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Zukunftsmärkte > Spurwechsel im Kopf

Strukturelle Krise in Deutschland: Gründe und Lösungen für eine nachhaltige Transformation

Jammern und Geld verteilen hilft nicht. Deutschland braucht dringend eine andere Einstellung.

Deutschland steckt tief in einer strukturellen Krise. (Foto: shutterstock)

Deutschland steckt fest in der Rezession. Selbst die Erwartungen für 2025 sind in vielen Unternehmen nicht rosig. In Schlüsselbranchen wie dem Maschinenbau oder der Autoindustrie wird mit einer Erholung nicht vor Sommer 2025 gerechnet. Manche haben das kommende Jahr sogar schon abgeschrieben, bevor es überhaupt begonnen hat. Aber es geht nicht allen so: Nordamerika, Japan, viele Länder Asiens und selbst europäische Nachbarn entwickeln sich positiv. Sie kaufen also weiter Waren, Autos, Maschinen und Anlagegüter ein. Nur nicht bei den Deutschen. Die sind entweder zu teuer oder erfüllen nicht die Erwartungen des Marktes.

Hier wird deutlich: Deutschland steckt tief in einer strukturellen Krise. Die Ursachen sind bekannt.

Hohe Energie- und Arbeitskosten, marode Infrastruktur, die komplexe Transformation und an allen Ecken und Enden fehlen Fachkräfte. Kurzum: Die Probleme sind hausgemacht und deshalb prinzipiell auch lösbar.

Zu lange wurden keine Weichen für eine moderne Infrastruktur, bessere Schulen, ein funktionierendes Gesundheitssystem oder eine zukunftsfähige Einwanderungspolitik gestellt. Stattdessen verteilten die Parteien vermeintliche Wohltaten. Mehr Bürgergeld bringt kurzfristig mehr Stimmen als eine sanierte Kanalisation oder reparierte Brücken, Schulen und Bahntrassen. So harrt auch ein leitungsfähiges Energieversorgungsnetz immer noch der Umsetzung.

 

"Weiter so" geht nicht mehr

Politik reagiert auf die Anspruchshaltung der Bürger. Wenn die nicht auf Zukunftsinvestitionen beharren, geschieht auch nichts – mit dem bekannten Ergebnis. Somit hat diese Krise auch ihr Gutes. Sie führt uns allen recht schmerzlich vor Augen, dass ein „Weiter so“ nicht geht. Wir alle müssen auch gedanklich bereit sein, neue Wege einzuschlagen. Spurwechsel im Kopf sozusagen. Das zaubert über Nacht keine neue Infrastruktur herbei. Doch mit dieser Bereitschaft können einige Hürden schnell abgebaut werden.

Das gilt beispielsweise für den Wust an Normen, Regeln, Gesetzen, Vorschriften, Durchführungsverordnungen und mehr, die jeden Bürger und vor allem die Unternehmen lähmen. Nach einer Umfrage der Kammern in Baden-Württemberg sagen sechs von zehn Betriebe, dass sie ihre Wertschöpfung um zehn Prozent steigern könnten, wäre die Belastung durch die Bürokratie geringer. Spurwechsel bedeutet beispielsweise: Ein Neubau muss sicher und bezahlbar entstehen. Punkt. Die Bauherren sorgen schon dafür, dass gedämmt und moderne Technik eingebaut wird. Denn sonst wäre das Gebäude später nicht zu verkaufen.

Gern verweist die Politik auf die Vorgaben der EU. Doch das stimmt oft nicht. So können Arbeitnehmer in Österreich oder Griechenland – so erforderlich – mehr als zehn Stunden am Tag arbeiten. Sie bewegen sich immer noch im Rahmen der EU-Normen. In Deutschland riskiert der Unternehmer Gefängnis. Die IHK Stuttgart hat mithilfe künstlicher Intelligenz 6300 Landesverordnungen untersucht. Es ergab 548 Berichtspflichten, 713 Dokumentationsvorgaben und 395 Regelungen zu Schriftform. Der Spurwechsel beginnt mit der Rodung dieses Dschungels mit der Kettensäge. Dann ist eben nicht alles haarklein geregelt.

In der Debatte um die Migration steht leider nicht die Frage im Mittelpunkt, wie wir jedes Jahr 400.000 Zuwanderer unterkriegen, die das Fachkräfteproblem lösen könnten. Vielmehr wird darüber gestritten, wie man Leute zurückschickt, die schon da sind. Spurwechsel bedeutet, dass man nicht erst die einzelnen Aufenthaltsrechte jahrelang analysiert. Wer hierbleiben will, soll schnell die Chance bekommen, in Handwerk, Industrie, Gastronomie, Einzelhandel, Pflege oder Bauwirtschaft, die seit Jahren Fachkräfte suchen, unterzukommen. Vielleicht auch mit angepassten Ausbildungswegen, bis die sprachlichen Hürden kleiner sind. Wer das nicht will, muss gehen.

Der nötige Spurwechsel ist offenbar in vielen kleinen und mittelständischen Betrieben noch nicht angekommen. Nach einer Erhebung der IG Metall unter ihren Betriebsräten haben 46 Prozent der Betriebe noch keinen Plan, was das Unternehmen in fünf Jahren machen wird. In Zeiten der Transformation ist das ein verheerendes Ergebnis. Vielleicht sollten sich aber auch die Beschäftigten mehr mit den Chefs über die Zukunft und die Sicherung der Arbeitsplätze beraten, statt nur auf die nächste Lohnsteigerung zu schielen. Der Spurwechsel beginnt eben im Kopf.

Die Probleme sind hausgemacht und deshalb prinzipiell auch lösbar, meint Andreas Kempf.

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