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Zukunftsmärkte > Coronakrise

Unternehmer wissen nicht mehr, wie es weiter geht

Kein Umsatz, kein Gewinn, die Mitarbeiter entlassen und die Hilfen fließen nicht. Die Coronakrise trifft Mittelständler und Kleinunternehmer mit voller Wucht. Zwei Betroffene erzählen.

Georg Schneider ist Chef eines Unternehmens, das vor Corona ein solide wirtschaftender mittelständischer Betrieb war: Er leitet die Brauerei Schneider Weisse in Bayern – erfolgreiche Familiendynastie seit 1872. 230 Mitarbeiter in Brauerei und Gastronomie, 36 Millionen Euro Jahresumsatz 2019. Seit Corona aber, insbesondere seit dem zweiten Lockdown, steht dem Unternehmer das Wasser finanziell bis zum Hals: "Alle Reserven sind aufgebraucht, das Eigenkapital und die Rücklagen für Investitionen", sagt Schneider.

Sein Unternehmen, die Firma Schneider Weisse mit Sitz in Kelheim und München, teilt sich in die Geschäftsbereiche Brauerei und Gastronomie auf. Die Brauerei mit ihren ehemals 100 Mitarbeitern läuft in geringerem Umfang weiter. "Das Fassbiergeschäft liegt bei null, das Flaschenbiergeschäft ist reduziert", erzählt Schneider. Komplett auf Eis liegen dazu die drei Gastronomiebetriebe mit ihren ehemals 130 Mitarbeitern seit Lockdown-Beginn Nummer zwei im November. Hinzu kommen Pachtausfälle bei Immobilien des Unternehmens.

Im Jahr 2020 brachen die Umsätze in der Brauerei um 30 Prozent ein, in der Gastronomie um 60 Prozent. Seit Januar 2021 gingen die Umsätze in der Brauerei noch einmal um 50 Prozent zurück, in der Gastronomie wegen der Schließung um 100 Prozent. "Ich kann nicht sagen, wie es weitergeht." Aus Schneider spricht Verzweiflung. "Das kreide ich der Politik schon an: Man hat das Gefühl, immer nur vertröstet zu werden." Diese Unklarheit, wann und wie die Gastronomie wieder öffnen wird, erschwert ihm auch die Finanzierung der Umsatz ausfälle. "Die Politik suggeriert der Wirtschaft, dass ihr geholfen wird", moniert er. "Das ist eine bittere Pille."

Denn: Ob die Überbrückungshilfe III des Bundes für sein Unternehmen überhaupt greift, ist noch nicht sicher. Die gastronomischen Betriebe der GmbH werden als eigene Gesellschaften geführt. "Verbundene Unternehmen sind nicht antragsberechtigt", erklärt Schneider. "Das ist ein typischer Fall von deutscher Bürokratie", klagt er. Um seinen Betrieb liquide zu halten, setzt Schneider auf einen Mix an Hilfen. Bereits im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 beantragte er einen Kredit bei der KfW, da dieser nicht sofort abgerufen werden muss. Im zweiten Lockdown war das von der KfW bewilligte Geld dann dringend nötig.

Kredite bei den Hausbanken und Hilfe von Bürgschaftsbanken sind momentan für den Unternehmer keine Option. "Die Fragen werden schwieriger." Und die Antworten fehlen. Die Folge: "Als Unternehmer schöpft man immer aus seinem privaten Eigenkapital." Um die Kosten zu drücken, befinden sich die Mitarbeiter in Kurzarbeit, einige sind schon freiwillig gegangen, vor allem die 450-Euro-Kräfte. Zudem spart Schneider bei externen Dienstleistern ein, die er für Wäsche und Reinigung braucht. Bei seiner internen Firmenplanung rechnet er damit, "dass es ab April in der Gastronomie wieder langsam anzieht". Doch selbst wenn es bald wieder losgeht: "Man kann nicht sagen, was der lange Lockdown im Verbraucherverhalten ausgelöst hat und ob man die Leute wieder zurückholt. Die Gastronomie lebt auch von Messen, Veranstaltungen und dem Tourismus, und das wird 2021 noch nicht wieder auf alter Höhe sein."

Die Ungewissheit macht auch Marie-Christine Nelles zu schaffen. "Wir verharren in einer Warteposition und können nicht längerfristig planen. Seit einem Jahr hangeln wir uns von Pressekonferenz zu Pressekonferenz", kritisiert die Inhaberin von Nelles Catering in der Nähe von Fulda (Hessen). Ihr Unternehmen bietet Catering für Veranstaltungen und zwei Reha-Einrichtungen und ist Franchisepartner einer Bäckerei. "Wir überleben, indem wir neue Schulden machen", berichtet sie. "Dabei haben wir vorher nicht schlecht gewirtschaftet."

2019 machte der mittelständische Cateringbetrieb noch 2,3 Millionen Euro Umsatz, 2020 waren es nur noch 850.000 Euro. Die Auftragsbücher für 2020 waren bereits voll – bis Corona kam. 70 Mitarbeiter waren es vor der Pandemie, geblieben sind 25. "Alle Aushilfen sind geflohen", berichtet Nelles. Die Bäckerei und das Catering in den Reha-Häusern retten ihr zumindest ein wenig Umsatz. In acht Jahren seit der Firmengründung konnte Nelles "noch nicht das große Polster an Eigenkapital" aufbauen. Daher ist sie auf diverse Hilfen angewiesen.

Seit dem ersten Lockdown erhielt sie die staatliche Soforthilfe mit 30.000 Euro, ein Darlehen der KfW und die Überbrückungshilfen I und II von April bis Oktober. Zudem setzte sie Steuerzahlungen aus und vereinbarte mit den Krankenkassen Stundungen und Ratenzahlungen, "um so viel Liquidität wie möglich im Haus zu behalten." Die Überbrückungshilfe II für November und Dezember konnte ihr Steuerberater erst im Februar 2021 beantragen, der Antrag der Überbrückungshilfe III folgte kurz darauf. Da die Nelles Gastronomie GmbH & CO. KG als Mischbetrieb gilt, verkomplizierte und verzögerte sich die Antragstellung. "Die Hürden sind sehr groß."

Auch das Instrument Kurzarbeit hilft ihr, das monatliche Minus etwas zu drücken. Kredite bei der Hausbank lohnen sich nicht, da die Zinssätze bei der KfW günstiger sind. Sie ist zwar froh über die Kredite und Staatshilfen, langfristig bleiben sie aber Ballast: "Durch die Darlehen, die wir irgendwann abtragen müssen, überleben wir nur, wir investieren noch nicht", sagt Nelles. "Corona wirft unser Unternehmen locker um drei bis vier Jahre zurück.

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