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Zukunftsmärkte > Baukonjunktur

Ifo: Tiefbau-Branche erlebt Aufschwung: Kapazitätsauslastung steigt auf 72,6 Prozent

Infrastrukturfonds der Bundesregierung sorgt für Planungssicherheit und könnte Auslastung auf Rekordniveau von über 80 Prozent treiben.

U-Bahn-Bau in Deutschland: Während an der Oberfläche über Konjunkturen diskutiert wird, wächst unter der Erde eine Branche, die vom neuen Infrastrukturfonds der künftigen Bundesregierung profitiert – mit steigender Auslastung und neuem Selbstbewusstsein. (Foto: shutterstock)

Die Tiefbau-Unternehmen in Deutschland arbeiten wieder auf höherem Niveau. Nach aktuellen Daten des Münchner ifo-Instituts stieg die Kapazitätsauslastung im Tiefbausektor von 70,1 Prozent im Februar auf 72,6 Prozent im März 2025. Damit nähert sich die Branche wieder dem langjährigen Durchschnittswert von 76,1 Prozent an – die Differenz beträgt nur noch 3,5 Prozentpunkte.

"Die Unternehmen im Tiefbau arbeiten wieder öfter im oberen Drehzahlbereich", konstatiert Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. Diese positive Entwicklung steht in deutlichem Kontrast zur Situation im Hochbau, wo die Kapazitätsauslastung mit 62,1 Prozent weiterhin deutlich unter dem langjährigen Mittelwert von 76,2 Prozent verharrt.

Infrastrukturfonds als Wachstumstreiber

Der vom Bundestag beschlossene Infrastrukturfonds verspricht zusätzlichen Schwung für die Tiefbau-Branche. Dieses milliardenschwere Investitionspaket soll in den kommenden Jahren für eine anhaltend starke Nachfrage sorgen. Die Wirtschaftsforscher des ifo-Instituts prognostizieren, dass die Kapazitätsauslastung im Tiefbau in den nächsten zwei Jahren weiter steigen könnte.

Bemerkenswert ist die Einschätzung, dass das bisherige Maximum von rund 80 Prozent erreicht oder sogar überschritten werden könnte. Dies würde die Branche in eine außergewöhnlich starke Position bringen und Spielraum für strategische Unternehmensentscheidungen eröffnen.

Besonders wertvoll für die Planungssicherheit der Unternehmen ist der langfristige Förderzeitraum von zwölf Jahren. Diese langfristige Perspektive könnte Tiefbau-Unternehmen dazu motivieren, gezielt in neue Kapazitäten zu investieren, wie Wohlrabe betont.

Divergierende Entwicklung zwischen Tief- und Hochbau

Die aktuelle Situation zeigt eine markante Divergenz zwischen den beiden Hauptsegmenten der Baubranche. Während der Tiefbau auf Erholungskurs ist, kämpft der Hochbau weiterhin mit erheblichen Auslastungsproblemen. Mit einer Kapazitätsauslastung von nur 62,1 Prozent liegt dieser Sektor deutlich unter seinem Potenzial.

Noch Anfang 2022 verzeichneten beide Bereiche Auslastungswerte um die 80 Prozent. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Situation jedoch drastisch verändert – im Hochbau sogar noch deutlich stärker als im Tiefbau.

Nach Angaben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie entfielen im vergangenen Jahr rund 41 Prozent der Umsätze im Bauhauptgewerbe auf den Tiefbau und 59 Prozent auf den Hochbau. Diese Verteilung unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung beider Sektoren.

 

Strukturelle Herausforderungen beim Ressourceneinsatz

Eine naheliegende Frage angesichts der unterschiedlichen Auslastungssituation wäre, ob Ressourcen vom Hochbau in den Tiefbau verlagert werden könnten. Doch hier zeigen sich strukturelle Hürden: "Arbeitskräfte und Maschinen vom Hochbau in den Tiefbau zu verlagern ist schwierig", erklärt Wohlrabe. "Wenn überhaupt, ist das bei weniger spezialisierten Tätigkeiten denkbar."

Diese Einschätzung verdeutlicht die begrenzten Möglichkeiten für einen schnellen Kapazitätsausgleich zwischen den Sektoren. Tiefbau-Unternehmen müssen daher eigene Strategien entwickeln, um von der steigenden Nachfrage zu profitieren, ohne kurzfristig auf Ressourcen aus dem Hochbau zurückgreifen zu können.

Die spezialisierten Anforderungen im Tiefbau, zu dem unter anderem der Straßenbau gehört, erfordern spezifische Qualifikationen und Ausrüstungen, die nicht ohne Weiteres aus dem Hochbausektor übertragen werden können.

Faktenbox: Kapazitätsauslastung im deutschen Bausektor

Die Kapazitätsauslastung ist ein zentraler Indikator für die wirtschaftliche Situation von Bauunternehmen. Sie zeigt, inwieweit vorhandene Ressourcen wie Personal und Maschinen tatsächlich eingesetzt werden können.

  • Die Tiefbau-Kapazitätsauslastung stieg von 70,1 Prozent im Februar auf 72,6 Prozent im März 2025. Damit liegt sie nur noch 3,5 Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt von 76,1 Prozent und könnte in den nächsten zwei Jahren das bisherige Maximum von 80 Prozent erreichen oder übertreffen.
  • Im Hochbau liegt die Kapazitätsauslastung aktuell bei 62,1 Prozent und damit deutlich unter dem langjährigen Mittelwert von 76,2 Prozent. Hauptursache für diese Unterauslastung ist der anhaltende Auftragsmangel im Wohnungsbau.
  • Noch Anfang 2022 verzeichneten beide Sektoren Auslastungswerte um 80 Prozent. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Situation jedoch in beiden Bereichen verschlechtert – im Hochbau allerdings deutlich stärker als im Tiefbau.
  • Nach Angaben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie entfielen im vergangenen Jahr rund 41 Prozent der Umsätze im Bauhauptgewerbe auf den Tiefbau und 59 Prozent auf den Hochbau, was die wirtschaftliche Bedeutung beider Sektoren unterstreicht.

Die Geschichte des Tiefbaus in Deutschland - von den Anfängen bis zur Gegenwart

  • Der Tiefbau hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis in die Römerzeit zurückreicht, als erste systematische Straßen- und Wasserbauwerke entstanden. Die moderne Entwicklung begann jedoch im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung, als Eisenbahnnetze, Kanäle und städtische Infrastrukturen massiv ausgebaut wurden.
  • Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Tiefbau während des Wirtschaftswunders einen beispiellosen Boom. Die 1950er und 1960er Jahre waren geprägt vom Wiederaufbau und der Schaffung moderner Verkehrsinfrastruktur. In dieser Zeit entstanden wesentliche Teile des heutigen Autobahnnetzes und der städtischen Versorgungssysteme.
  • Konjunkturelle Schwankungen haben den Tiefbausektor seither immer wieder beeinflusst. Besonders deutlich wurde dies in den 1970er Jahren während der Ölkrise, als öffentliche Investitionen zurückgefahren wurden. Nach der deutschen Wiedervereinigung folgte ein weiterer Investitionsschub für die Infrastruktur in den neuen Bundesländern.

Die aktuelle Entwicklung mit dem neuen Infrastrukturfonds reiht sich in diese historische Linie ein. Ähnlich wie bei früheren staatlichen Investitionsprogrammen wird die öffentliche Hand zum Konjunkturmotor für den Tiefbausektor – ein bewährtes wirtschaftspolitisches Instrument, das in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit stabilisierend wirken kann.

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