolvenzen häufen sich und selbst bekannte Konzerne wie ZF, SAP oder Bosch bauen Tausende von Stellen ab.

Deutschland muss jetzt handeln und die Infrastruktur erneuern, um Bürokratie, Energiekosten und Fachkräftemangel zu überwinden. (Foto: picture alliance)

Stillstand in der Wirtschaft wird von einer trägen Politik befeuert, die sich im Kleinklein aufreibt. Dabei besteht akuter Handlungsbedarf in vielen Bereichen: Überbordende Bürokratie, marode Infrastruktur, schlechte Bildungsstätten und ein krankes Gesundheitssystem sind nur einige Beispiele.

„Was ist los mit unserem Land? Im Klartext: Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression – das sind die Stichworte der Krise. Sie bilden einen allgegenwärtigen Dreiklang, aber einen in Moll.“

Diese Zustandsbeschreibung fasst die aktuelle Lage gut zusammen. Sie ist jedoch 27 Jahre alt. Damals hat Bundespräsident Roman Herzog den Deutschen ins Gewissen geredet.

Die Transformation in großen Teilen der Wirtschaft, der Klimawandel, das Ende der friedlichen Zeit in Europa erscheinen als Einschnitte ohne Vergleich. Doch man denke nur an Ölkrise, Massenarbeitslosigkeit, die Folgen der deutschen Einheit, das Ende von Kohle und Stahl, die Finanzkrise oder millionenfache Zuwanderung. Alles Ereignisse, die unser Land schwer erschüttert haben. Bewältigt wurden sie, weil die Haltung „weiter so“ durch mutiges Handeln ersetzt wurde. Und allen Prüfungen ist gemein, dass die Gemeinschaft das Problem gestemmt hat. Manchmal war sogar der Wille größer als der Erfolg. Man denke nur an das gescheiterte „Bündnis für Arbeit“.

Die Politik sitzt in ihrem ideologischen Laufstall fest.

Wieder erleben wir Stillstand allenthalben. Das mag hier und da wahlstrategisch Sinn ergeben, doch das Land bringt es nicht weiter. Im Gegenteil: Der Erfolg der Populisten belegt, dass die Bürger mehr erwarten.

Die Menschen erwarten Lösungen, konstruktives Miteinander und eine Perspektive. Fundamentalopposition und kleinkariertes Kaputtreden von Koalitionsabsprachen haben inzwischen dem Ansehen der Politik und dem Land insgesamt erheblich geschadet. Um es mit Herzog zu sagen: Diese Selbstblockade können wir uns nicht mehr länger leisten. Das Gebot der Stunde ist ein klares Bekenntnis zu einer umfassenden Erneuerung der Infrastruktur. Zudem sollte Politik deutlich definieren, dass der Staat ein Netz aber keine Hängematte knüpfen kann und soll.

Inzwischen hat die Unzufriedenheit in der Wirtschaft ein bedenkliches Maß erreicht. Denn die aktuellen Hürden wie Bürokratie, Energiekosten oder Fachkräftemangel hemmen ein Wachstum, das in anderen Ländern stattfindet. Das bedeutet: Dort werden Waren und Dienstleistungen gekauft und erbracht, die noch bis vor kurzem von deutschen Unternehmen kamen. Vor allem der Mittelstand macht über die Verbände inzwischen massiv Druck. Die Funktionäre schlagen inzwischen entsprechend merklich harschere Töne an. Doch leider hören die Adressaten nicht zu oder verstehen die Dramatik nicht.

Ohne Arbeitsplätze gibt es auch keine Steuerzahler, die das Geld für die Infrastruktur einzahlen

Allerdings müssen sich die Unternehmen  auch fragen lassen, ob manche Entwicklung nicht verschlafen wurde und ob Verlagerungen ins Ausland langfristig wirklich hilfreich sind. Natürlich ist es bequem, Produktion und Entwicklung nach Indien oder Osteuropa zu verlagern. Allerdings zeigt die Erfahrung aus der Vergangenheit, dass diese Stellen nie wieder zurückkehren. Es fehlen zudem zahlungskräftige Verbraucher und somit verschwinden auch viele Absatzmärkte. Von der Verantwortung dem Land gegenüber ganz zu schweigen.

Die aktuelle Krise ist bei den meisten Bürgern noch nicht angekommen

Massenarbeitslosigkeit droht nicht, weil die Betriebe derzeit jeden halten, so lange es nur geht. Denn es fehlen Fachkräfte allenthalben. Das führt allerdings zu Fehlentwicklungen. Die von Herzog bereits beklagte Erwartung, dass der Staat alles regelt und finanziert, ist quicklebendig.

Der Verlust an Gemeinsinn ist also nicht nur in den Chefetagen mancher Konzerne zu beobachten. „Toben im Bällebad“, hat es ein Unternehmer kürzlich genannt. Immer mehr Betriebe klagen über spontane Krankmeldungen von ein bis zwei Tagen. Junge Bewerber stellen hohe Ansprüche an Freizeit. Karriere ist uninteressant. Ganz im Gegensatz zu den Altersgenossen in Asien oder USA. Der Status quo ist gut genug.

„Innovationsfähigkeit fängt im Kopf an, bei unserer Einstellung etwa zu neuen Techniken, zu neuen Arbeits- und Ausbildungsformen, bei unserer Haltung zur Veränderung schlechthin“, hat Herzog schon vor einem Vierteljahrhundert festgestellt.

Durch Deutschland muss ein Ruck gehen

Die Bremsklötze sind bekannt.Es besteht kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem. Vor 27 Jahren rief der Bundespräsident den Deutschen zu, was aktueller ist denn je: „Die Welt ist im Aufbruch, sie wartet nicht auf Deutschland. Durch Deutschland muss ein Ruck gehen! Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen.

Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, die Großen mehr, die Kleinen weniger – aber es müssen auch alle mitmachen. Dieses Land hat schon viele Krisen gemeistert. Auch die Zeit um die Jahrtausendwende. Das sollte Mut machen. Oder um Herzog zu zitieren: „Wir können etwas gestalten und sogar etwas verändern, wenn wir nur wollen.“

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