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Zukunftsmärkte > Energie

Supermärkte gegen Industrie: Rauh, aber herzlos

Die Sitten bei Preisverhandlungen im Einzelhandel sind seit jeher nichts für zarte Gemüter. Was aber derzeit vor großem Publikum geboten wird, ist nochmals eine Drehung mehr: Hersteller wie Coca-Cola oder Mars zoffen sich mit Rewe oder Edeka. Wo kommt die neue große Härte her? Und zahlt am Ende doch nur der Kunde? Die wachsende Zahl der Insolvenzen verschärft unterdessen die Lage nur: Hakle und Görtz sind prominente Beispiele.

Hersteller wie Coca-Cola oder Mars zoffen sich mit Rewe oder Edeka: Zahlt am Ende doch nur der Kunde?Bild: Shutterstock

Coca-Cola will mehr. Geld, heißt das. Von uns allen, soweit wir die Erzeugnisse des Milliardenkonzerns zu uns nehmen. Und im Besonderen von den deutschen Supermarktbetreibern, deren vier Große sich achtzig Prozent des Marktes teilen: Edeka und Rewe nebst Töchtern, Aldi, Lidl. Mit denen über Einkaufspreise zu verhandeln war wohl stets schon etwas speziell. Aber daran kann es nicht liegen, dass der Getränkekonzern aus Atlanta, Georgia nun nochmals neue Saiten aufzieht, nämlich gar nicht erst fragt, ob eine acht-bis elfprozentige Erhöhung der Preise denn genehm sei. Und nicht einmal mehr tarnt und täuscht, etwa mit angeblich neuartigem Rezept oder hochwertigerer Verpackung. Mehr Geld für gleiche Ware, und basta.

 

Machtkampf bei Twitter und Co.

Mars macht mobil, aber ganz anders, als sich die urdeutsche Genossenschaft namens Rewe oder die braven Kaufleute von Edeka sich das wünschen würden. Die angekündigten Steigerungen kommentierte man denn auch als „Mondpreise vom Mars“; die Edeka-Tochterkette „Netto“ verwies, wie auch Edeka selbst, auf die Eigenmarken. Dann doch lieber „Choco-Nuts“ von „Gut & Günstig“ statt originaler „M & Ms“? Eine etablierte Marke ist ein scharfes Schwert, weiß man natürlich auch bei den Händlern, denn nur mit Eigengewächsen, auch wenn sie im Einzelfall bis zu 65 Prozent günstiger sind als das Original, kann man kaum Furore und schon gar nicht Kasse machen. Ganz zeitgemäß, rauh aber herzlos, tobt die Schlacht in den sozialen Medien, die PR-Leute haben ihren Tag. Hinter den Kulissen aber herrscht Althergebrachtes, weiß Dr. Jens Weng von der Strategieberatung EY Parthenon: „Preisverhandlungen sind dort traditionell hart, konfrontativer als in anderen Branchen. Da herrscht oft noch das Mindset: Wir teilen den Kuchen, statt zu sagen: Wir machen ihn größer. Das ist einfach historisch so gewachsen“.


Pleiten sind auch keine Lösung

Vom Kuchen hat ganz offensichtlich der Hygienepapier-Hersteller Hakle kein ausreichendes Stück abbekommen. Das traditionsreiche Familienunternehmen, gegründet 1928, meldete nun Insolvenz in Eigenverwaltung an. Die steigenden Holzpreise, und vor allem Energiekosten wie auch hohe Transporttarife machten jede vernünftige Kalkulation hinfällig. Bei der Papierherstellung werden große Mengen Energie verbraucht. Was nun den Kipp-Punkt ausmachte: Es sei nicht gelungen, so Hakle-Chef Volker Jung, diese Belastungen zumindest teilweise an Supermärkte und Drogeriemärkte weiterzugeben. Ein Fall offenbar, in dem sich die Härte anstehender Preisverhandlungen nun tatsächlich einmal drastisch auswirkte. Hakle hofft, durch entsprechende Insolvenzhilfen in einigen Monaten wieder Luft schnappen zu können. Aber die Preisentwicklungen bleiben erst einmal – Hakle hofft einfach, Zeit zu gewinnen. Papier ist geduldig, könnte man meinen.

Ebenfalls die Reißleine gezogen hat gerade der Schuhhändler Görtz. Man sieht sich zwar mit Angebotspalette und Nachfrage gut im Markt, aber, ähnlich wie bei Hakle und jüngst über 120 anderen kleinen und mittleren Unternehmen, machtlos gegenüber den unbeeinflussbaren Fixkosten, die eben nur eine Richtung kennen. Immerhin kann Görtz unter dem Schutzschirm des Verfahrens weiterverkaufen, man hat in Deutschland und Österreich 160 eigene Filialen, der Einzelhandel ist es also nicht, wo Görtz der Schuh drückt. Ein Sanierungsplan soll Ende des Jahres die Rückkehr in den normalen Geschäftsbetrieb ermöglichen. Vorausgesetzt, die Gläubiger stimmen zu. Und dann wäre da noch die Frage, ob die weitere Entwicklung am Strom- und Gasmarkt nicht überraschend die Pläne von Görtz und zahlreichen anderen Unternehmen am Rande der Pleite nochmals durchkreuzt.


Der Kunde ist allenfalls Vizekönig

Wo bleibt da nun der Verbraucher? Die schlechte Nachricht: Er muss löhnen, was verlangt wird. Oder sich auf ein durch Insolvenzen verknapptes, und dann mit Sicherheit auch teureres, Angebot einstellen. Und angesichts einer Inflation, die sich im oberen einstelligen Bereich festgefressen hat, wird die Erfahrung im Supermarkt kein Einzelereignis bleiben. Da muss man gar nicht an Strom und Gas denken. Die möglicherweise gute Nachricht: Deutschland ist im Bereich Lebensmittel-Einzelhandel kein Hochpreisland und wird es wohl auch nicht werden. Es mag ein schwacher Trost sein, aber die öffentlichen Schaukämpfe zwischen den Herstellern und den Ketten sollen dem Kunden auch signalisieren: Seht her, wir legen uns für euch ins Zeug, wir listen notfalls sogar Coca-Cola aus, nur damit die in die Knie gehen und wir von Edeka oder Rewe und Konsorten euch weiterhin scharf kalkulierte Preise bieten können.


Alles wird teurer und günstig ist relativ

Allerdings, was natürlich den Stammkunden gleich auffiel: Auch „Gut & Günstig“ oder „Ja“ oder wie sie alle heißen, die angeblichen No-Name-Produkte, sind keineswegs zum gleichen Preis zu haben wir vor Jahr und Tag. Es findet nur kein öffentlicher Kampf statt. Die Produzenten dieser Waren sind mitunter dieselben, die auch Markenware liefern, man hängt es aber nicht an die große Glocke. Bei Saisonartikeln wie Weihnachts-Süßwaren ähneln sich die Dominosteine doch sehr, auch wenn sie unter einem Dutzend Namen daherkommen. Man wird es bald wieder sehen, traditionell oft schon im vorweihnachtlichen Monat September.

Derweil verweist etwa der Chef der Rewe Group auf die eigenen höheren Kosten. Lionel Souque spricht von rund vierzigprozentigen Steigerungen der Energiepreise in den Supermärkten. Man werde die allerdings soweit möglich nicht an die Kunden weitergeben. Rewe prüft nach seinen Worten stets, ob höhere Preiseforderungen der Lieferanten begründet sind – es gebe da Trittbrettfahrer unter internationalen Konzernen, die lediglich auf der Inflationswelle mitreiten wollten. Da kämpfe man brutal dagegen.

Vieles bleibt geheim

Über den Hintergrund der tatsächlichen Margen weiß man allerdings wenig – der Handel hält seine Einkaufspreise natürlich möglichst geheim. Manchmal geschieht auch etwas, aber es passiert nichts: „Bei manchen Preisanhebungen in der Vergangenheit muss man auch sehen, dass zwar die Listenpreise der Brauerei oder des Süßwarenherstellers anstiegen, die Großen der Branche wie Edeka oder Rewe allerdings wiederum zusätzliche Konditionen in gleicher Höhe verhandeln konnten“, weiß Jens Weng. Der Rabatt, das ist dann die Folge der Marktmacht der Händler, die keineswegs den Konzernen wehrlos ausgeliefert sind. Im Falle des Herstellers Mars wäre ein Boykott allerdings schwierig. Der Konzern liefert neben Süßwaren auch Tierfutter wie Whiskas, Kaugummi wie Spearmint und Reis und Fertignudeln. Das alles durch No-Names zu ersetzen, würde keinem so recht schmecken bei Rewe oder Edeka.

 

Was bleibt dem Kunden übrig?

Dem Verbraucher bleibt neben Empörung naturgemäß der Griff zu günstigeren Angeboten, auch wenn die nicht mehr gar so günstig sind. Markentreue verfällt erfahrungsgemäß rasch, wenn man die gleichen Erfahrungen auch mit anderen Gütern des täglichen Bedarfs machen kann. Denn anders als bei Trendmarken des Bekleidungs- oder Schuhbusiness bringen „Miracoli“ (von Mars) in der Speisekammer oder „Sprite“ (Coca-Cola) im Kühlschrank kaum zusätzliches Renommee. Worum sich die Kunden allerdings Sorgen machen sollten, ist der derzeit zu beobachtende Schneeballeffekt. Denn bereits jetzt verschwinden Unternehmen vom Markt, sie geben schlicht auf: Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) sieht dramatische Wohlstandsverluste auf die gesamte Gesellschaft zukommen. „Geschäftsaufgaben im Bereich Handel und Dienstleistungen wegen unbezahlbarer Energiepreise sind bereits bittere Realität“, so Peter Adrian. Von der Politik fordert er mutige Entscheidungen, Bürokratieabbau und schnelle Hilfen im Notfall. Wenn man etwa sinkenden Ressourcenverbrauch in der Industrie positiv bewerte, so stecke dahinter in vielen Fällen schlicht die Geschäftsaufgabe. Für die deutschen Verbraucher ist das am Ende bedrohlich: Bei abnehmender Konkurrenz steigt vor allem erstmal eines: Der Preis.

 

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