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Vorsicht Regierungsbeteiligung: In der Koalition mit Kurz stürzen österreichische Grüne ab

Kann die schwarz-grüne Koalition in Wien ein Vorbild für Berlin werden? Aus grüner Sicht eher nicht. Die österreichischen Parteikollegen können sich gegen eine übermächtige Kanzlerpartei nicht durchsetzen.

Kann Österreich eine Blaupause sei? Taugt die schwarz-grüne Regierung unter ihrem Kanzler Sebastian Kurz, der inzwischen in Deutschland beinahe beliebter ist als in seinem Heimatland, als Vorbild? Schwarz-grün ist eine realistische Möglichkeit in Berlin - lohnt also der Blick nach Wien, wo eben diese Konstellation seit anderthalb Jahren regiert? Die Antwort auf den Punkt gebracht lautet so: Wenn der kleinere Koalitionspartner, also die Grünen, sich bis zur Unkenntlichkeit verleugnet, dann geht das prima. Nur wird das mit den deutschen Grünen nicht zu machen sein.

Derzeit läuft es so in Österreich: Seit dem Januar des vergangenen Jahres regiert eine Koalition aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und ihrem Juniorpartner, den Grünen, die bei den Wahlen 2919 knapp auf 14 Prozent gekommen waren. Und seither befindet sich die Regierung praktisch im Krisenmodus: Erst waren es die Wellen eins bis drei der Corona-Pandemie, und seitdem diese Front einigermaßen unter Kontrolle ist, steckt die Regierung selbst in Schwierigkeiten. Genauer gesagt: Die ÖVP und ihr Kanzler müssen sich in einem Untersuchungsausschuss zu Fragen der Vetternwirtschaft erklären, wobei Sebastian Kurz nicht den besten Eindruck hinterlässt. Ihm drohen inzwischen sogar staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Allerdings werden die nicht vom Koalitionspartner gefordert, der an Aufklärung interessiert sein könnte, sondern von der Opposition. Die Grünen halten vielmehr still. Mehr als eine Empfehlung an den großen Koalitionspartner, im Untersuchungsausschuss nicht auch noch aufzutrumpfen, sondern Zurückhaltung zu üben, ist bislang nicht zu hören. Ob bei einer Anklage gegen Kurz wegen Falschaussage die Grünen die Koalition mit einem Kanzler auf der Anklagebank weiterführen wollen, ist unklar. Wahrscheinlich machen sie auch das noch mit.

Koste es, was es wolle

Wie alles andere bisher auch. "Koste es, was es wolle", war die Devise, die Kurz in der Pandemie ausgegeben hatte. Etatdisziplin und Schwarze Null, die noch die Koalitionsverhandlungen geprägt hatten, wurden ähnlich wie in Deutschland dem übergeordneten Ziel der Pandemiebekämpfung untergeordnet. Die Staatsschuldenquote 2020 kletterte von 70,5 auf 84,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ohne das von den Grünen dazu eine kritische Anmerkung kam.

Ihren Koalitionstreuetest überstand die Partei, die eigentlich die Flüchtlingshilfe als einen zentralen Punkt ihrer Politik betrachtet, als es im Herbst vergangenen Jahres um die Aufnahme von hilfesuchenden Menschen aus dem abgebrannten Flüchtlingslager im griechischen Moria ging. Die Grünen stimmten gegen die Anträge der Opposition zur Aufnahme von 100 Kindern. "Wenn wir dafür stimmen, begehen wir Koalitionsbruch", sagte Fraktionschefin Sigrid Maurer damals. Die Partei kostete es sichtlich Überwindung, aber sie steckte in der Zwickmühle: Die ÖVP hätte sich ohne die Grünen in der Flüchtlingsfrage eine andere Mehrheit im Parlament zusammensuchen können – eine Klausel im Koalitionsvertrag lässt dies ausdrücklich zu. So gerieten die Grünen ins Eiern: Sie stimmten mit dem großen Koalitionspartner, aber warben öffentlich für die Aufnahme der Kinder. Am Ende kam immerhin die Zusage heraus, dass auch Kurz sich für mehr Hilfe vor Ort einsetzen werde. Das war es dann aber auch. Die Worte des österreichischen Ex-Grünen-Chefs und heutigen Bundespräsident Alexander van der Bellen - "Wir haben Platz genug" – verhallten ohne überzeugendes Echo. Als anschließend nach dem islamistischen Anschlag in Wien, die Möglichkeit einer lebenslangen Verwahrung für radikale Islamisten beschlossen werden sollte, trugen die Grünen die harte ÖVP-Linie erneut mit. Der österreichische Politikbeobachter Thomas Hofer, der nach zahlreichen TV-Auftritten bekannter ist als mancher Minister in Wien, stellte deswegen fest: "Die grüne DNA wurde mehrfach verletzt."

Gesundheitsminister gibt auf

Als taktisch ungünstig erwies sich auch, dass mit Rudolf Anschober ein Grüner das Amt des Gesundheitsministers übernahm. Anschober machte die gleiche Erfahrung wie sein deutscher Kollege Jens Spahn (CDU): Anfangs wurde er gefeiert, je länger die Krise dauerte, um so lauter wurde jedoch die Kritik an ihm. Im April schließlich legte Anschober sein Amt "aus gesundheitlichen Gründen" nieder. Die Grünen schickten einen Ersatzmann ins Rennen. Der Eindruck, in der Krise eingeknickt zu sein, war nicht auszuräumen.

Bleibt die Klimapolitik. Sie ist der Grund, warum die Grünen Regierungsverantwortung in Österreich übernehmen wollten. Dem Ziel, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, ordnen sie manche Entscheidung unter, die andere als Schlappe verstehen. "Wir haben uns verpflichtet, in Österreich 2040 klimaneutral zu sein", bekräftigt Grünen-Chef Werner Kogler und drängt gleich auf ein Bündel von Fördermaßnahmen: eine Millionen Photovoltaik-Dächer, thermische Gebäudesanierung und Heizkesselaustausch sollen helfen. Die Normverbrauchsabgabe für Neuwagen ist bereits erhöht, was aus grüner Perspektive ein Erfolg ist.

Doch das reicht nicht. Lange beruhigten sich die Grünen damit, dass sie bei regelmäßigen Umfragen stabil dastanden, als könnte ihnen der Sturm, der sie umbraust, nichts anhaben. Knapp 14 Prozent waren immer drin. Doch auch damit ist es jetzt vorbei: Diese Woche sah die jüngste Umfrage die Partei nur noch bei elf Prozent. Womit klar ist: Profitiert haben die Grünen in Österreich von ihrer Teilnahme an der Regierungskoalition bislang jedenfalls nicht.

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