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Ukraine-Krieg: Welches Problem zuerst?

Der Ukraine-Krieg bringt Unternehmen auch in anderen osteuropäischen Staaten in Schwierigkeiten. Zudem ist nicht immer klar, welche Produkte unter die Sanktionen gegen Russland fallen, was also noch exportiert werden darf.

Wladimir Putin
© picture alliance / AP Photo | Yuri Kochetkov

„Wir stehen mit unseren ukrainischen Kollegen in ständigem Kontakt – bisher zumindest.“ So lakonisch wie treffend beschreibt Eva von der Weppen, Sprecherin des Elektrotechnik-Spezialisten Phönix Contact, die Lage deutscher Mittelständler mit Niederlassungen im Kriegsgebiet. Zuerst kommt die Sicherheit ihrer Mitarbeiter, selbstredend. Aber dann kommt eben auch das Geschäft. Und nicht nur das mit der angegriffenen Ukraine, auch das mit dem Aggressor Russland. Und das wird durch die Sanktionen der EU selbst für Konzerne mit großen Rechtsabteilungen immer schwieriger. Umso mehr gilt das für kleine und mittlere Unternehmen. Sie müssen unter großem Zeitdruck klären, an welchen womöglich unerwarteten Stellen auch sie den Sanktionen unterliegen. Oder ihre Lieferanten oder Kunden.

 

Die Blomberger Phönix Contact hat ihre Produktion für den russischen Markt zunächst gestoppt. „Die Sanktionen sind sehr umfangreich. Um uns keiner Gefahr auszusetzen, klären wir jetzt sehr sorgfältig, an welchen Stellen sie uns betreffen können“, sagt von der Weppen. Detektivarbeit in Anbetracht der Rechtslage seit dem 26. Februar. In mehreren Tranchen ist nun verboten: Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck mit oder ohne Ursprung in der Europäischen Union unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen. Es geht auch um das alte Problem „Dual Use“. Die mögliche Verwendung einer Ware auch als Kriegsmittel, egal, wie harmlos sie gedacht war.

 

Nicht nur die EU hat ein scharfes Auge auf Sanktionsboykotteure. Auch die USA: Firmen, die ihr Geschäft auch in Amerika betreiben, droht in diesen Handelsbeziehungen Ärger, falls sie sich nicht an die EU-Auflagen halten. Und das Thema Sanktionen hat noch eine weitere Schwierigkeit. Unternehmen, die jetzt ihr Russland-Geschäft stilllegen, befürchten, als vermeintliche Verräter betrachtet und von Russland abgestraft zu ­werden. Unter weiteren Kriegsfolgen litten einer DIHK-Umfrage zufolge im März schon Betriebe in allen Branchen und Größen. „Rohstoffmangel und Lieferkettenprobleme treffen die deutsche Wirtschaft in ihrer ganzen Breite“, summiert DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Die aktuelle Entwicklung kann den wirtschaftlichen Erholungsprozess nach der Krise merklich erschweren.“

 

Den deutschen Unternehmen stellen sich unterschiedliche deutsch-ukrainische Rechtsfragen. So darf ihren Mitarbeitern in der Ukraine nicht gekündigt werden. Auch nicht, wenn der Betrieb schon in Schutt und Asche liegt. Gehälter müssen weitergezahlt werden. Eine schnelle Liquidierung ukrainischer Unternehmen ist schon rein praktisch unmöglich. Es gibt dort fast keine funktionierenden Finanzämter mehr.

 

Der richtige Stempel auf dem richtigen Formblatt, das interessiert gerade niemanden mehr. Gennadiy Chyzhykov, Präsident der Ukrainian Chamber of Commerce and Industry, und sein Team mühen sich unterdessen, deutsche Unternehmen vor Ort in der Ukraine zu unterstützen. „Wir koordinieren die Arbeit der Kammern aus den westlichen Regionen, in denen die meisten deutschen Unternehmen ansässig sind“, berichtet Chyzhykov, der in Kiew selbst sein Zuhause verloren hat. „Die Handelskammer nimmt alle ihre Aufgaben wahr, besonders stellen wir Ursprungszeugnisse und Carnets ATA aus. Wir stehen in engem Kontakt mit der Deutsch-Ukrainischen Kammer, der ukrainischen Regierung und den lokalen Behörden.“ Sein Team stehe bereit, bei der Wiederherstellung von Lieferketten zu helfen.

 

Auch in anderen Ex-Sowjetgebieten wie dem Baltikum oder Moldawien wächst die Angst vor einer weiteren russischen Aggression. Das beschäftigt deutsche Produktions- und Vertriebschefs schon jetzt. Und auch in der EU deuten sich Probleme an, zum Beispiel in Rumänien, wo mehr als 7500 deutsche Firmen aktiv sind. Hannes Kerst, Unternehmensberater für Osteuropa mit Schwerpunkt Rumänien, warnt vor einer Fehleinschätzung. „Kriegsgefahr ist in diesem Nato-Staat kein realistisches Szenario. Aber es kommen durch den Ukraine-Krieg nun auch noch explodierende Rohstoffpreise zu den dort seit Jahren steigenden Personalkosten.“ Viele deutsche Unternehmen werden von rumänischen Tochtergesellschaften beliefert. „Die werden dann ihre Töchter liquidieren“, fürchtet Kerst. „Wer in Rumänien jetzt schon um seine Gewinnmarge kämpft, hat dort Ende des Jahres kein Geschäft mehr.“

 

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat eigens eine Auskunftsstelle zu allen Exportbeschränkungen eingerichtet: Telefon: (0 61 96) 908 12 37

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