
Schokolinsen in Reagenzgläsern und Tablettenblistern, Fruchtgummi in Form von Herzen, Elchen und Fußballschuhen – bei Philipp Kunz ist Werbung vor allem eines: süß. Der Grund liegt für den Betriebsleiter des Werbemittelherstellers Ipa Sweets aus dem niedersächsischem Syke auf der Hand: „Süßwaren sind ein Sympathieträger – darüber freut sich jeder.“
Ebenso wie Brillenputztücher, Einkaufstaschen, Kugelschreiber und Tausende weitere Artikel haben sie als Werbemittel ihren festen Platz in den Marketingbudgets der meisten mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Laut einer aktuellen Studie des Gesamtverbands der Werbeartikel-Wirtschaft (GWW) setzen drei von vier Unternehmen mit 50 bis 250 Mitarbeitern auf diese Werbeform. Den Gesamtumsatz mit Werbeartikeln in Deutschland beziffert der Verband für das Jahr 2017 auf 3,5 Milliarden Euro.
„Großkonzerne kennen die Wirkung von Werbemitteln sehr genau und setzen sie entsprechend gezielt ein“, sagt Carsten Lenz, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens S&P Werbemittel in Meerbusch. „In mittelständischen Unternehmen wird das Thema dagegen oft noch stiefmütterlich behandelt.“ Diese Gruppe nutze zwar Werbeartikel, mache sich aber oft zu wenig Gedanken darüber, wie diese beim Empfänger ankämen. Kernaussage, Einsatzzweck, Botschaft, Budget – das alles ist laut Werbemittelberater Lenz im Vorfeld genau zu klären, damit das Geschenk beim Kunden den gewünschten Effekt erzielt.
Keine Streuverluste
„Mit Werbeartikeln können Unternehmer ihre Kunden ganz gezielt ansprechen. Im Gegensatz zu anderen Werbeformen, die sich an die breite Masse wenden, gibt es praktisch keine Streuverluste“, sagt Ralf Samuel, Geschäftsführer des GWW. Dies gelte für die Pflege von bestehenden ebenso wie für die Akquise von neuen Kunden. Im Gegensatz zu den klassischen Werbeformen über Print-, TV- und Onlinemedien wirken Werbeartikel langfristig und bieten Unternehmen laut Ralf Samuel die Chance, eine persönliche Beziehung zu ihren Partnern und Kunden aufzubauen. Vorausgesetzt, das Werbegeschenk sendet die richtige Botschaft. „Mittelständische Unternehmen bieten ihren Kunden oft qualitativ hochwertige Produkte und Lösungen an“, sagt Carsten Lenz. „Das muss sich auch in den Werbemitteln widerspiegeln“.
Benjamin Thielmann hat diesen Rat umgesetzt: „Qualität, Partnerschaft, Image – diese drei Botschaften vermitteln wir über unsere Werbeartikel“, sagt der Abteilungsleiter Marketing und Vertriebscontrolling der Genossenschaft Maler-Einkauf Südwest aus Wiesbaden. Zwischen 15 und 20 Prozent des Werbebudgets des Zulieferers für Maler- und Lackierbetriebe fließen daher in diese Werbeform. Eine Maßnahme ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. „Zur Neueröffnung unseres Standorts in Frankfurt am Main haben wir ein Notizbuch mit besonderer Prägung aufgelegt. Das wurde von den Kunden sehr gut angenommen und oft gelobt.“ Kein Wunder: Schließlich wirken Werbegeschenke über den Tastsinn, und dieser lässt sich nicht überlisten, weiß Werbeberater Carsten Lenz. „Der Empfänger merkt sofort, ob ein Werbemittel hochwertig ist und das Unternehmen ihm dadurch seine Wertschätzung ausdrückt.“
Multisensorisches Erlebnis
Den Trend zu hochwertigen Produkten sieht auch Michael Freter, Managing Director des Promotional Product Service Institutes (PSI). Das „internationale Netzwerk der Werbeartikelwirtschaft“ richtet unter anderem zu Beginn jedes Jahres Europas größte Messe für Werbeartikel, die PSI in Düsseldorf, aus. „Menschen suchen heute – im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit und Beliebigkeit – nach Dingen, die sie real und multisensorisch erleben können.“ Belege hierfür seien die Beliebtheit von analogen Produkten wie hochwertigen Füllfederhaltern, schön gestalteten Notizbüchern, aber auch das Wiedererstarken von Polaroidkameras und Vinylschallplatten. Freter bezeichnet diesen Trend als eine „analoge oder haptische Revolution“ angesichts einer „digitalen Ernüchterung“. Auch für ihn steht fest: „Minderwertige Werbeartikel färben schnell negativ auf den Absender ab.“
Ein weiterer gesellschaftlicher Trend, der sich auch in der Werbeartikelbranche niederschlägt, ist die Nachhaltigkeit. Viele Unternehmen legen großen Wert darauf, dass sich ihre Verantwortung auch in den Werbeartikeln widerspiegelt. „Heute fragen viel mehr Unternehmen nach den Produktionsbedingungen als noch vor fünf oder zehn Jahren“, sagt Werbemittelberater Carsten Lenz. Werbemittel produziert in Europa oder – besser noch – Artikel „Made in Germany“ stehen hoch im Kurs. Das beobachtet auch Hersteller Philipp Kunz. Neben den Süßwaren produziert sein Unternehmen auch Kosmetik als Werbemittel. „Dabei halten wir uns streng an die Richtlinien der Good-Manufacturing-Practice“, sagt er.
Wie Mittelständler im Ausland erfolgreich werden, erfahren Sie in unserem Schwerpunkt „Internationalisierung“.
Ist das Compliance-konform?
Trotz aller Vorteile stagniert der Umsatz mit Werbeartikeln seit rund acht Jahren. Ein wichtiger Grund dafür ist die Unsicherheit vieler Unternehmen beim Thema Korruptionsbekämpfung und Compliance. In den nationalen und internationalen Antikorruptionsgesetzen existieren keine eindeutigen Wertgrenzen für Werbeartikel. Das führt oft zu strengen individuellen Regeln, die bis hin zu einer Nulltoleranzpolitik reichen.
Ralf Samuel plädiert für einen entspannteren Umgang mit dem Thema: „Wer einem guten Geschäftskontakt als Werbemaßnahme einen Kalender oder eine Powerbank überreicht, wird damit wohl kaum die Entscheidung über einen Großauftrag beeinflussen“, sagt der GWW-Geschäftsführer. „Vielmehr geht es doch darum, beim Geschäftspartner in Erinnerung zu bleiben.“ Diese Sichtweise unterstützt der Arbeitskreis „Corporate Compliance“ des Essener Institute for European Affairs (INEA). In seinem „Kodex zur Abgrenzung von legaler Kundenpflege und Korruption“ ordnet der Arbeitskreis Werbe- und Streuartikel bis zu einem Gegenwert von 50 Euro als „kleine Aufmerksamkeiten“ ein, die bei gelegentlichem Einsatz unproblematisch seien.
35 Euro pro Geschäftspartner
Deutlich klarer definiert ist dagegen, wie Unternehmen Werbeartikel steuerlich behandeln müssen. Liegt der Wert über 35 Euro pro Geschäftspartner und Jahr, darf das schenkende Unternehmen die Ausgaben nicht als Betriebsausgaben vom Gewinn abziehen. Zudem muss es eine Pauschalsteuer in Höhe von 30 Prozent an das Finanzamt abführen, um zu verhindern, dass der Empfänger eine Einnahme in Höhe des Geschenkwerts versteuern muss. Präsente bis zu einem Wert von 35 Euro pro Jahr und Empfänger kann das Unternehmen als Betriebsausgaben vom Gewinn abziehen. Voraussetzung dafür ist, dass es in einer Liste festhält, wer das Geschenk erhalten hat und in welcher Beziehung diese Person zum Unternehmen steht. Diese Aufzeichnungspflicht entfällt bei Werbeartikeln mit einem Wert von unter 10 Euro. Hier reicht eine Sammelbuchung ohne Empfängerangabe.
Angesichts dieser Regeln verwundert es nicht, dass laut der GWW-Studie Werbeartikel mit einem Wert von bis zu 10 Euro im vergangenen Jahr 89 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachten. Werbemittelberater Carsten Lenz weiß aus Erfahrung, dass Unternehmen vielfältige Möglichkeiten haben, ihren Partnern auch in diesem Rahmen ein hochwertiges Geschenk zu machen. Und dabei darf es durchaus auch der Klassiker sein: „Richtig eingesetzt, ist sogar ein Kugelschreiber ein tolles Geschenk“, sagt Lenz. Für 10 Euro ist er bereits in einer sehr hochwertigen Ausführung verfügbar, und jeder nutzt ihn. „Die Werbung des Unternehmens gerät dann oft über mehrere Wochen hinweg immer wieder ins Blickfeld und vor allem in die Hände des Kunden.“ Und erreicht somit das Ziel eines guten Werbeartikels: den Kunden bewusst und unterbewusst an das Unternehmen zu erinnern und die Bindung zwischen den Geschäftspartnern zu stärken.

Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 04/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.