Trotz Krisen: Weltweiter Handel wächst – Asien und Afrika im Aufwind
DHL Trade Atlas 2025 prognostiziert 3,1% jährliches Handelswachstum. Südasien und Subsahara-Afrika zeigen hohes Potenzial. Lieferketten werden diversifiziert.

Der internationale Warenverkehr zeigt sich robust: Laut dem aktuellen DHL Trade Atlas 2025 wird der globale Handel in den nächsten fünf Jahren um durchschnittlich 3,1 Prozent pro Jahr wachsen. Diese Prognose basiert auf Daten renommierter Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds und Oxford Economics. Trotz geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheiten bleibt der Welthandel damit auf Wachstumskurs.
Asien und Afrika als Wachstumsmotoren des globalen Handels
Ein zentraler Trend, den der DHL Trade Atlas 2025 aufzeigt, ist die Verschiebung des Handelswachstums in Richtung Asien und Afrika. Südasien, angeführt von Indien, wird in den kommenden Jahren eines der stärksten Handelswachstums weltweit verzeichnen. Günstige Produktionskosten und eine wachsende Inlandsnachfrage machen den Subkontinent zu einem zunehmend wichtigen Akteur im Welthandel.
Auch Subsahara-Afrika zeigt beachtliches Potenzial. Die Region wird laut Prognose eine der höchsten Wachstumsraten beim Handelsvolumen aufweisen. Unterstützt wird diese Entwicklung durch gezielte Investitionen in die Infrastruktur und neue Handelsabkommen wie die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone. Diese schafft einen Binnenmarkt für 1,3 Milliarden Menschen und könnte den innerafrikanischen Handel signifikant ankurbeln.
In Südostasien profitieren Länder wie Vietnam von der Verlagerung von Produktionsstätten aus China und der steigenden Nachfrage nach Elektronik. Der vietnamesische Elektroniksektor verzeichnete in den letzten Jahren zweistellige Wachstumsraten, was die dynamische Rolle der ASEAN-Region im globalen Handel unterstreicht.
Diversifizierung der Lieferketten als Antwort auf geopolitische Risiken
Ein weiterer bedeutender Trend ist die zunehmende Diversifizierung der Lieferketten. Unternehmen reagieren damit auf geopolitische Risiken und die Erfahrungen aus der COVID-19-Pandemie. Länder wie Indien, Vietnam und Mexiko profitieren von dieser Entwicklung, da multinationale Konzerne ihre Produktionskapazitäten verlagern und neue Zulieferer suchen.
Der Elektronikkonzern Apple beispielsweise hat seine Lieferkette in den letzten Jahren deutlich diversifiziert. Neben China setzt das Unternehmen verstärkt auf Produktionsstandorte in Indien und Vietnam. Im Jahr 2024 wurden bereits 7 Prozent der iPhones in Indien gefertigt - ein klares Zeichen für die Verschiebung globaler Produktionsnetzwerke.
Die durchschnittliche Distanz der gehandelten Waren erreichte 2024 mit 5.000 Kilometern einen neuen Rekordwert.
Globalisierung statt Regionalisierung - Der Mythos des Nearshoring
Entgegen der weitverbreiteten Annahme einer zunehmenden Regionalisierung des Handels zeigt der DHL Trade Atlas 2025 ein anderes Bild. Der globale Handel ist nicht regionalisiert, sondern weiter gestiegen. Die durchschnittliche Distanz der gehandelten Waren erreichte 2024 mit 5.000 Kilometern einen neuen Rekordwert.
Besonders Europa und Nordamerika sind stärker in globale Handelsnetzwerke eingebunden als je zuvor. Die zunehmende Bedeutung Asiens als "Fabrik der Welt" führt dazu, dass immer mehr Waren über weite Distanzen transportiert werden. Der deutsche Automobilzulieferer Bosch beispielsweise bezieht Komponenten aus über 50 Ländern für seine globale Produktion - ein Beleg für die anhaltende Globalisierung der Lieferketten.
Branchenspezifische Entwicklungen im globalen Handel
In Bezug auf einzelne Branchen zeigt der Bericht differenzierte Entwicklungen. Industriegüter machen weiterhin den größten Teil des globalen Handels aus. Sektoren wie Energie, Technologie und Pharma verzeichnen jedoch überdurchschnittliches Wachstum.
Der Pharmasektor profitiert besonders von der steigenden Nachfrage nach Medikamenten und Impfstoffen. Der deutsche Pharmakonzern Merck KGaA beispielsweise konnte seinen Umsatz in Asien in den letzten fünf Jahren um durchschnittlich 8 Prozent pro Jahr steigern - deutlich über dem globalen Handelswachstum.
Im Energiesektor führt die globale Energiewende zu Verschiebungen in den Handelsströmen. Während der Handel mit fossilen Brennstoffen stagniert, wächst der internationale Handel mit erneuerbaren Energietechnologien rasant. Der dänische Windturbinenhersteller Vestas Wind Systems A/S konnte seinen Auftragsbestand in den letzten drei Jahren um 40 Prozent steigern, getrieben durch die steigende Nachfrage aus Schwellenländern.
Ein geschichtlicher Blick auf die Trends im globalen Handel
Ein geschichtlicher Blick auf die Trends im globalen Handel zeigt, dass viele der aktuellen Entwicklungen keineswegs neu sind, sondern Teil langfristiger Muster und historischer Verschiebungen sind.
Die Verlagerung des Handelszentrums nach Asien – Eine Wiederholung der Geschichte
- Asien war bereits vor der industriellen Revolution das wirtschaftliche Kraftzentrum der Welt. Bis ins 18. Jahrhundert stellten China und Indien zusammen fast 50 % der globalen Wirtschaftsleistung. Erst mit der Industrialisierung Europas und der kolonialen Ausbeutung verschoben sich die Handelszentren nach Westen. Die heutige Rückkehr Asiens als dominanter Handelsakteur ist daher eher eine „Rückkehr zur Normalität“ als eine neue Entwicklung. Insbesondere China, Indien und Südostasien erleben ein wirtschaftliches Wiedererstarken, das an die historische Vormachtstellung der Region anknüpft.
Afrika als Wachstumsmarkt – Von Kolonialhandel zu Selbstbestimmung
- Afrika wurde über Jahrhunderte vor allem als Rohstofflieferant für Europa und später für die USA genutzt. Der transatlantische Sklavenhandel, die Kolonialausbeutung und postkoloniale Handelsmuster hielten viele afrikanische Länder in einer strukturellen Abhängigkeit. Die heutige Entwicklung – mit einer zunehmenden Binnenmarktintegration (Afrikanische Kontinentale Freihandelszone) und gezielten Infrastrukturinvestitionen – könnte Afrika erstmals in eine Position bringen, in der es nicht nur Rohstoffe exportiert, sondern auch industrielle und technologische Wertschöpfung betreibt. Dies erinnert an die frühen Entwicklungsphasen Asiens im 20. Jahrhundert.
Diversifizierung der Lieferketten – Parallelen zum Kalten Krieg
- Die aktuelle Verlagerung von Produktionskapazitäten aus China nach Indien, Vietnam und Mexiko ähnelt der geopolitischen Strategie des Kalten Krieges. Bereits in den 1950er bis 1980er Jahren setzten westliche Staaten auf eine geopolitisch motivierte Handelsdiversifikation, um Abhängigkeiten von der Sowjetunion zu vermeiden. Heute geschieht Ähnliches im Kontext der Rivalität zwischen den USA und China. Unternehmen und Regierungen versuchen, ihre Produktionsstandorte breiter aufzustellen, um geopolitische Risiken zu minimieren – eine Strategie, die schon in der Vergangenheit für Stabilität sorgte.
Die Globalisierung des Handels – Ein Kontinuum seit der Seidenstraße
- Die Idee, dass die Globalisierung neu oder gar rückläufig sei, wird durch die Geschichte widerlegt. Die Vernetzung von Handelsströmen begann bereits mit der Seidenstraße im 2. Jahrhundert v. Chr. und verstärkte sich mit den Entdeckungen der frühen Neuzeit. Seit dem 19. Jahrhundert, insbesondere mit der Dampfschifffahrt und später der Containerlogistik, ist die Welt wirtschaftlich immer enger zusammengewachsen. Dass die gehandelten Waren heute im Durchschnitt 5.000 km zurücklegen, ist eine logische Weiterentwicklung dieser jahrhundertelangen Entwicklung – nicht ihr Ende.
Mythos Nearshoring – Eine Illusion wie in den 1970er Jahren
- Immer wieder gibt es Versuche, Produktionsstandorte näher an die Konsumenten zu bringen – insbesondere in Krisenzeiten. Bereits in den 1970er Jahren, als Ölkrisen die Logistikkosten explodieren ließen, wurde Nearshoring als Lösungsstrategie diskutiert. Doch mit der wirtschaftlichen Erholung und der Kosteneffizienz global verteilter Produktionsketten geriet dieser Trend schnell in Vergessenheit. Der DHL Trade Atlas 2025 zeigt erneut, dass sich globale Wertschöpfung nicht so leicht regionalisieren lässt. Die Vorteile der Arbeitsteilung überwiegen die geopolitischen Risiken – genau wie in früheren Dekaden.
Fazit: Geschichte wiederholt sich – mit neuen Akteuren
- Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich Handelsmuster oft in Wellen bewegen, wobei neue Regionen aufsteigen und alte Handelszentren an Einfluss verlieren. Während das 19. und 20. Jahrhundert von westlicher Dominanz geprägt war, erleben wir nun eine Rückkehr Asiens und einen potenziellen Aufstieg Afrikas – eine Entwicklung, die sich historisch betrachtet fast zwangsläufig ergibt.