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Einkauf, Marketing und Marken > Konsumverhalten

Teure Nahrung bremst Konsum aus

Lebensmittel sind weit teurer geworden als die allgemeine Inflation: Das bestätigt eine Studie des Kreditversicherers Allianz Trade: Vor allem in Deutschland nutzten die Hersteller die Gunst der Stunde und lassen die Kassen kräftig klingeln.

Teurere Lebensmittel zwingen Verbraucher dazu, an anderen Stellen zu sparen. ©Shutterstock

Insbesondere die Produzenten von verpackten Lebensmitteln haben deutlich zugeschlagen. So stiegen die Preise der Studie zufolge um 18,8 Prozent. Schon 2021 ließen die Verbraucher 12,6 Prozent mehr an der Kasse liegen. 

Lebensmittelpreise sind somit einer der Haupttreiber der Gesamtinflation. „Sie machen fast ein Drittel der Teuerung aus und in Deutschland sogar über 40 Prozent ‒ im vergangenen Jahr war es noch weniger als ein Fünftel", erklärt Andy Jobst, Inflationsexperte und Leiter Makro- und Kapitalmarktresearch bei Allianz Trade. Ein weiterer Anstieg der Lebensmittelpreise um 20 Prozent könnte in Europa zu einem Rückgang der Konsumausgaben um fast einem Prozentpunkt führen. In Deutschland sind die Auswirkungen ähnlich und würden durchschnittlich rund 0,5 Prozentpunkte beim jährlichen
Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) kosten.
 

„Hunger nach Profit“

Vor allem seit der zweiten Jahreshälfte 2022 sehen die Forscher keinen Grund für die hohen Preise, denn der Umsatz steige mehr als die Kosten. „Mehr als ein Drittel des Preisanstiegs können nicht mit den traditionellen Kostentreibern erklärt werden“, betont Jost. Das deute darauf hin, dass die Unternehmen die Preise erhöht haben, um entgangene Gewinnspannen auszugleichen. „Wir beobachten, dass insbesondere Lebensmittelhersteller hungrig nach Profiten sind. Sie haben die Preise wesentlich stärker erhöht als die Einzelhändler", erklärt Aurélien Duthoit, Branchenexperte bei Allianz Trade. Der Anteil an verpackten Lebensmitteln ist aufgrund der hohen Zahl von Discountern in Deutschland höher als in anderen europäischen Ländern.

Margen im Handel schrumpfen. 

Viele Einzelhändler konnten der Untersuchung zufolge offenbar nicht alle gestiegenen Kosten an die Kunden weitergegeben. Das zeige sich auch in deren schrumpfenden Bruttomargen so die Studie. Selbst Adi Nord ist betroffen: Nach einem Bericht des „Handelsblatts“ liegt die operative Marge 2022 sogar bei minus 1,4 Prozent. Dieser Wert wurde bei einer internen Führungskräftekonferenz genannt. Aldi veröffentlicht nur selten von sich aus Zahlen. Der Discounter galt lange als der größte Gewinner im deutschen Einzelhandel. Verluste soll Aldi vor allem in Frankreich und Dänemark verbucht haben. In Deutschland sollen dem Bericht zufolge die Gewinne geschrumpft sein.

Mit einem schnellen Ende der Preissteigerungen bei Lebensmitteln rechnen die Allianz-Trade-Experten daher nicht. Sie erwarten, dass sich Nahrungsmittel in Deutschland in diesem Jahr im Durchschnitt noch einmal um mehr als zwölf Prozent verteuern.im ersten Quartal dieses Jahres erhöht. In Deutschland war der Anstieg im gleichen Zeitraum sogar noch stärker um mehr als zwei Punkte auf mehr als 22 Prozent. Das wird nach Einschätzung des der Experten von Allianz Trade auch noch eine geraume Zeit so bleiben. „Wir gehen davon aus, dass Lebensmittelpreise noch mindestens ein weiteres Quartal hoch bleiben, bevor dann eine rasche Normalisierung einsetzt", meint Jost. 
 

Kein Geld für Konsum übrig

Einen langsamen Abwärtstrend sehen die Allianz Trade Experten erst ab Mitte 2024. Sie rechnen allerdings in vielen Fällen eher mit einer Stagnation der Preise. „Durchgesetzte Preiserhöhungen werden erfahrungsgemäß nur selten zurückgenommen", stell Jost fest. Die anhaltende Teuerung bei den Lebensmitteln habe auch Auswirkungen auf den Binnenkonsum. „Wenn die Verbraucher mehr für Lebensmittel bezahlen, geben sie weniger Geld für
andere Dinge aus, was eine wirtschaftliche Erholung verlangsamen könnte" sagt Jobst. Das spürt beispielsweise der deutsche Einzelhandel. Dessen Verband HDE erwartet, dass in diesem Jahr weitere 9000 Geschäfte aufgeben werden. Ende 2023 blieben damit bundesweit 311.000 Geschäfte übrig, Betroffen ist vor allem der kleinbetriebliche Nonfood-Fachhandel. 

Handel fordert Gegenmaßnahmen

Die Branche befürchtet eine Fortsetzung der Abwärtsspirale in den Innenstädten.  „Die zunehmenden Leerstände machen Standorte unattraktiver und gefährden weitere Unternehmen. Angesichts der Zahlen der letzten Jahre müssen in allen Innenstädten und bei der Politik alle Alarmglocken läuten. Denn ohne erfolgreichen Einzelhandel haben die Stadtzentren kaum Zukunftsperspektiven“, so HDE-Präsident Alexander von Preen. 

Der Verband fordert eine Gründungsoffensive. „Unbürokratische und schnelle Genehmigungsprozesse für Umbauten und Umwidmungen müssen ganz oben auf die Prioritätenliste. Neuansiedlungen und Gründungen brauchen optimale Bedingungen: Beispielsweise sollte es flächendeckend Ansiedlungsmanagerinnen und -manager geben“, so der HDE-Präsident. Es müsse im Interesse aller Akteure in den Innenstädten sein, die Lücken in den Stadtzentren so schnell wie möglich wieder zu schließen. Ansonsten drohten weitere Kettenreaktionen mit noch mehr Leerständen.
 

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