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Umkrempeln mit einem Lächeln

Wie die Führung von Bosch das traditionsreiche Unternehmen in eine elektrifizierte Zukunft leiten möchten.

Glassfassade eines Bosch-Büros
Das Unternehmen erlebt einen großen internen Wandel: der Fokus verschiebt sich vom Vebrennungsmotor auf den Elektromotor.

Hemdsärmelig - Wenn man Stefan Hartung mit einem Wort beschreiben soll, so kommt der Begriff sicher bei vielen in die engere Wahl. Der 55-Jährige geht offen lächelnd auf seine Umgebung zu und kennt keinen Statusdünkel. Als Bereichsvorstand der Elektrowerkzeuge Bosch Power Tools war er sich vor 15 Jahren nicht zu schade, Fachjournalisten und Einkäufern beim „Probebohren“ selbst lachend die Vorzüge des neuesten Bosch-Hammers vorzuführen. Jetzt muss er als Bosch-Chef allerdings Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Umgebung zeigen, wo der Hammer hängt.


Der Wechsel im Büro von „G1“, so die interne Bezeichnung für den obersten Chefs des Technologiekonzerns, könnte nicht krasser sein. Sein Vorgänger, Volkmar Denner (65), strahlt mit einer asketischen Erscheinung und wissenschaftlicher Distanz eine gern gepflegte Unnahbarkeit aus. Der Physiker hat in den zehn Jahren als „G1“, den Konzern kraftvoll in Richtung getrimmt. Die Grenzen der Technik wollte er verschieben und schloss sogar nicht aus, dass Bosch eines Tages sogar helfen könne, Krebs zu besiegen. Das Versprechen müssen die Stuttgarter allerdings immer noch einlösen. Doch die Ausrichtung zu mehr IT und Künstlicher Intelligenz (KI) ist Denner sicher gelungen. Inzwischen beschäftigt Bosch mehr als 38.000 Software-Entwickler. Er bleibt dem Konzern als wissenschaftlicher Berater im Bereich Quantentechnologie – also den Computern von übermorgen – erhalten.


Hartung muss hingegen das Hier und Jetzt wuppen. Und das ist vor allem der Wandel des größten Autozulieferers der Welt weg vom Verbrennungsmotor. „Nicht alle Arbeitsplätze können so bleiben, wie sie sind“, warnt der sonst so jovial auftretende Rheinländer, der als erster Chef nicht von Anfang an bei Bosch war. Der gebürtige Dortmunder hat seine ersten Karriereschritte bei der Fraunhofer Gesellschaft und der Unternehmensberatung McKinsey gemacht. Hartungs Umfeld hofft, dass er die Mitarbeiter mit seiner verbindlichen Art besser mitnehmen kann, als das Denner je konnte. Das Klima sei deutlich entspannter, ist aus dem Konzernsitz auf der „Schillerhöhe“ vor den Toren Stuttgarts zu vernehmen. Der neue G1 arbeite lieber mit den Leuten als mit Papier. „Durch den Austausch mit Menschen gewinne ich immer Energie. Das ist fast wie bei einem Akku“, erklärt er selbst seinen Ansatz.


Der achte Chef – mehr hat Bosch inklusive Gründer in 136 Jahren nicht gehabt – muss den größten Autozulieferer der Welt in die Zeit ohne Verbrennungsmotor führen. Kein leichtes Unterfangen: Kaum ein anderes Unternehmen ist so eng mit Benzin und Diesel als Antriebsquelle von Automobilen verbunden. Der Erfolg von Gründer Robert Bosch baut auf dem Magnetzünder, der erstmals den entscheidenden Funken im Motor auslösen könnte. Der rotierende Anker zwischen den Magnetspulen ist bis heute das Logo des Konzerns. Heute hängen immer noch 80.000 der insgesamt 400.000 Beschäftigten am Verbrennungsmotor. Wie viele bis Ende der Dekade ein andres Betätigungsfeld haben werden, kann die Bosch-Führung noch nicht sagen. „Wir brauchen ausreichend Zeit. Wenn man den Verbrenner bis 2030 verbietet, wird es schwierig“; warnt Hartung. In den kommenden fünf Jahren will Bosch eine Milliarde Euro in die Weiterqualifizierung der Belegschaft investieren.


„Im Auto kommt die Elektromobilität und das ist gut so“, betont Hartung. Für Lastwagen, Landmaschinen, oder Schiffe setzt Bosch jedoch auf die Brennstoffzelle. Hartung, der zuvor Chef der größten Konzernsparte „Mobility Solutions“ war, hat die Entscheidung geprägt, keine eigene Batterie-Fertigung zu bauen. Zuvor war eine Gemeinschaftsunternehmen mit Samsung gescheitert. So wie schon Boschs Ausflug in die Photovoltaik. Das milliardenschwere Abenteuer hat übrigens Hartung abgewickelt. Er hat also mit schmerzhaften Einschnitten bereits eigene Erfahrung gesammelt. Sein Ansatz erklärt er im „Bosch-Zünder“, der seit 1919 bestehenden Firmenzeitung: „Als Erstes die Frage: Tun wir das Richtige? Und als Nächstes:
Wie machen wir das richtig, im Einklang mit unseren Werten?“


Die Mitarbeiter setzen darauf, dass man sich auf der Schillerhöhe tatsächlich an das besondere soziale Engagement der Firma erinnert, das schon der Gründer gegenüber vorgelebt hat. Der führte als erster den Acht-Stunden-Tag ein und war unter den Unternehmer-Kollegen als „der Rote Bosch“ verschrien. „Ich verdiene gut, weil ich meine Leute gut bezahle“, so dessen Antwort. Die Bosch-Werte hätten allerdings in den vergangenen Jahren arge Kratzer bekommen, ist hinter vorgehaltener Hand zu hören. Warum nur so heimlich? „Hättsch dei Gosch g’halte, hätt‘ dich der Bosch b’halte“, lautet ein Satz, der aus Streiks vor mehr als 100 Jahren herrührt und noch heute schon jeder Lehrling kennt. Hartung will trotz der gewaltigen Herausforderungen an der Firmen-Tradition festhalten und verspricht: „Wir werden den Wandel in jedem Fall sozialverträglich versuchen.“


Der Wandel soll geräuschlos erfolgen. Lauten Knatsch mag man bei Bosch grundsätzlich nicht. So pflegen auch Management und Betriebsrat lieber den stillen Dialog. Offener Krieg wie bei VW wäre auf der Schillerhöhe undenkbar. Konflikte dringen selten nach außen. Was nicht heißt, dass hinter den Kulissen nie die Fetzen fliegen. Die Positionen sind klar abgesteckt.  So versammeln sich demonstrativ die Metaller zum Auftakt der Tarifverhandlungen vor Tor 1 des Stammwerks in Stuttgart-Feuerbach. Gegenseitiger Respekt heißt nicht Schmusekurs, erinnern dann Tausende unten im Tal laut mit Plakaten und Trillerpfeifen jene, die oben auf der Schillerhöhe thronen.


Neben Hartung steht Markus Heyn - der neue Chef der Autosparte – im Fokus. Er muss nun beweisen, dass er alleine die Das Bosch-Kerngeschäft mit zuletzt 45 Milliarden Euro führen kann. Der bisherige Mitstreiter Harald Kröger, so bestätigen mehreren Seiten von der „Schillerhöhe“, wollte selbst die Position übernehmen. Als das intern beliebte „Konzerngewächs“ Heyn vorgezogen wurde, hat der 54-jährigen zum Jahreswechsel seinen Hut genommen. Der neue „G4“, im Gegensatz zu Hartung immer im Autobereich aktiv, hat die Verantwortung in vier Teams unter langjährigen Weggefährten aufgeteilt. Doch der Erwartungsdruck ist erheblich, bestätigen Insider.


Zwar hat auch Bosch einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat, doch die entscheidenden Weichenstellungen werden zuvor in der Robert Bosch Industrie Treuhand KG (RBIK) diskutiert und vorbestimmt. Dort liegen 92 Prozent der Stimmrechte – die Anteile hält die Bosch Stiftung. Weitere sieben Prozent gehören den Erben des Gründers. Somit ist Bosch sicher vor Übernahmeversuchen und Einfluss von außen. Der Chef der RBIK ist als „persönlich Haftender Gesellschafter“ die eigentliche Graue Eminenz bei Bosch. Der Einfluss und die Macht von „A1“ ist leise aber gewaltig. Auch dessen Büro auf der Schillerhöhe ist ein neues Gesicht eingezogen. Auf Franz Fehrenbach, selbst einst „G1“ folgt der bisherige Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer, der dann auch dem Aufsichtsrat vorsitzt. Anhänger gepflegter „Corporate Governance“ raufen sich bei so einem konsequenten Insider-Modell entsetzt die Haare.


Hartung will zwar mit einem Lächeln den Konzern umkrempeln, doch er muss gleichzeitig Tempo machen. Bosch hat zwar beim Umsatz das Niveau von 2019 wieder erreicht und so eigenen die Erwartungen übertroffen. Doch von dem selbstgesteckten Ertragskorridor von „sieben bis 7,5 Prozent“ ist man seit 2018 weit entfernt. Im vergangenen Jahr waren es lediglich vier Prozent. „Das ist zu wenig“; räumt Hartung offen ein. Der Konzern müsse mehr verdienen, wenn man die bevorstehenden Aufgaben stemmen will. Gut 60 Milliarden Euro will der Konzern in die verschiedenen Bereiche mit weltweit 400 Standorten investieren.
Dazu gehört auch die eigene Chipfertigung in Dresden, Reutlingen und dem malaysischen Penang. In diesem Jahr sollen die Kapazitäten für 400 Millionen Euro ausgebaut werden. „Zudem verändern wir das Design der Chips so, dass wir auf bestehenden Anlagen höhere Stückzahlen erreichen können“, erklärt Heyn. Bosch liefert Halbleiter für Autoindustrie, Maschinenbau, Gebäudetechnik und Konsumgüter. Wenn das Handy beim Drehen das Bild anpasst ist meist ein Bosch-Chip am Werk.


Bosch-Chef Hartung begrüßt zwar grundsätzlich das Brüsseler Vorhaben, mit massiven Fördergelder, die Europäische Halbleiterindustrie voranzutreiben.  Allerdings sei es eine Illusion zu glauben, dass auf dem Kontinent alle Typen, von Mikrochips konkurrenzfähig gefertigt werden können. „Man muss vielmehr genau abwägen, was gut für Europa und was für den Weltmarkt ist.“ Die EU solle sich vielmehr auf Halbleiter konzentrieren, für die besondere Kompetenzen bestehen. So können die Hersteller auch eine wichtige Marktposition etablieren. An den Bau einer zusätzlichen Fabrik denken die Stuttgarter trotz möglicher hoher Subventionen nicht.

Überall vertreten

Bosch zu entrinnen ist nicht einfach: Mit Komponenten in Autos und Lastwagen, Heizungsanlagen, Hausgeräten, Elektrowerkzeugen oder Chips im Handy ist der Konzern in fast allen Lebenslagen präsent. Im vergangenen Jahr haben die Stuttgarter mit einem Umsatz von 78 Milliarden Euro wieder der Stand vor der Pandemie erreicht. Von den 401.300 Mitarbeitern arbeiten – wie im Vorjahr – 131.400 in Deutschland. Gut 76.000 sind in Forschung und Entwicklung beschäftigt. Am besten hat sich die Industrietechnik entwickelt, die mit Ausstattungen für den Maschinen und Anlagenbau um 20 Prozent auf 6,1 Milliarden Euro gewachsen ist. Das Kerngeschäft rund ums Auto legte um 7,5 Prozent auf 45,4 Milliarden Euro zu. Es folgen Konsumgüter mit 21 Milliarden Euro (Plus13 Prozent und Gebäude und Energietechnik mit 5,9 Milliarden Euro (Plus elf Prozent). Jeder zweite Euro wird in Europa verdient. Aus Asien kommt ein Viertel des Umsatzes. 

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